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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Avancements auch für weniger bemittelte, aber befähigte junge Leute aus
der Handelsmarine ist von competenten Autoritäten mit größter Freude be¬
grüßt werden, weil sie der Kriegsmarine praktisch sehr geschulte Officiere
zuführt. Der Andrang zur Seeossiciers-Carriere ist sehr groß, und es läßt
sich nicht leugnen, daß dieselbe bis jetzt wesentliche Vortheile bietet. Das
Avancement ist gerade in der Gründungsperiode einer Organisation am
schnellsten, weil fortwährend neue Stellen geschaffen werden müssen; der
junge Mann lernt fremde Länder und Städte kennen, und der Beruf ist
der einzige, welcher den Reiz bat, stets die Manneskraft mit starken Geg¬
nern, mit den gewaltigen Naturmächten in den Kampf zu führen, Kraft
und Willen zu stählen, Seele und Gemüth den verweichlichenden Einflüssen
der Cultur immer wieder zu entwinden. Darin ist dieser Beruf auch dem
militairischen überlegen, der doch nur in Kriegszeiten einen Feind und Ge¬
legenheit zu Heldenthaten bietet.

Den Nachtheil, daß Jeder sich dahin schicken lassen muß, wohin die Vor-
gesetzten bestimmen, auch auf unangenehme Posten, haben Beide gemein.
Auch die Schattenseite, daß der Seeofficier an Bord oft Jahre lang von
seiner Familie getrennt ist. verliert dadurch das Unerträgliche, daß die See¬
offiziere grundsätzlich immer abwechselnd am Bord und am Lande beschäftigt
werden, d. h. auf Werften, in Commandos der Flottenstammdivifion, im
Ministerium u. s. w. Wie man bei der Landarmee den heilsamen Grund¬
satz befolgt, die theoretische Beschäftigung der Officiere -- im Generalstab,
am Cadettencorps u. s. w. -- mit der praktischen -- Führung von Com¬
pagnien und Bataillonen -- alle paar Jahre wechseln zu lassen, was die
Persönlichkeit bildet und doch stets frisch und in Verbindung mit den realen
Aufgaben des Lebens erhält, so ist auch der Seeofficier bald Commandant
eines in Dienst gestellten Schiffes, bald Werftdirector. Decernent für Aus¬
rüstung oder dergleichen im Marineministerium :c. Dadurch wird auch den
Nachtheilen des "grünen Tisches" vorgebeugt, da die Anordnungen von Offi-
cieren ausgehen, die sie vielleicht nachher selbst zu befolgen haben, und beim
Dienst an Bord bleibt stets ein Interesse für das Ganze.

Ein Uebertritt von Landofficieren in das Seeosficiercorps wurde nur
im Anfang, als die disciplinirenden Officiere sehr fehlten. erstrebt; auch mel¬
deten sich nur wenig Officiere dazu. Die Befähigten sind sehr vorzügliche
Seeofficiere geworden, haben aber große Charakterstärke nöthig gehabt, um,
an Bord englischer Panzerschiffe zur Erlernung des Dienstes abcommandirt,
und dort völlig wie die unreifen Midshipmen als Lernende behandelt und
durchaus nicht geschont, diese äußeren wie die schlimmeren moralischen
Schwierigkeiten zu überwinden.

Die Bildung des Seeossiciers muß gegenwärtig vielseitig sein und die


Avancements auch für weniger bemittelte, aber befähigte junge Leute aus
der Handelsmarine ist von competenten Autoritäten mit größter Freude be¬
grüßt werden, weil sie der Kriegsmarine praktisch sehr geschulte Officiere
zuführt. Der Andrang zur Seeossiciers-Carriere ist sehr groß, und es läßt
sich nicht leugnen, daß dieselbe bis jetzt wesentliche Vortheile bietet. Das
Avancement ist gerade in der Gründungsperiode einer Organisation am
schnellsten, weil fortwährend neue Stellen geschaffen werden müssen; der
junge Mann lernt fremde Länder und Städte kennen, und der Beruf ist
der einzige, welcher den Reiz bat, stets die Manneskraft mit starken Geg¬
nern, mit den gewaltigen Naturmächten in den Kampf zu führen, Kraft
und Willen zu stählen, Seele und Gemüth den verweichlichenden Einflüssen
der Cultur immer wieder zu entwinden. Darin ist dieser Beruf auch dem
militairischen überlegen, der doch nur in Kriegszeiten einen Feind und Ge¬
legenheit zu Heldenthaten bietet.

Den Nachtheil, daß Jeder sich dahin schicken lassen muß, wohin die Vor-
gesetzten bestimmen, auch auf unangenehme Posten, haben Beide gemein.
Auch die Schattenseite, daß der Seeofficier an Bord oft Jahre lang von
seiner Familie getrennt ist. verliert dadurch das Unerträgliche, daß die See¬
offiziere grundsätzlich immer abwechselnd am Bord und am Lande beschäftigt
werden, d. h. auf Werften, in Commandos der Flottenstammdivifion, im
Ministerium u. s. w. Wie man bei der Landarmee den heilsamen Grund¬
satz befolgt, die theoretische Beschäftigung der Officiere — im Generalstab,
am Cadettencorps u. s. w. — mit der praktischen — Führung von Com¬
pagnien und Bataillonen — alle paar Jahre wechseln zu lassen, was die
Persönlichkeit bildet und doch stets frisch und in Verbindung mit den realen
Aufgaben des Lebens erhält, so ist auch der Seeofficier bald Commandant
eines in Dienst gestellten Schiffes, bald Werftdirector. Decernent für Aus¬
rüstung oder dergleichen im Marineministerium :c. Dadurch wird auch den
Nachtheilen des „grünen Tisches" vorgebeugt, da die Anordnungen von Offi-
cieren ausgehen, die sie vielleicht nachher selbst zu befolgen haben, und beim
Dienst an Bord bleibt stets ein Interesse für das Ganze.

Ein Uebertritt von Landofficieren in das Seeosficiercorps wurde nur
im Anfang, als die disciplinirenden Officiere sehr fehlten. erstrebt; auch mel¬
deten sich nur wenig Officiere dazu. Die Befähigten sind sehr vorzügliche
Seeofficiere geworden, haben aber große Charakterstärke nöthig gehabt, um,
an Bord englischer Panzerschiffe zur Erlernung des Dienstes abcommandirt,
und dort völlig wie die unreifen Midshipmen als Lernende behandelt und
durchaus nicht geschont, diese äußeren wie die schlimmeren moralischen
Schwierigkeiten zu überwinden.

Die Bildung des Seeossiciers muß gegenwärtig vielseitig sein und die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/350>, abgerufen am 24.07.2024.