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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Wien zahlreiche ähnliche Vereine gebildet, unter denen der von Dr. Eyrich
geleitete "Akademische Gesangverein", im Jahr 1858 gegründet, der bedeu¬
tendste ist. Auch er hält jährlich Concerte, Liedertafeln, Sängerfahrten ab
und besorgt durchs ganze Jahr die Chormusik beim akademischen Gottes,
dienst. In seinem zweiten Concert führte dieser Verein die Ballade "Schön
Ellen" von Max Bruch auf, die sich durch gewandte, effectvolle Behand¬
lung der Singstimmen auszeichnet. Die zum erstenmal aufgeführte Cantate
"Rinaldo", Text von Goethe, konnte nicht ansprechen. Der Componist
(Brahms dirigirte selbst) ergeht sich darin in grübelnder Breite, der auch
das einzelne Bessere zum Opfer fiel.

Die Freunde der Kammermusik waren stark in Anspruch genommen.
Da waren zunächst die gewohnten acht Quartett-Soire'en von Hellmes-
berger (außer der Primgeige neu besetzt); das allbekannte Florentiner-
Quartett und Ferdinand Laub, der geniale Künstler, der sich an der Wiener
Luft für seine russischen Campagnen schadlos hält. Beethoven bildete den
Hauptpfeiler in Hellmesberger's Quartetten. Unter den neu aufgeführten
Werken sprachen die Clavier-Trios von Raff, Nusinatscha und W. Speidel
und ein Clavier-Quintett von Reinecke mäßig an; ein Streich-Octett von
H. Grädener ^un. gefiel durch den frischen Zug, der das Ganze durchweht.
Am Clavier wurden neben den einheimischen Künstlern (Epstein, Dachs.
Scheuner ze.) auch die Gäste C. Reinecke, W. Speidel. Sofie Merker freund¬
lich begrüßt. -- Laub's drei Quartett-Soire'en erfreuten sich großer Theil¬
nahme. Unter den aufgeführten Werken gefielen besonders drei Quartette
von Mozart. Haydn und Mendelssohn, Schubert's Clavier-Trio Ls-aur
(am Clavier Epstein) und Schumann's Duo D-nwII (am Clavier Brüll).
Auf Verlangen gab Laub noch ein letztes und allerletztes Abschiedsconcert, in
denen er Molique's ^-moll-Concert, "die Liebesfee", Charakterstück für
Violine mit Orchesterbegleitung von Raff, zur Aufführung brachte und von
der virtuosen Seite besonders mit der Othello-Fantasie von Ernst glänzte. --
Die sechs stark besuchten Florentiner Quartette boten eine gediegene
Auswahl der hervorragendsten Kammermusik. Die wohl nur aus besonderer
Rücksicht aufgenommenen Quartette von V. Lachner und S. Rosenhain woll¬
ten in diesen Rahmen nicht recht passen. Als Zugabe wurde für die Flo¬
rentiner ein Abschiedsconcert im großen Nedoutensaal veranstaltet, dessen Er-
trägniß dem Unterstützungsfond des Journalisten- und Schriftsteller-Vereins
"Concordia" zugewendet wurde. Der Besuch war so massenhaft, daß für den
Fond ein glänzender Zuschuß erzielt wurde. Beethoven's ^.-moll-Concert
op. 132 bildete den Höhepunkt der Leistungen dieser trefflichen Künstler. Die
durch eben dieselben der Vergessenheit entrissene Serenade von Haydn be¬
schloß den Abend. Anspruchslos zur geselligen Unterhaltung niedergeschrie"


Wien zahlreiche ähnliche Vereine gebildet, unter denen der von Dr. Eyrich
geleitete „Akademische Gesangverein", im Jahr 1858 gegründet, der bedeu¬
tendste ist. Auch er hält jährlich Concerte, Liedertafeln, Sängerfahrten ab
und besorgt durchs ganze Jahr die Chormusik beim akademischen Gottes,
dienst. In seinem zweiten Concert führte dieser Verein die Ballade „Schön
Ellen" von Max Bruch auf, die sich durch gewandte, effectvolle Behand¬
lung der Singstimmen auszeichnet. Die zum erstenmal aufgeführte Cantate
„Rinaldo", Text von Goethe, konnte nicht ansprechen. Der Componist
(Brahms dirigirte selbst) ergeht sich darin in grübelnder Breite, der auch
das einzelne Bessere zum Opfer fiel.

