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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Rennaparat schließen. Diese ganze Ausrüstung aber war in der Hand von
vier großen Rennclubs.

Die römischen Renngesellschaften haben eine tausendjährige Geschichte.
Von der letzten Zeit der Republik bis in das Jahrhundert der Kreuzzüge
besorgten sie zu Rom und Constantinopel, überall wo die römische Herrschaft
antike Cultur verbreitet hatte, die größten Schaufeste der Völker; durch länger
als ein Jahrtausend waren sie das aufregendste, regelmäßig wiederkehrende
Interesse in dem alternden Kaiserstaate. Die großen Trainirschulen der
Gladiatoren hörten mit der Einführung des Christenthums auf. aber die
Clubs für Rennsport beschäftigten unter dem heiligen Kreuz von Byzanz
ebenso leidenschaftlich, wie unter der Herrschaft des Vater Jovis. welcher
selbst aus einem Viergespann von der Höhe des Capitals auf die große Renn¬
bahn seiner Römer herabsah.

Die Rennclubs der Römer und Byzantiner waren Gesellschaften von
Sportmen und Capitalien, welche Rosse, Wagen und Jokey's, Gestüte, Trai-
niranstalten, Handwerker und Sclaven für die Dienste der Rennbahn unter¬
hielten und an die Unternehmer der Spiele vermietheten. Sie hatten allmälig
eine Art Privilegium für Beschaffung des gesammten Rennapparats er¬
worben; wer öffentliche Spiele geben wollte, mußte sich mit ihnen über den
Kostenpreis verständigen, und sie scheinen die Tyrannei privilegirter Unter¬
nehmer schon früh in einer lästigen Weise geübt zu haben. Seit es auf¬
gekommen war, die Rennen ganze Tage dauern zu lassen, weigerten sie sich
Wohl, für eine kleinere Anzahl von Rennen ihren Apparat zu leihen, und der
Prätor A. Fabricius ließ im Jahre S4' n. Ch. ihnen zum Spott Hundegespanne
rennen, weil er ihre ausschweifenden Forderungen nicht befriedigen wollte.
Die Kaiser selbst wußten sich ihrer Tyrannei nicht zu entziehen; sie unter¬
hielten zwar wenigstens in den ersten Jahrhunderten n. Chr. eigene Gestüte
und Trainiranstalten, aber ihre Rosse liefen doch unter den Abzeichen einer
Partei; der Versuch, welchen Domitian machte, eigene kaiserliche Clubs ein¬
zurichten, hatte keine Dauer.

Wir wissen wenig von ihren Anfängen. Die beiden ältesten Renn¬
vereine in Rom, welche schon zur Zeit der Republik erwähnt werden, waren
der Club der Schimmel und der Braunen (taetio aldata und russkta,). Sie
mögen sehr alt sein und schon vor Einrichtung der großen Rennbahn, des
Lireus maximus, die Bauerschaften der Siebenhügelstädte bei dem alten
Volksfest des Roßlaufs, den Equirien, am Ufer der Tiber in Parteien ge¬
theilt haben. Die Clubnamen werden im Deutschen ungenau in "Weiße"
und "Rothe" übersetzt, dem Römer drückte ihr Name vor Allem,die beiden
Pferdefarben weiß und braun aus. Ebenfalls ungenau ist die deutsche Ueber-
tragung der späteren Sportvereine in "Blaue" und "Grüne". Wenn die dritte


56"

Rennaparat schließen. Diese ganze Ausrüstung aber war in der Hand von
vier großen Rennclubs.

Die römischen Renngesellschaften haben eine tausendjährige Geschichte.
Von der letzten Zeit der Republik bis in das Jahrhundert der Kreuzzüge
besorgten sie zu Rom und Constantinopel, überall wo die römische Herrschaft
antike Cultur verbreitet hatte, die größten Schaufeste der Völker; durch länger
als ein Jahrtausend waren sie das aufregendste, regelmäßig wiederkehrende
Interesse in dem alternden Kaiserstaate. Die großen Trainirschulen der
Gladiatoren hörten mit der Einführung des Christenthums auf. aber die
Clubs für Rennsport beschäftigten unter dem heiligen Kreuz von Byzanz
ebenso leidenschaftlich, wie unter der Herrschaft des Vater Jovis. welcher
selbst aus einem Viergespann von der Höhe des Capitals auf die große Renn¬
bahn seiner Römer herabsah.

