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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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lich in der Höhe geschmeidige Stimme sich besonders für die große Spieloper
eignet. Es ist um so mehr zu bedauern, daß sich derselbe so vorschnell an
aufreibende Partien, wie Vasco und Raoul wagte, denen er sich bis jetzt
noch nicht gewachsen zeigte. Das Gastspiel des Tenoristen Sontheim
schloß am 16. August mir dem Eleazar, seiner Glanzrolle, ab. Nicht
weniger epochemachend war das Auftreten des Tenoristen Niemann.
sang an neunzehn Abenden, machte Furore als Tannhäuser, gefiel
als Josef und Achilles (Iphigenie) und theilweise als Prophet, fand
als Lohengrin nur wenig Anklang, mißfiel aber gänzlich als Faust
Seine dramatische Gestaltung, sein durchgeistigtes Spiel fesselte die Menge,
die seine Leistung als Ganzes zu würdigen verstand und die es zum Theil
bei so großen Vorzügen willig in Kauf hinnahm, daß seinem wenig modu¬
lationsfähigen Organ der Schmelz, die Wärme, der sinnliche Reiz fehlte.
Trotz Transponiren reichte seine Stimme häufig kaum aus; im Distoniren
Namentlich hatte der Künstler manch unglücklichen Abend. Es ist bezeichnend,
daß er immer wieder zum Tannhäuser zurückgriff, mit dem er sich im 3. Act
auf der Höhe seiner Leistungen zeigte. -- Einen anständigen Erfolg hatte
noch das Gastspiel der Damen Giovannina Stella, Helene Hausen, Bassist
^übsam; die übrigen bleiben besser ungenannt. -- Das Gesangspersonal
ist im Augenblick folgendes -- Sängerinnen: Fräul. Bertha Ehnn (als
Scuta, Gretchen, Mignon vorzugsweise beschäftigt), v. Rubatinsky (mit
Glück das Fach der Murska ausfüllend), Frau Wild (in der Gesangstechnik
Allen voran), Friedrich.Malern" (siehe oben), Dustmann, Tellheim,
Siegstädt und Gindele. Sänger: Walter (fast nur auf die Opern
Faust, Mignon, Romeo angewiesen), der.strebsame Tenor Adams, Müller
(siehe oben), der beliebte Baritonist v. Bignio, Beck (als Figaro, Tell,
Fueg. Holländer gefeiert), Meyerhofer der vielbeschäftigte, die stimmbegab-
ten Bässe Robitansky und Schmid und der Veteran Draxler.

Die Aufführungen seit 1. Juli 1868 bis 13. Mai 1869 vertheilen sich
auf 4 Italiener mit 11 Opern und 67 Abende; 8 Franzosen mit 12 Opern
und 109 Abende; 8 Deutsche mit 13 Opern und 57 Abende.

Es haben demnach den Italienern gegenüber die doppelte Anzahl Deutsche
gleiche Anzahl Abende (87); und Franzosen und Deutsche gleiche Anzahl,
^er für Erstere fast doppelt so viele Abende (109). Die einzelnen Kom¬
ponisten waren mit nachfolgender Anzahl Vorstellungen vertreten: Meyer-
beer 45. Gounot 29, Verdi 24. Donizetti 19, Thomas 16, Wagner 14,
Rossini und Mozart je 12, Flotow 8, Ander 7, Weber und Beethoven je 6,
Käßmayer 5. Nicolai und Adam je 4, Halevy und Mehul je 3, Grisard,
Bellini und Gluck je 2. -- Zum erstenmal aufgeführt wurden "Mignon"
von Thomas und "das Landhaus" von Käßmayer. Orchestermitglied des


lich in der Höhe geschmeidige Stimme sich besonders für die große Spieloper
eignet. Es ist um so mehr zu bedauern, daß sich derselbe so vorschnell an
aufreibende Partien, wie Vasco und Raoul wagte, denen er sich bis jetzt
noch nicht gewachsen zeigte. Das Gastspiel des Tenoristen Sontheim
schloß am 16. August mir dem Eleazar, seiner Glanzrolle, ab. Nicht
weniger epochemachend war das Auftreten des Tenoristen Niemann.
sang an neunzehn Abenden, machte Furore als Tannhäuser, gefiel
als Josef und Achilles (Iphigenie) und theilweise als Prophet, fand
als Lohengrin nur wenig Anklang, mißfiel aber gänzlich als Faust
Seine dramatische Gestaltung, sein durchgeistigtes Spiel fesselte die Menge,
die seine Leistung als Ganzes zu würdigen verstand und die es zum Theil
bei so großen Vorzügen willig in Kauf hinnahm, daß seinem wenig modu¬
lationsfähigen Organ der Schmelz, die Wärme, der sinnliche Reiz fehlte.
Trotz Transponiren reichte seine Stimme häufig kaum aus; im Distoniren
Namentlich hatte der Künstler manch unglücklichen Abend. Es ist bezeichnend,
daß er immer wieder zum Tannhäuser zurückgriff, mit dem er sich im 3. Act
auf der Höhe seiner Leistungen zeigte. — Einen anständigen Erfolg hatte
noch das Gastspiel der Damen Giovannina Stella, Helene Hausen, Bassist
^übsam; die übrigen bleiben besser ungenannt. — Das Gesangspersonal
ist im Augenblick folgendes — Sängerinnen: Fräul. Bertha Ehnn (als
Scuta, Gretchen, Mignon vorzugsweise beschäftigt), v. Rubatinsky (mit
Glück das Fach der Murska ausfüllend), Frau Wild (in der Gesangstechnik
Allen voran), Friedrich.Malern« (siehe oben), Dustmann, Tellheim,
Siegstädt und Gindele. Sänger: Walter (fast nur auf die Opern
Faust, Mignon, Romeo angewiesen), der.strebsame Tenor Adams, Müller
(siehe oben), der beliebte Baritonist v. Bignio, Beck (als Figaro, Tell,
Fueg. Holländer gefeiert), Meyerhofer der vielbeschäftigte, die stimmbegab-
ten Bässe Robitansky und Schmid und der Veteran Draxler.

Die Aufführungen seit 1. Juli 1868 bis 13. Mai 1869 vertheilen sich
auf 4 Italiener mit 11 Opern und 67 Abende; 8 Franzosen mit 12 Opern
und 109 Abende; 8 Deutsche mit 13 Opern und 57 Abende.

Es haben demnach den Italienern gegenüber die doppelte Anzahl Deutsche
gleiche Anzahl Abende (87); und Franzosen und Deutsche gleiche Anzahl,
^er für Erstere fast doppelt so viele Abende (109). Die einzelnen Kom¬
ponisten waren mit nachfolgender Anzahl Vorstellungen vertreten: Meyer-
beer 45. Gounot 29, Verdi 24. Donizetti 19, Thomas 16, Wagner 14,
Rossini und Mozart je 12, Flotow 8, Ander 7, Weber und Beethoven je 6,
Käßmayer 5. Nicolai und Adam je 4, Halevy und Mehul je 3, Grisard,
Bellini und Gluck je 2. — Zum erstenmal aufgeführt wurden „Mignon"
von Thomas und „das Landhaus" von Käßmayer. Orchestermitglied des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/359>, abgerufen am 24.07.2024.