Die Freunde der Kammermusik waren stark in Anspruch genommen.
Da waren zunächst die gewohnten acht Quartett-Soire'en von Hellmes-
berger (außer der Primgeige neu besetzt); das allbekannte Florentiner-
Quartett und Ferdinand Laub, der geniale Künstler, der sich an der Wiener
Luft für seine russischen Campagnen schadlos hält. Beethoven bildete den
Hauptpfeiler in Hellmesberger's Quartetten. Unter den neu aufgeführten
Werken sprachen die Clavier-Trios von Raff, Nusinatscha und W. Speidel
und ein Clavier-Quintett von Reinecke mäßig an; ein Streich-Octett von
H. Grädener ^un. gefiel durch den frischen Zug, der das Ganze durchweht.
Am Clavier wurden neben den einheimischen Künstlern (Epstein, Dachs.
Scheuner ze.) auch die Gäste C. Reinecke, W. Speidel. Sofie Merker freund¬
lich begrüßt. — Laub's drei Quartett-Soire'en erfreuten sich großer Theil¬
nahme. Unter den aufgeführten Werken gefielen besonders drei Quartette
von Mozart. Haydn und Mendelssohn, Schubert's Clavier-Trio Ls-aur
(am Clavier Epstein) und Schumann's Duo D-nwII (am Clavier Brüll).
Auf Verlangen gab Laub noch ein letztes und allerletztes Abschiedsconcert, in
denen er Molique's ^-moll-Concert, „die Liebesfee", Charakterstück für
Violine mit Orchesterbegleitung von Raff, zur Aufführung brachte und von
der virtuosen Seite besonders mit der Othello-Fantasie von Ernst glänzte. —
Die sechs stark besuchten Florentiner Quartette boten eine gediegene
Auswahl der hervorragendsten Kammermusik. Die wohl nur aus besonderer
Rücksicht aufgenommenen Quartette von V. Lachner und S. Rosenhain woll¬
ten in diesen Rahmen nicht recht passen. Als Zugabe wurde für die Flo¬
rentiner ein Abschiedsconcert im großen Nedoutensaal veranstaltet, dessen Er-
trägniß dem Unterstützungsfond des Journalisten- und Schriftsteller-Vereins
„Concordia" zugewendet wurde. Der Besuch war so massenhaft, daß für den
Fond ein glänzender Zuschuß erzielt wurde. Beethoven's ^.-moll-Concert
op. 132 bildete den Höhepunkt der Leistungen dieser trefflichen Künstler. Die
durch eben dieselben der Vergessenheit entrissene Serenade von Haydn be¬
schloß den Abend. Anspruchslos zur geselligen Unterhaltung niedergeschrie«


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[0365] Wien zahlreiche ähnliche Vereine gebildet, unter denen der von Dr. Eyrich geleitete „Akademische Gesangverein", im Jahr 1858 gegründet, der bedeu¬ tendste ist. Auch er hält jährlich Concerte, Liedertafeln, Sängerfahrten ab und besorgt durchs ganze Jahr die Chormusik beim akademischen Gottes, dienst. In seinem zweiten Concert führte dieser Verein die Ballade „Schön Ellen" von Max Bruch auf, die sich durch gewandte, effectvolle Behand¬ lung der Singstimmen auszeichnet. Die zum erstenmal aufgeführte Cantate „Rinaldo", Text von Goethe, konnte nicht ansprechen. Der Componist (Brahms dirigirte selbst) ergeht sich darin in grübelnder Breite, der auch das einzelne Bessere zum Opfer fiel. Die Freunde der Kammermusik waren stark in Anspruch genommen. Da waren zunächst die gewohnten acht Quartett-Soire'en von Hellmes- berger (außer der Primgeige neu besetzt); das allbekannte Florentiner- Quartett und Ferdinand Laub, der geniale Künstler, der sich an der Wiener Luft für seine russischen Campagnen schadlos hält. Beethoven bildete den Hauptpfeiler in Hellmesberger's Quartetten. Unter den neu aufgeführten Werken sprachen die Clavier-Trios von Raff, Nusinatscha und W. Speidel und ein Clavier-Quintett von Reinecke mäßig an; ein Streich-Octett von H. Grädener ^un. gefiel durch den frischen Zug, der das Ganze durchweht. Am Clavier wurden neben den einheimischen Künstlern (Epstein, Dachs. Scheuner ze.) auch die Gäste C. Reinecke, W. Speidel. Sofie Merker freund¬ lich begrüßt. — Laub's drei Quartett-Soire'en erfreuten sich großer Theil¬ nahme. Unter den aufgeführten Werken gefielen besonders drei Quartette von Mozart. Haydn und Mendelssohn, Schubert's Clavier-Trio Ls-aur (am Clavier Epstein) und Schumann's Duo D-nwII (am Clavier Brüll). Auf Verlangen gab Laub noch ein letztes und allerletztes Abschiedsconcert, in denen er Molique's ^-moll-Concert, „die Liebesfee", Charakterstück für Violine mit Orchesterbegleitung von Raff, zur Aufführung brachte und von der virtuosen Seite besonders mit der Othello-Fantasie von Ernst glänzte. — Die sechs stark besuchten Florentiner Quartette boten eine gediegene Auswahl der hervorragendsten Kammermusik. Die wohl nur aus besonderer Rücksicht aufgenommenen Quartette von V. Lachner und S. Rosenhain woll¬ ten in diesen Rahmen nicht recht passen. Als Zugabe wurde für die Flo¬ rentiner ein Abschiedsconcert im großen Nedoutensaal veranstaltet, dessen Er- trägniß dem Unterstützungsfond des Journalisten- und Schriftsteller-Vereins „Concordia" zugewendet wurde. Der Besuch war so massenhaft, daß für den Fond ein glänzender Zuschuß erzielt wurde. Beethoven's ^.-moll-Concert op. 132 bildete den Höhepunkt der Leistungen dieser trefflichen Künstler. Die durch eben dieselben der Vergessenheit entrissene Serenade von Haydn be¬ schloß den Abend. Anspruchslos zur geselligen Unterhaltung niedergeschrie«

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/365>, abgerufen am 04.07.2024.