Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.Abendmahl verweigert, ja in einzelnen Fällen sogar die Begleitung der Leiche Der principielle Gegensatz gegen die Union aber trat am schärfsten in Allein nun begann das Landesconsistorium den offenen Kampf gegen Daß die ganze Deduction eine fehlerhafte, liegt auf der Hand; denn für Abendmahl verweigert, ja in einzelnen Fällen sogar die Begleitung der Leiche Der principielle Gegensatz gegen die Union aber trat am schärfsten in Allein nun begann das Landesconsistorium den offenen Kampf gegen Daß die ganze Deduction eine fehlerhafte, liegt auf der Hand; denn für <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0428" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121115"/> <p xml:id="ID_1283" prev="#ID_1282"> Abendmahl verweigert, ja in einzelnen Fällen sogar die Begleitung der Leiche<lb/> durch den Geistlichen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1284"> Der principielle Gegensatz gegen die Union aber trat am schärfsten in<lb/> dem Verhalten des Landesconsistoriums selbst hervor und zwar bei Gelegenheit<lb/> einer Predigerwahl in Goslar. Hier hatte der Magistrat den altpreußischen<lb/> Pastor Topf zu Schmiedeberg zum Prediger erwählt. Derselbe gehört der<lb/> lutherischen Kirche an und erklärte sich ausdrücklich bereit, die sür die lutheri¬<lb/> schen Prediger der Provinz Hannover vorgeschriebene Verpflichtungsformel<lb/> zu vollziehen. Trotzdem verweigerte das Landesconsistorium Topf's Be¬<lb/> stätigung, weil er bislang im Dienste der unirten Kirche gestanden und damit<lb/> bewiesen habe, daß er der lutherischen Kirche nicht angehöre. Daß er sich<lb/> Lutheraner nenne und bereit sei, sich als lutherischer Prediger verpflichten zu<lb/> lassen, komme der Thatsache gegenüber, daß er der Union factisch diene, nicht<lb/> weiter in Frage. — Der Magistrat in Goslar wandte sich wider diese von<lb/> der starrsten Intoleranz dictirte Entscheidung beschwerend an das Cultus¬<lb/> ministerium in Berlin und erlangte hier eine abändernde Verfügung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1285"> Allein nun begann das Landesconsistorium den offenen Kampf gegen<lb/> die Staategewalt. Es erklärte dasselbe nämlich ganz entschieden, nach der<lb/> ihm verliehenen Stellung habe der Minister in inneren Kirchenangelegen-<lb/> heiten überall nicht das Recht, seine Entscheidungen abzuändern; der Minister<lb/> sei höchstens berechtigt, etwaige Differenzpunkte dem Könige zur Entschei¬<lb/> dung vorzulegen, der dann nach Anhörung des vom Landesconsistorium zu<lb/> haltenden unmittelbaren Vortrages bestimmen könne. Allein im vorliegenden<lb/> Falle müsse auch die königliche Berechtigung zur Entscheidung bestritten<lb/> werden; es habe nach den in fraglicher Beziehung noch nicht aufgehobenen<lb/> Bestimmungen des hannoverschen Landesverfassungsgesetzes über die canoni¬<lb/> schen Eigenschaften der anzustellenden Prediger ausschließlich die kirchliche<lb/> Behörde zu entscheiden. Die Zugehörigkeit zum Bekenntniß der Kirche sei<lb/> nun die wichtigste canonische Eigenschaft jedes Predigers, diese sei vom<lb/> Landesconsistorium dem Pastor Topf aberkannt und könne diese Entscheidung<lb/> von der Staatsgewalt, selbst von deren höchstem Inhaber nicht abgeändert<lb/> werden, und werde behandelst im voraus gegen ein etwa beabsichtigtes der¬<lb/> artiges Verfahren als gegen einen Rechts- und Verfassungsbruch protestirt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1286" next="#ID_1287"> Daß die ganze Deduction eine fehlerhafte, liegt auf der Hand; denn für<lb/> die hannoversche Landesverfassung bildet eben das selbständige Königreich<lb/> Hannover das nothwendige Substrat, mit dessen Wegfall selbstredend auch<lb/> die Verfassung in allen ihren Theilen fiel. Die Krone Preußen konnte un¬<lb/> möglich auf wesentliche Theile der Regierungsgewalt zu Gunsten der Kirche<lb/> einer einzelnen Provinz verzichten, nur weil die frühere Regierung in die-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0428]
Abendmahl verweigert, ja in einzelnen Fällen sogar die Begleitung der Leiche
durch den Geistlichen.
