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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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lente der Handelsmarine, die einjährigen Freiwilligen, welche Seeleute von
Beruf sind, und endlich junge Männer, welche das Steuermannsexamen
abgelegt haben. Außer diesen Unterlieutenants der Seewehr, deren Vorbil¬
dung für den Kriegsdienst schon in Friedenszeiten durchaus nothwendig ist,
die auch zu Lieutenants und Cavitainlieutenants der Seewehr aufrücken können,
und denen außerdem nach einem besonderen Examen vor Erreichung des
24sten Lebensjahres der Uebertritt in das active Seeofficiercorvs freisteht,
stehen der Flotte zur Completirung des Officiercorps noch die aus früheren
Ernennungen vorhandenen Auxiliarofficiere oder Hülfsunterlieutenants
der Seewehr zu Gebote. So hatte man namentlich im Frühjahr 1864
einige hundert Schiffer, Kauffahrteicapitaine und Steuerleute der Handels¬
marine eingezogen, welche in Danzig ani dem Wachtschiff "Barbarossa" einen
zweimonatlichen praktischen und theoretischen Cursus durchmachten, und nach
ihren Fähigkeiten theils als Unterlieutenants, theils als Steuerleute (Deck-
officiere) der Seewehr in die Flotte eingereiht wurden. Zuletzt hatten noch,
wie 1865 der Contreadmiral Jachmann in der dahin einschlagenden Debatte
betonte. 18 junge Leute das Examen als Auxiliarofficiere bestanden und das
Seeofficiercorvs war so auf einmal durch 18 Steuerleute der Handelsmarine
vermehrt worden.

Da keine Flotte im Stande ist, ein so großes Seeofficiercorvs zu
erhalten, wie für den Kriegsetat nöthig ist, so hat man ähnliche Maßregeln
in allen Staaten getroffen, namentlich England zählt in seiner neugeschaffenen
RoM Nirvsl kLservs von etwa 16 -- 20,000 Mann eine gute Anzahl solcher
Officiere aus der Handelsmarine, die sich gegen ein bestimmtes Aequivalent
zur Ableistung einer Dienstübung am Bord eines Kriegsschiffs und zur Stel¬
lung im Fall eines Krieges verpflichtet haben. Besonders sinnreich, aber mit
der socialen Stellung unseres Oificiercorps wohl nicht gut zu vereinigen ist
die Art, wie sich Dänemark geholfen hat. Der Etat der wirklichen Flotten-
officiere ist dort größer, als die Zahl, welche im Frieden verwandt und unter¬
halten werden kann, man bezahlt deshalb einem Theil der Officiere nicht die
volle Gage, sondern läßt sie die Dampfer von Passagierlinien führen, von
deren Directionen ihnen dann Zuschüsse gezahlt werden, so daß im Ganzen
die Officiere sich noch besser stehen als sonst. Zugleich bleiben sie in fort¬
währender Uebung und Seegewöhnung, und wenn sie im Fall eines Krieges
eingezogen werden, schadet dies den Dampferlinien wenig, weil diese im Kriege
ihren Betrieb ja doch einstellen müssen und ihre Dampfer noch dazu oft von
der Regierung gemiethet werden. Auch die englische Flotte hat in ähnlicher
Weise das Halbsold-System (Kaltxa?), das allerdings manche Verlegenheiten
bringt und dem wohl ein mäßig normirtes Gehalt für alle Officiere und
eine beträchtliche Activitätszulage für die Officiere an Bord oder in Ver-


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lente der Handelsmarine, die einjährigen Freiwilligen, welche Seeleute von
Beruf sind, und endlich junge Männer, welche das Steuermannsexamen
abgelegt haben. Außer diesen Unterlieutenants der Seewehr, deren Vorbil¬
dung für den Kriegsdienst schon in Friedenszeiten durchaus nothwendig ist,
die auch zu Lieutenants und Cavitainlieutenants der Seewehr aufrücken können,
und denen außerdem nach einem besonderen Examen vor Erreichung des
24sten Lebensjahres der Uebertritt in das active Seeofficiercorvs freisteht,
stehen der Flotte zur Completirung des Officiercorps noch die aus früheren
Ernennungen vorhandenen Auxiliarofficiere oder Hülfsunterlieutenants
der Seewehr zu Gebote. So hatte man namentlich im Frühjahr 1864
einige hundert Schiffer, Kauffahrteicapitaine und Steuerleute der Handels¬
marine eingezogen, welche in Danzig ani dem Wachtschiff „Barbarossa" einen
zweimonatlichen praktischen und theoretischen Cursus durchmachten, und nach
ihren Fähigkeiten theils als Unterlieutenants, theils als Steuerleute (Deck-
officiere) der Seewehr in die Flotte eingereiht wurden. Zuletzt hatten noch,
wie 1865 der Contreadmiral Jachmann in der dahin einschlagenden Debatte
betonte. 18 junge Leute das Examen als Auxiliarofficiere bestanden und das
Seeofficiercorvs war so auf einmal durch 18 Steuerleute der Handelsmarine
vermehrt worden.

