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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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stellen sollte. Dieselbe stand von 17S8 -1763 im Feld, litt aber durch De¬
sertion derartig, daß, obwohl alljährlich im Lande ausgehoben und geworben
wurde, sie bisweilen 40, höchstens 80 Mann zählte. Gleichwohl wurde sie
als complet bezahlt. Zuletzt kam sie mit 63 Mann aus dem Felde unter
1 Oberstlieutenant. 1 Major und 1 Capitain und löste das Landregi¬
ment ab, welches den berühmten Wasunger Krieg mitgemacht hatte. --
Nach Beendigung dieser Campagnen wurden neue Anstrengungen sür ein
Regiment zu 3 Bataillonen gemacht. Das 1. Bataillon, die Leibgarde, war
gelb und blau montirt und hatte folgende Officiere: Obrist, Obristlieutenant,
2 Majors, 4 Capitains, 4 Lieutenants und 1 Auditeur. Obwohl 400 Stück
Montirungen angefertigt worden, so fanden sich doch nie mehr als 40 Mann
dazu, welche vom März 1762 bis October 1766, ohne Dienste zu thun, aber
mit fortlaufender Gage und Löhnung herumlungerten, auch die 400 Mon-
turen redlich auftrugen oder sonst zu ihrem Nutzen verwendeten. Zu dem
zweiten Bataillon, dem der Herzogin, waren ebensoviel Monturen, blau und
rosenroth, gemacht worden. Dabei war 1 Oberstlieutenant. 1 Major, auch
etliche Capitains und Lieutenants, welche aber, da es mit dem Regiment
höchst mißlich aussah, alle abgingen, bis auf einen beharrlichen Lieute¬
nant. Die Officiere hatten keinen Mann zu befehligen gehabt. Die Mon¬
turen wurden von Lohnwächtern und dergl. Leuten "vertragen". Das dritte
Bataillon sollte das Landregiment vorstellen oder werden, und es wurden bei
einem Schleusinger Juden wieder 400 blau und hellrothe Montirungen accor-
dirt, auch zu einem ganzen Regiment Hosen, Kittel und Schuhe geliefert,
und diese wurden ebenfalls "vertragen". Obgleich alle Kammern voll Mon¬
tirungen hingen, so kam doch vom Landregiment Mancher mit einem, Mancher
auch ohne Aermel, ja etliche gar in ihren eigenen Röcken auf Wache, ein
Verfahren, welches unser Gewährsmann als "curios" bezeichnet. Dieses Ba¬
taillon oder Landregiment befehligten ein General, 1 Obrist, 1 Obristlieu¬
tenant, 1 Major. Ueberdies waren auch für ein Artilleriecorps von 80 Mann
schöne Montirungen, mit Gold und Sammet ausgeschlagen, gemacht worden,
auch Hosen, Schuhe und wollene Kittel dazu, "und dies Alles haben, weil
nichts daraus geworden, obwohl 1 Major. 1 Hauptmann. 1 Lieutenant, ein
Oberfeuerwerker, 1 Unterconstabler und 1 Corpora! dagewesen, -- die Mäuse
und Motten ganz und gar gefressen." Und was ward aus den 30 wohl
montirten Kanonen? Ein Theil wurde verschmolzen und von den übrig ge¬
bliebenen wieder Lafetten und Räder zerschlagen und das Holz von dem
Major verbrannt, das Eisen bei Hof in der Schmiede verarbeitet; die
Kanonenrohre aber wurden auf Rädlein, auch nur auf Holzscheite gesetzt und
damit gefeuert.

Doch war es nicht das Heer allein, welches die Einnahmen ruintrte


stellen sollte. Dieselbe stand von 17S8 -1763 im Feld, litt aber durch De¬
sertion derartig, daß, obwohl alljährlich im Lande ausgehoben und geworben
wurde, sie bisweilen 40, höchstens 80 Mann zählte. Gleichwohl wurde sie
als complet bezahlt. Zuletzt kam sie mit 63 Mann aus dem Felde unter
1 Oberstlieutenant. 1 Major und 1 Capitain und löste das Landregi¬
ment ab, welches den berühmten Wasunger Krieg mitgemacht hatte. —
Nach Beendigung dieser Campagnen wurden neue Anstrengungen sür ein
Regiment zu 3 Bataillonen gemacht. Das 1. Bataillon, die Leibgarde, war
gelb und blau montirt und hatte folgende Officiere: Obrist, Obristlieutenant,
2 Majors, 4 Capitains, 4 Lieutenants und 1 Auditeur. Obwohl 400 Stück
Montirungen angefertigt worden, so fanden sich doch nie mehr als 40 Mann
dazu, welche vom März 1762 bis October 1766, ohne Dienste zu thun, aber
mit fortlaufender Gage und Löhnung herumlungerten, auch die 400 Mon-
turen redlich auftrugen oder sonst zu ihrem Nutzen verwendeten. Zu dem
zweiten Bataillon, dem der Herzogin, waren ebensoviel Monturen, blau und
rosenroth, gemacht worden. Dabei war 1 Oberstlieutenant. 1 Major, auch
etliche Capitains und Lieutenants, welche aber, da es mit dem Regiment
höchst mißlich aussah, alle abgingen, bis auf einen beharrlichen Lieute¬
nant. Die Officiere hatten keinen Mann zu befehligen gehabt. Die Mon¬
turen wurden von Lohnwächtern und dergl. Leuten „vertragen". Das dritte
Bataillon sollte das Landregiment vorstellen oder werden, und es wurden bei
einem Schleusinger Juden wieder 400 blau und hellrothe Montirungen accor-
dirt, auch zu einem ganzen Regiment Hosen, Kittel und Schuhe geliefert,
und diese wurden ebenfalls „vertragen". Obgleich alle Kammern voll Mon¬
tirungen hingen, so kam doch vom Landregiment Mancher mit einem, Mancher
auch ohne Aermel, ja etliche gar in ihren eigenen Röcken auf Wache, ein
Verfahren, welches unser Gewährsmann als „curios" bezeichnet. Dieses Ba¬
taillon oder Landregiment befehligten ein General, 1 Obrist, 1 Obristlieu¬
tenant, 1 Major. Ueberdies waren auch für ein Artilleriecorps von 80 Mann
schöne Montirungen, mit Gold und Sammet ausgeschlagen, gemacht worden,
auch Hosen, Schuhe und wollene Kittel dazu, „und dies Alles haben, weil
nichts daraus geworden, obwohl 1 Major. 1 Hauptmann. 1 Lieutenant, ein
Oberfeuerwerker, 1 Unterconstabler und 1 Corpora! dagewesen, — die Mäuse
und Motten ganz und gar gefressen." Und was ward aus den 30 wohl
montirten Kanonen? Ein Theil wurde verschmolzen und von den übrig ge¬
bliebenen wieder Lafetten und Räder zerschlagen und das Holz von dem
Major verbrannt, das Eisen bei Hof in der Schmiede verarbeitet; die
Kanonenrohre aber wurden auf Rädlein, auch nur auf Holzscheite gesetzt und
damit gefeuert.

Doch war es nicht das Heer allein, welches die Einnahmen ruintrte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/44>, abgerufen am 04.07.2024.