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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Sieg auf dem Mergespann. Jetzt wurden sie vielbesprochene und umworbene
Männer, erwarben eigene Rosse, gewannen vielleicht hohe Preise und konnten
wohlhabende Leute werden. Das höchste Ziel des Ehrgeizes aber war, auf der
hohen Quadriga tausend Siege zu gewinnen und den seltenen Ehrentitel will",
varius zu erreichen. Der Jockey Pompejus Musclosus im zweiten Jahr¬
hundert gewann sogar 3359 Siege, die höchste sicher überlieferte Zahl. Zu-
weilen glückte ihnen, sich bei guten Jahren aus dem gefährlichen und auf¬
reibenden Beruf in das Stillleben der Provinz zurückzuziehen. Aber wir er¬
fahren auch, daß einzelne berühmte Jockey's ihr schweres Athletengewerbe bis
in das Greisenalter forttrieben.

In der Rennbahn auf leichtem zweirädrigen Wagen, der hinten offen,
vorn mit halbrunder, niedriger Brüstung versehen war, stand der Jockey,
in eng anliegender Tunika ohne Aermel, einen Lederhelm auf dem Haupt, die
Zügel der Rosse am breiten Gurt befestigt, ein Messer zum Lösen der Riemen
für den Nothfall an der Seite, die Peitsche mit Schlagriemen in der Hand.
Die Schwere und Höhe seiner Rennwagen scheint nach der Zahl der vor¬
gespannten Pferde verschieden gewesen zu sein. Geraume wurde im Circus,
einem langen offenen Raum, dessen zwei geradlinige Langseiten durch parabo¬
lische Bogen verbunden waren. Der gesammte Raum wurde durch die
Architektur der Sitzreihen eingefaßt, welche am großen Circus zu Rom
nach verschiedenen Neubauten in der letzten Kaiserzeit mehr als 300,000
Plätze boten. In der Mitte der Bahn lief eine Schranke, später'niedriges
Mauerwerk, entlang, welches in der Sportsprache später Zeit sMa, Rück¬
grat, hieß. Die Wendestellen oben und unten waren durch je drei kegel¬
förmige Zeichen, die meos, markirt. Die Bahn lief vom Ausgangspunkte
an-der rechten Seite der sxiim hinab, um die Hinteren Kegelmarken herum,
auf der linken Seite zum Ausgangspunkt zurück. Abgerannt wurde von der
oberen Schmalseite, diese war durch eine Mauer geschlossen, in deren Mitte das
große Eingangsthor und daneben rechts und links im großen Circus je sechs
Rennthore waren durch Schranken gesperrt, von denen die Wagen ausliefen.
Die Zahl der Thore aber war nicht in jedem Circus dieselbe, zwölf die
höchste Zahl. Im großen Circus scheint die Mauer, aus deren Oeffnungen
abgefahren wurde, rechtwinkelig gegen die Bahnachse gestanden zu haben, auf
anderen Bahnen lief auch sie in einer Curve, was günstiger war, denn bei
gerader Abfahrtlinie waren die Wagen zunächst der äußeren Bahneinfassung
in beträchtlichem Nachtheil. Die Thore des Abrennens wurden ausgelost.

Der gewöhnliche Lauf eines Rennens ging siebenmal um die ganze Bahn.
Ein Kreidestrich auf der Abfahrtseite bezeichnete das Ziel.

Die Länge der Rennbahn ist auffallend, sie betrug in dem großen Circus
bet sieben Umläufen fast eine Meile, und wenn auch die Zahl der Umläufe


Grenzboten II. 1869. 57

Sieg auf dem Mergespann. Jetzt wurden sie vielbesprochene und umworbene
Männer, erwarben eigene Rosse, gewannen vielleicht hohe Preise und konnten
wohlhabende Leute werden. Das höchste Ziel des Ehrgeizes aber war, auf der
hohen Quadriga tausend Siege zu gewinnen und den seltenen Ehrentitel will«,
varius zu erreichen. Der Jockey Pompejus Musclosus im zweiten Jahr¬
hundert gewann sogar 3359 Siege, die höchste sicher überlieferte Zahl. Zu-
weilen glückte ihnen, sich bei guten Jahren aus dem gefährlichen und auf¬
reibenden Beruf in das Stillleben der Provinz zurückzuziehen. Aber wir er¬
fahren auch, daß einzelne berühmte Jockey's ihr schweres Athletengewerbe bis
in das Greisenalter forttrieben.