Der principielle Gegensatz gegen die Union aber trat am schärfsten in
dem Verhalten des Landesconsistoriums selbst hervor und zwar bei Gelegenheit
einer Predigerwahl in Goslar. Hier hatte der Magistrat den altpreußischen
Pastor Topf zu Schmiedeberg zum Prediger erwählt. Derselbe gehört der
lutherischen Kirche an und erklärte sich ausdrücklich bereit, die sür die lutheri¬
schen Prediger der Provinz Hannover vorgeschriebene Verpflichtungsformel
zu vollziehen. Trotzdem verweigerte das Landesconsistorium Topf's Be¬
stätigung, weil er bislang im Dienste der unirten Kirche gestanden und damit
bewiesen habe, daß er der lutherischen Kirche nicht angehöre. Daß er sich
Lutheraner nenne und bereit sei, sich als lutherischer Prediger verpflichten zu
lassen, komme der Thatsache gegenüber, daß er der Union factisch diene, nicht
weiter in Frage. — Der Magistrat in Goslar wandte sich wider diese von
der starrsten Intoleranz dictirte Entscheidung beschwerend an das Cultus¬
ministerium in Berlin und erlangte hier eine abändernde Verfügung.
Allein nun begann das Landesconsistorium den offenen Kampf gegen
die Staategewalt. Es erklärte dasselbe nämlich ganz entschieden, nach der
ihm verliehenen Stellung habe der Minister in inneren Kirchenangelegen-
heiten überall nicht das Recht, seine Entscheidungen abzuändern; der Minister
sei höchstens berechtigt, etwaige Differenzpunkte dem Könige zur Entschei¬
dung vorzulegen, der dann nach Anhörung des vom Landesconsistorium zu
haltenden unmittelbaren Vortrages bestimmen könne. Allein im vorliegenden
Falle müsse auch die königliche Berechtigung zur Entscheidung bestritten
werden; es habe nach den in fraglicher Beziehung noch nicht aufgehobenen
Bestimmungen des hannoverschen Landesverfassungsgesetzes über die canoni¬
schen Eigenschaften der anzustellenden Prediger ausschließlich die kirchliche
Behörde zu entscheiden. Die Zugehörigkeit zum Bekenntniß der Kirche sei
nun die wichtigste canonische Eigenschaft jedes Predigers, diese sei vom
Landesconsistorium dem Pastor Topf aberkannt und könne diese Entscheidung
von der Staatsgewalt, selbst von deren höchstem Inhaber nicht abgeändert
werden, und werde behandelst im voraus gegen ein etwa beabsichtigtes der¬
artiges Verfahren als gegen einen Rechts- und Verfassungsbruch protestirt.
Daß die ganze Deduction eine fehlerhafte, liegt auf der Hand; denn für
die hannoversche Landesverfassung bildet eben das selbständige Königreich
Hannover das nothwendige Substrat, mit dessen Wegfall selbstredend auch
die Verfassung in allen ihren Theilen fiel. Die Krone Preußen konnte un¬
möglich auf wesentliche Theile der Regierungsgewalt zu Gunsten der Kirche
einer einzelnen Provinz verzichten, nur weil die frühere Regierung in die-
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