Da keine Flotte im Stande ist, ein so großes Seeofficiercorvs zu
erhalten, wie für den Kriegsetat nöthig ist, so hat man ähnliche Maßregeln
in allen Staaten getroffen, namentlich England zählt in seiner neugeschaffenen
RoM Nirvsl kLservs von etwa 16 — 20,000 Mann eine gute Anzahl solcher
Officiere aus der Handelsmarine, die sich gegen ein bestimmtes Aequivalent
zur Ableistung einer Dienstübung am Bord eines Kriegsschiffs und zur Stel¬
lung im Fall eines Krieges verpflichtet haben. Besonders sinnreich, aber mit
der socialen Stellung unseres Oificiercorps wohl nicht gut zu vereinigen ist
die Art, wie sich Dänemark geholfen hat. Der Etat der wirklichen Flotten-
officiere ist dort größer, als die Zahl, welche im Frieden verwandt und unter¬
halten werden kann, man bezahlt deshalb einem Theil der Officiere nicht die
volle Gage, sondern läßt sie die Dampfer von Passagierlinien führen, von
deren Directionen ihnen dann Zuschüsse gezahlt werden, so daß im Ganzen
die Officiere sich noch besser stehen als sonst. Zugleich bleiben sie in fort¬
währender Uebung und Seegewöhnung, und wenn sie im Fall eines Krieges
eingezogen werden, schadet dies den Dampferlinien wenig, weil diese im Kriege
ihren Betrieb ja doch einstellen müssen und ihre Dampfer noch dazu oft von
der Regierung gemiethet werden. Auch die englische Flotte hat in ähnlicher
Weise das Halbsold-System (Kaltxa?), das allerdings manche Verlegenheiten
bringt und dem wohl ein mäßig normirtes Gehalt für alle Officiere und
eine beträchtliche Activitätszulage für die Officiere an Bord oder in Ver-


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[0347] lente der Handelsmarine, die einjährigen Freiwilligen, welche Seeleute von Beruf sind, und endlich junge Männer, welche das Steuermannsexamen abgelegt haben. Außer diesen Unterlieutenants der Seewehr, deren Vorbil¬ dung für den Kriegsdienst schon in Friedenszeiten durchaus nothwendig ist, die auch zu Lieutenants und Cavitainlieutenants der Seewehr aufrücken können, und denen außerdem nach einem besonderen Examen vor Erreichung des 24sten Lebensjahres der Uebertritt in das active Seeofficiercorvs freisteht, stehen der Flotte zur Completirung des Officiercorps noch die aus früheren Ernennungen vorhandenen Auxiliarofficiere oder Hülfsunterlieutenants der Seewehr zu Gebote. So hatte man namentlich im Frühjahr 1864 einige hundert Schiffer, Kauffahrteicapitaine und Steuerleute der Handels¬ marine eingezogen, welche in Danzig ani dem Wachtschiff „Barbarossa" einen zweimonatlichen praktischen und theoretischen Cursus durchmachten, und nach ihren Fähigkeiten theils als Unterlieutenants, theils als Steuerleute (Deck- officiere) der Seewehr in die Flotte eingereiht wurden. Zuletzt hatten noch, wie 1865 der Contreadmiral Jachmann in der dahin einschlagenden Debatte betonte. 18 junge Leute das Examen als Auxiliarofficiere bestanden und das Seeofficiercorvs war so auf einmal durch 18 Steuerleute der Handelsmarine vermehrt worden. Da keine Flotte im Stande ist, ein so großes Seeofficiercorvs zu erhalten, wie für den Kriegsetat nöthig ist, so hat man ähnliche Maßregeln in allen Staaten getroffen, namentlich England zählt in seiner neugeschaffenen RoM Nirvsl kLservs von etwa 16 — 20,000 Mann eine gute Anzahl solcher Officiere aus der Handelsmarine, die sich gegen ein bestimmtes Aequivalent zur Ableistung einer Dienstübung am Bord eines Kriegsschiffs und zur Stel¬ lung im Fall eines Krieges verpflichtet haben. Besonders sinnreich, aber mit der socialen Stellung unseres Oificiercorps wohl nicht gut zu vereinigen ist die Art, wie sich Dänemark geholfen hat. Der Etat der wirklichen Flotten- officiere ist dort größer, als die Zahl, welche im Frieden verwandt und unter¬ halten werden kann, man bezahlt deshalb einem Theil der Officiere nicht die volle Gage, sondern läßt sie die Dampfer von Passagierlinien führen, von deren Directionen ihnen dann Zuschüsse gezahlt werden, so daß im Ganzen die Officiere sich noch besser stehen als sonst. Zugleich bleiben sie in fort¬ währender Uebung und Seegewöhnung, und wenn sie im Fall eines Krieges eingezogen werden, schadet dies den Dampferlinien wenig, weil diese im Kriege ihren Betrieb ja doch einstellen müssen und ihre Dampfer noch dazu oft von der Regierung gemiethet werden. Auch die englische Flotte hat in ähnlicher Weise das Halbsold-System (Kaltxa?), das allerdings manche Verlegenheiten bringt und dem wohl ein mäßig normirtes Gehalt für alle Officiere und eine beträchtliche Activitätszulage für die Officiere an Bord oder in Ver- 43*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/347>, abgerufen am 04.07.2024.