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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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drücklichen Bestimmung, über die Alabamaansprüche zu entscheiden, verlangte
jetzt plötzlich, daß demselben auch die Frage unterbreitet werde, ob England
berechtigt gewesen, die Südstaaten als kriegführende Macht anzuerkennen, ob¬
wohl dies von fast allen Regierungen geschehen war. den gefeierten Freund
der Union, den Kaiser von Rußland nicht ausgenommen. Lord Stanley
blieb nur übrig, eine solche Forderung bestimmt abzuweisen, weil eine der¬
artige Entscheidung die Sache jedes souverainen Staates sei und der Norden
diese Anerkennung selbst implicite dadurch ausgesprochen, daß er die Aner¬
kennung seiner Blocade gegen die Südhäfen verlangte. Mr. Adams aber,
der amerikanische Gesandte aus London, welcher die Sache der Union unter
den schwierigsten Umständen mit Geschick und Energie vertreten, fand sich
durch diese 'plötzliche Schwenkung seines Chefs in eine so unbequeme Stel¬
lung versetzt, daß er seine Entlassung einreichte. Einen Augenblick schien es,
als ob man in Washington fühlte, daß man zu weit gegangen; der Nach¬
folger von Adams, Reverdy Johnson, traf im Sommer 1868 mit versöhn¬
lichen Jnstructionen ein, verkündigte in zahlreichen Tischreden Friede und
Freundschaft und beim Lordmayors - Bankett konnte Lord Stanley den Ab¬
schluß einer Convention mit Amerika auf befriedigenden Grundlagen ver¬
künden. Auf Seward's Wunsch ward dieselbe noch zwischen Johnson und
dem inzwischen als Ministet eingetretenen Lord Clarendon in einigen Punkten
abgeändert und ging dann nach Washington zurück, um dem Senat zur
Ratification vorgelegt zu werden.

Dazu aber kam es nicht sofort, denn inzwischen hatte die Präsidenten¬
wahl stattgefunden und vor dem Amtsantritt eines gewählten Präsidenten
werden vom Congreß keine wichtigen Fragen entschieden. Kaum aber hatte
Grant das weiße Haus bezogen, als der Senat die auf den von der ameri¬
kanischen Regierung selbst vorgeschlagenen Bedingungen abgeschlossene Con¬
vention verwarf und Mr. Summer als osficiöser Vertreter der Regierung in
einer Heftigen-Rede Ansprüche von wirklich fabelhafter Art erhob. Als Er¬
klärung läßt sich nur die Alternative finden, daß entweder die Sprache der
Regierungspartei merkwürdig zusammenhangslos und unverständlich ist, oder
daß Grant es auf einen Bruch mit England abgesehen hat.

Ersteres passirt nun gerade in Amerika oft, man nimmt den Mund
zuerst sehr voll und zieht hernach die Hörner ein, so war es früher beim
Trentfall, so neuerlich bei Cuba. Das Repräsentantenhaus hat eine Reso¬
lution zu Gunsten der Anerkennung der Unabhängigkeit jener Colonie be¬
schlossen, aber die Regierung wagt doch nicht darauf hin selbst mit dem
schwachen Spanien zu brechen. Wahrscheinlich ist der Glaube in den Ver¬
einigten Staaten sehr verbreitet, daß man England ungestraft reizen oder
beleidigen könne. Die schwächliche Politik Russell's hat dieser Ansicht starken


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drücklichen Bestimmung, über die Alabamaansprüche zu entscheiden, verlangte
jetzt plötzlich, daß demselben auch die Frage unterbreitet werde, ob England
berechtigt gewesen, die Südstaaten als kriegführende Macht anzuerkennen, ob¬
wohl dies von fast allen Regierungen geschehen war. den gefeierten Freund
der Union, den Kaiser von Rußland nicht ausgenommen. Lord Stanley
blieb nur übrig, eine solche Forderung bestimmt abzuweisen, weil eine der¬
artige Entscheidung die Sache jedes souverainen Staates sei und der Norden
diese Anerkennung selbst implicite dadurch ausgesprochen, daß er die Aner¬
kennung seiner Blocade gegen die Südhäfen verlangte. Mr. Adams aber,
der amerikanische Gesandte aus London, welcher die Sache der Union unter
den schwierigsten Umständen mit Geschick und Energie vertreten, fand sich
durch diese 'plötzliche Schwenkung seines Chefs in eine so unbequeme Stel¬
lung versetzt, daß er seine Entlassung einreichte. Einen Augenblick schien es,
als ob man in Washington fühlte, daß man zu weit gegangen; der Nach¬
folger von Adams, Reverdy Johnson, traf im Sommer 1868 mit versöhn¬
lichen Jnstructionen ein, verkündigte in zahlreichen Tischreden Friede und
Freundschaft und beim Lordmayors - Bankett konnte Lord Stanley den Ab¬
schluß einer Convention mit Amerika auf befriedigenden Grundlagen ver¬
künden. Auf Seward's Wunsch ward dieselbe noch zwischen Johnson und
dem inzwischen als Ministet eingetretenen Lord Clarendon in einigen Punkten
abgeändert und ging dann nach Washington zurück, um dem Senat zur
Ratification vorgelegt zu werden.

Dazu aber kam es nicht sofort, denn inzwischen hatte die Präsidenten¬
wahl stattgefunden und vor dem Amtsantritt eines gewählten Präsidenten
werden vom Congreß keine wichtigen Fragen entschieden. Kaum aber hatte
Grant das weiße Haus bezogen, als der Senat die auf den von der ameri¬
kanischen Regierung selbst vorgeschlagenen Bedingungen abgeschlossene Con¬
vention verwarf und Mr. Summer als osficiöser Vertreter der Regierung in
einer Heftigen-Rede Ansprüche von wirklich fabelhafter Art erhob. Als Er¬
klärung läßt sich nur die Alternative finden, daß entweder die Sprache der
Regierungspartei merkwürdig zusammenhangslos und unverständlich ist, oder
daß Grant es auf einen Bruch mit England abgesehen hat.

Ersteres passirt nun gerade in Amerika oft, man nimmt den Mund
zuerst sehr voll und zieht hernach die Hörner ein, so war es früher beim
Trentfall, so neuerlich bei Cuba. Das Repräsentantenhaus hat eine Reso¬
lution zu Gunsten der Anerkennung der Unabhängigkeit jener Colonie be¬
schlossen, aber die Regierung wagt doch nicht darauf hin selbst mit dem
schwachen Spanien zu brechen. Wahrscheinlich ist der Glaube in den Ver¬
einigten Staaten sehr verbreitet, daß man England ungestraft reizen oder
beleidigen könne. Die schwächliche Politik Russell's hat dieser Ansicht starken


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/331>, abgerufen am 24.07.2024.