Die Rennclubs der Römer und Byzantiner waren Gesellschaften von
Sportmen und Capitalien, welche Rosse, Wagen und Jokey's, Gestüte, Trai-
niranstalten, Handwerker und Sclaven für die Dienste der Rennbahn unter¬
hielten und an die Unternehmer der Spiele vermietheten. Sie hatten allmälig
eine Art Privilegium für Beschaffung des gesammten Rennapparats er¬
worben; wer öffentliche Spiele geben wollte, mußte sich mit ihnen über den
Kostenpreis verständigen, und sie scheinen die Tyrannei privilegirter Unter¬
nehmer schon früh in einer lästigen Weise geübt zu haben. Seit es auf¬
gekommen war, die Rennen ganze Tage dauern zu lassen, weigerten sie sich
Wohl, für eine kleinere Anzahl von Rennen ihren Apparat zu leihen, und der
Prätor A. Fabricius ließ im Jahre S4' n. Ch. ihnen zum Spott Hundegespanne
rennen, weil er ihre ausschweifenden Forderungen nicht befriedigen wollte.
Die Kaiser selbst wußten sich ihrer Tyrannei nicht zu entziehen; sie unter¬
hielten zwar wenigstens in den ersten Jahrhunderten n. Chr. eigene Gestüte
und Trainiranstalten, aber ihre Rosse liefen doch unter den Abzeichen einer
Partei; der Versuch, welchen Domitian machte, eigene kaiserliche Clubs ein¬
zurichten, hatte keine Dauer.

Wir wissen wenig von ihren Anfängen. Die beiden ältesten Renn¬
vereine in Rom, welche schon zur Zeit der Republik erwähnt werden, waren
der Club der Schimmel und der Braunen (taetio aldata und russkta,). Sie
mögen sehr alt sein und schon vor Einrichtung der großen Rennbahn, des
Lireus maximus, die Bauerschaften der Siebenhügelstädte bei dem alten
Volksfest des Roßlaufs, den Equirien, am Ufer der Tiber in Parteien ge¬
theilt haben. Die Clubnamen werden im Deutschen ungenau in „Weiße"
und „Rothe" übersetzt, dem Römer drückte ihr Name vor Allem,die beiden
Pferdefarben weiß und braun aus. Ebenfalls ungenau ist die deutsche Ueber-
tragung der späteren Sportvereine in „Blaue" und „Grüne". Wenn die dritte


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[0451] Rennaparat schließen. Diese ganze Ausrüstung aber war in der Hand von vier großen Rennclubs. Die römischen Renngesellschaften haben eine tausendjährige Geschichte. Von der letzten Zeit der Republik bis in das Jahrhundert der Kreuzzüge besorgten sie zu Rom und Constantinopel, überall wo die römische Herrschaft antike Cultur verbreitet hatte, die größten Schaufeste der Völker; durch länger als ein Jahrtausend waren sie das aufregendste, regelmäßig wiederkehrende Interesse in dem alternden Kaiserstaate. Die großen Trainirschulen der Gladiatoren hörten mit der Einführung des Christenthums auf. aber die Clubs für Rennsport beschäftigten unter dem heiligen Kreuz von Byzanz ebenso leidenschaftlich, wie unter der Herrschaft des Vater Jovis. welcher selbst aus einem Viergespann von der Höhe des Capitals auf die große Renn¬ bahn seiner Römer herabsah. Die Rennclubs der Römer und Byzantiner waren Gesellschaften von Sportmen und Capitalien, welche Rosse, Wagen und Jokey's, Gestüte, Trai- niranstalten, Handwerker und Sclaven für die Dienste der Rennbahn unter¬ hielten und an die Unternehmer der Spiele vermietheten. Sie hatten allmälig eine Art Privilegium für Beschaffung des gesammten Rennapparats er¬ worben; wer öffentliche Spiele geben wollte, mußte sich mit ihnen über den Kostenpreis verständigen, und sie scheinen die Tyrannei privilegirter Unter¬ nehmer schon früh in einer lästigen Weise geübt zu haben. Seit es auf¬ gekommen war, die Rennen ganze Tage dauern zu lassen, weigerten sie sich Wohl, für eine kleinere Anzahl von Rennen ihren Apparat zu leihen, und der Prätor A. Fabricius ließ im Jahre S4' n. Ch. ihnen zum Spott Hundegespanne rennen, weil er ihre ausschweifenden Forderungen nicht befriedigen wollte. Die Kaiser selbst wußten sich ihrer Tyrannei nicht zu entziehen; sie unter¬ hielten zwar wenigstens in den ersten Jahrhunderten n. Chr. eigene Gestüte und Trainiranstalten, aber ihre Rosse liefen doch unter den Abzeichen einer Partei; der Versuch, welchen Domitian machte, eigene kaiserliche Clubs ein¬ zurichten, hatte keine Dauer. Wir wissen wenig von ihren Anfängen. Die beiden ältesten Renn¬ vereine in Rom, welche schon zur Zeit der Republik erwähnt werden, waren der Club der Schimmel und der Braunen (taetio aldata und russkta,). Sie mögen sehr alt sein und schon vor Einrichtung der großen Rennbahn, des Lireus maximus, die Bauerschaften der Siebenhügelstädte bei dem alten Volksfest des Roßlaufs, den Equirien, am Ufer der Tiber in Parteien ge¬ theilt haben. Die Clubnamen werden im Deutschen ungenau in „Weiße" und „Rothe" übersetzt, dem Römer drückte ihr Name vor Allem,die beiden Pferdefarben weiß und braun aus. Ebenfalls ungenau ist die deutsche Ueber- tragung der späteren Sportvereine in „Blaue" und „Grüne". Wenn die dritte 56"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/451>, abgerufen am 04.07.2024.