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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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kanntlich einen entscheidenden Sieg der deutschen Partei über die altrussische
Fronde und deren oligarchisch-aristocratische Bestrebungen bedeutete.

Als Heinrich Fick nach Rußland kam, war das nsubegründete Peters¬
burg wenig mehr als ein Haufen in finnischen Sumpf verstreuter Gebäude,
welche ein kaiserlicher Machtspruch mit widerwillig ausgewanderten Bewoh¬
nern anderer russischer Städte bevölkert hatte. Fick, der mit dem Kaiser in
persönliche Berührung gekommen war und wissen mochte, wie viel diesem an
dem Wachsthum seiner neuen Metropole gelegen war, ließ sich in Peters¬
burg nieder und sein Haus sah den russischen Herrscher (der, wie die Sage
wissen will, an einer der Töchter seines neuen Unterthanen gnädiges Gefallen
fand), öfter unter seinem Dach, als mancher Pallast, der von Abkömmlingen
Ruriks oder Juri Dolgoruki's bewohnt war. Durch die glänzenden Erfolge
seiner Sendung nach Schweden war der ..Kammerrath" ein wohlhabender
und angesehener Mann geworden, dem es leicht fiel, seine Töchter durch vor¬
nehme Heirathen zu versorgen. Die älteste heirathete den Senatssecretair
Schulz (der, wie wir erfahren haben, das Loos seines Schwiegervaters theilte),
die zweite einen livländischen Edelmann, den Kammerherrn Otto Heinrich
v. Zöge-Manteuffel, die dritte wurde mit einem Freiherrn v. Vietinghoff, die
vierte an den Legationsrath v. Lilienfeldt und die fünfte, trotz ihrer Blind¬
heit, an einen Oberwachtmeister v. Lauw ("Eine wunderliche Dame, sie schlief,
wenn andere wachten, und wachte, wenn andere schliefen. Sie verbrauchte so
viel Thee, daß 18 andere Personen damit auskommen können") vermählt. Wie
angesehen Fick schon damals war, geht aus dem Umstände hervor, daß als
Pathen eines seiner Kinder' der Herzog von Holstein, Fürst und Fürstin
Menschikow, Frau Generalin Lefort, die Gräfin Bruce und die Ministerin
Jagushinski genannt werden und daß die älteste Tochter sich nach dem Tode
ihres ersten Gemahls mit der Hoffnung schmeichelte. Gräfin Ostermann zu
werden. Von dem Umfang seines Vermögens wird man sich eine Vorstellung
machen, wenn man erfährt, daß die ihm geschenkten livländischen Güter schon
im vorigen Jahrhundert etwa eine Million Thaler werth waren und daß er
außerdem baares Vermögen genug besaß, um den ihm wieder abgenommenen
Theil dieser Güter wieder anzukaufen -- und das Alles war in wenigen
Jahren erworben worden.

Aber gerade dieses rasche Aufsteigen und die engen Verbindungen, die
der kühne und ehrgeizige Mann mit den Häuptern der angesehensten russi¬
schen Adelsfamilien geschlossen, sollten ihm zum Verderben werden. Während
seines, wie es scheint mehrjährigen Aufenthalts in Schweden, hatte der ehe¬
malige Rathsherr von Flensburg noch andere Studien getrieben, als die ihm
vom Zaaren aufgegebenen Untersuchungen über "schwedische Commerz-, Po-
lizei- und Finanzsachen". Er hatte, wie Mannstein in seinen bekannten Me-


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kanntlich einen entscheidenden Sieg der deutschen Partei über die altrussische
Fronde und deren oligarchisch-aristocratische Bestrebungen bedeutete.

Als Heinrich Fick nach Rußland kam, war das nsubegründete Peters¬
burg wenig mehr als ein Haufen in finnischen Sumpf verstreuter Gebäude,
welche ein kaiserlicher Machtspruch mit widerwillig ausgewanderten Bewoh¬
nern anderer russischer Städte bevölkert hatte. Fick, der mit dem Kaiser in
persönliche Berührung gekommen war und wissen mochte, wie viel diesem an
dem Wachsthum seiner neuen Metropole gelegen war, ließ sich in Peters¬
burg nieder und sein Haus sah den russischen Herrscher (der, wie die Sage
wissen will, an einer der Töchter seines neuen Unterthanen gnädiges Gefallen
fand), öfter unter seinem Dach, als mancher Pallast, der von Abkömmlingen
Ruriks oder Juri Dolgoruki's bewohnt war. Durch die glänzenden Erfolge
seiner Sendung nach Schweden war der ..Kammerrath" ein wohlhabender
und angesehener Mann geworden, dem es leicht fiel, seine Töchter durch vor¬
nehme Heirathen zu versorgen. Die älteste heirathete den Senatssecretair
Schulz (der, wie wir erfahren haben, das Loos seines Schwiegervaters theilte),
die zweite einen livländischen Edelmann, den Kammerherrn Otto Heinrich
v. Zöge-Manteuffel, die dritte wurde mit einem Freiherrn v. Vietinghoff, die
vierte an den Legationsrath v. Lilienfeldt und die fünfte, trotz ihrer Blind¬
heit, an einen Oberwachtmeister v. Lauw („Eine wunderliche Dame, sie schlief,
wenn andere wachten, und wachte, wenn andere schliefen. Sie verbrauchte so
viel Thee, daß 18 andere Personen damit auskommen können") vermählt. Wie
angesehen Fick schon damals war, geht aus dem Umstände hervor, daß als
Pathen eines seiner Kinder' der Herzog von Holstein, Fürst und Fürstin
Menschikow, Frau Generalin Lefort, die Gräfin Bruce und die Ministerin
Jagushinski genannt werden und daß die älteste Tochter sich nach dem Tode
ihres ersten Gemahls mit der Hoffnung schmeichelte. Gräfin Ostermann zu
werden. Von dem Umfang seines Vermögens wird man sich eine Vorstellung
machen, wenn man erfährt, daß die ihm geschenkten livländischen Güter schon
im vorigen Jahrhundert etwa eine Million Thaler werth waren und daß er
außerdem baares Vermögen genug besaß, um den ihm wieder abgenommenen
Theil dieser Güter wieder anzukaufen — und das Alles war in wenigen
Jahren erworben worden.

Aber gerade dieses rasche Aufsteigen und die engen Verbindungen, die
der kühne und ehrgeizige Mann mit den Häuptern der angesehensten russi¬
schen Adelsfamilien geschlossen, sollten ihm zum Verderben werden. Während
seines, wie es scheint mehrjährigen Aufenthalts in Schweden, hatte der ehe¬
malige Rathsherr von Flensburg noch andere Studien getrieben, als die ihm
vom Zaaren aufgegebenen Untersuchungen über „schwedische Commerz-, Po-
lizei- und Finanzsachen". Er hatte, wie Mannstein in seinen bekannten Me-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/443>, abgerufen am 04.07.2024.