In der Rennbahn auf leichtem zweirädrigen Wagen, der hinten offen,
vorn mit halbrunder, niedriger Brüstung versehen war, stand der Jockey,
in eng anliegender Tunika ohne Aermel, einen Lederhelm auf dem Haupt, die
Zügel der Rosse am breiten Gurt befestigt, ein Messer zum Lösen der Riemen
für den Nothfall an der Seite, die Peitsche mit Schlagriemen in der Hand.
Die Schwere und Höhe seiner Rennwagen scheint nach der Zahl der vor¬
gespannten Pferde verschieden gewesen zu sein. Geraume wurde im Circus,
einem langen offenen Raum, dessen zwei geradlinige Langseiten durch parabo¬
lische Bogen verbunden waren. Der gesammte Raum wurde durch die
Architektur der Sitzreihen eingefaßt, welche am großen Circus zu Rom
nach verschiedenen Neubauten in der letzten Kaiserzeit mehr als 300,000
Plätze boten. In der Mitte der Bahn lief eine Schranke, später'niedriges
Mauerwerk, entlang, welches in der Sportsprache später Zeit sMa, Rück¬
grat, hieß. Die Wendestellen oben und unten waren durch je drei kegel¬
förmige Zeichen, die meos, markirt. Die Bahn lief vom Ausgangspunkte
an-der rechten Seite der sxiim hinab, um die Hinteren Kegelmarken herum,
auf der linken Seite zum Ausgangspunkt zurück. Abgerannt wurde von der
oberen Schmalseite, diese war durch eine Mauer geschlossen, in deren Mitte das
große Eingangsthor und daneben rechts und links im großen Circus je sechs
Rennthore waren durch Schranken gesperrt, von denen die Wagen ausliefen.
Die Zahl der Thore aber war nicht in jedem Circus dieselbe, zwölf die
höchste Zahl. Im großen Circus scheint die Mauer, aus deren Oeffnungen
abgefahren wurde, rechtwinkelig gegen die Bahnachse gestanden zu haben, auf
anderen Bahnen lief auch sie in einer Curve, was günstiger war, denn bei
gerader Abfahrtlinie waren die Wagen zunächst der äußeren Bahneinfassung
in beträchtlichem Nachtheil. Die Thore des Abrennens wurden ausgelost.

Der gewöhnliche Lauf eines Rennens ging siebenmal um die ganze Bahn.
Ein Kreidestrich auf der Abfahrtseite bezeichnete das Ziel.

Die Länge der Rennbahn ist auffallend, sie betrug in dem großen Circus
bet sieben Umläufen fast eine Meile, und wenn auch die Zahl der Umläufe


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[0457] Sieg auf dem Mergespann. Jetzt wurden sie vielbesprochene und umworbene Männer, erwarben eigene Rosse, gewannen vielleicht hohe Preise und konnten wohlhabende Leute werden. Das höchste Ziel des Ehrgeizes aber war, auf der hohen Quadriga tausend Siege zu gewinnen und den seltenen Ehrentitel will«, varius zu erreichen. Der Jockey Pompejus Musclosus im zweiten Jahr¬ hundert gewann sogar 3359 Siege, die höchste sicher überlieferte Zahl. Zu- weilen glückte ihnen, sich bei guten Jahren aus dem gefährlichen und auf¬ reibenden Beruf in das Stillleben der Provinz zurückzuziehen. Aber wir er¬ fahren auch, daß einzelne berühmte Jockey's ihr schweres Athletengewerbe bis in das Greisenalter forttrieben. In der Rennbahn auf leichtem zweirädrigen Wagen, der hinten offen, vorn mit halbrunder, niedriger Brüstung versehen war, stand der Jockey, in eng anliegender Tunika ohne Aermel, einen Lederhelm auf dem Haupt, die Zügel der Rosse am breiten Gurt befestigt, ein Messer zum Lösen der Riemen für den Nothfall an der Seite, die Peitsche mit Schlagriemen in der Hand. Die Schwere und Höhe seiner Rennwagen scheint nach der Zahl der vor¬ gespannten Pferde verschieden gewesen zu sein. Geraume wurde im Circus, einem langen offenen Raum, dessen zwei geradlinige Langseiten durch parabo¬ lische Bogen verbunden waren. Der gesammte Raum wurde durch die Architektur der Sitzreihen eingefaßt, welche am großen Circus zu Rom nach verschiedenen Neubauten in der letzten Kaiserzeit mehr als 300,000 Plätze boten. In der Mitte der Bahn lief eine Schranke, später'niedriges Mauerwerk, entlang, welches in der Sportsprache später Zeit sMa, Rück¬ grat, hieß. Die Wendestellen oben und unten waren durch je drei kegel¬ förmige Zeichen, die meos, markirt. Die Bahn lief vom Ausgangspunkte an-der rechten Seite der sxiim hinab, um die Hinteren Kegelmarken herum, auf der linken Seite zum Ausgangspunkt zurück. Abgerannt wurde von der oberen Schmalseite, diese war durch eine Mauer geschlossen, in deren Mitte das große Eingangsthor und daneben rechts und links im großen Circus je sechs Rennthore waren durch Schranken gesperrt, von denen die Wagen ausliefen. Die Zahl der Thore aber war nicht in jedem Circus dieselbe, zwölf die höchste Zahl. Im großen Circus scheint die Mauer, aus deren Oeffnungen abgefahren wurde, rechtwinkelig gegen die Bahnachse gestanden zu haben, auf anderen Bahnen lief auch sie in einer Curve, was günstiger war, denn bei gerader Abfahrtlinie waren die Wagen zunächst der äußeren Bahneinfassung in beträchtlichem Nachtheil. Die Thore des Abrennens wurden ausgelost. Der gewöhnliche Lauf eines Rennens ging siebenmal um die ganze Bahn. Ein Kreidestrich auf der Abfahrtseite bezeichnete das Ziel. Die Länge der Rennbahn ist auffallend, sie betrug in dem großen Circus bet sieben Umläufen fast eine Meile, und wenn auch die Zahl der Umläufe Grenzboten II. 1869. 57

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/457>, abgerufen am 04.07.2024.