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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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steigert, als jetzt. Die regelmäßigen sind um 40 Procent erhöht, außer¬
ordentliche Steuern aller Art neu aufgelegt worden*). Außer Geflügel,
Hunden und Katzen -- beide letzteren sind hier herrenlos -- ist jedes Haus¬
und Nutzthier. Esel, Pferd, Kameel. Büffel, Rind, Ziege hoch besteuert.
Dies Alles sechs Monate nach dem Abschluß der neuen Anleihe, welche
der Regierung 8,000,000 Pfd. sert. (53 Mill. Thaler) verschafft hat. Von
dieser enormen Summe ist aber schon jetzt nur wenig übrig, und bei den unge¬
heueren Zinsen und Amortisationskosten, und den Ausgaben sür das Militair
in Kurzem nichts. Unaufhörlich macht der Vicekönig die größten Ausgaben.
Ein zahlreiches Heer wird seit den griechisch-türkischen Streitigkeiten unter den
Waffen gehalten; die Marine wird verstärkt und neu bewaffnet, während doch
niemand begreift, was beide. Heer und Flotte, diesem Lande nützen sollen,
wenn man nicht etwa auf gelegentliche Annexionen einiger Inseln rechnet.
Bälle und Gesellschaften, bei welchen die Geladenen nach Tausenden zählen,
drängen sich. Straßen werden in Cairo durchgebrochen, Häuser niedergerissen
g, ig, Hiiussinanri; von den Summen, die unter der Hand nach Konstantinopel
und anderswohin, oder in die Taschen von Schwindlern fließen, ganz zu
schweigen.

Bei diesen Ausgaben ist aber doch einige Berechnung, Es gilt die
Europäer des Wohlwollens Seiner Hoheit zu versichern; zu zeigen, daß Aegyp-
ten civilisirt sei. Dies drückte das Regierungsblatt All" recht elegant
aus bei Gelegenheit eines Tanzfestes, das der Vicekönig mit außer¬
ordentlichem Glänze am 18. Januar in seinem neuerbauten Palaste gab, und
wozu mindestens 2000 Personen, meist Europäer, geladen waren:, "pez 1s
xuisZaues civiliLU-krich, ami 6ma,us Zu, Louvöriurr as l'^Z^pes, et alone 1ö
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tiuites MÄnifiZstativus. An den Händen die Glacehandschuhe, hinten im Frack
die Peitsche.

Ein Hauptgrund für diese Beweise unzweifelhafter Civilisation und
Bonhommie ist, die europäischen Mächte dem Justizreform-Project geneigter
zu machen. Denn diese Forderung ist hier eine Machtfrage.

Denn wäre es der Regierung, welche vor Europa sich so besorgt um die
Rechtssicherheit ihrer Unterthanen stellt, damit wirtlich Ernst, so müßte sie an¬
fangen, den Augiasstall ihrer einheimischen Gerichts- und Negierungszustände zu
fegen. Unter den Europäern Aegyptens giebt es keinen einzigen, unter den Ein-



") Bis zu welcher Armseligkeit diese Aussaugung geht, mag ein Beispiel zeigen. Zur
F>ier des Jahrestags der Thronbesteigung Ismael-Pascha's, am 18, Januar, wurde verkündigt,
daß Getreide an die Bedürftigen crusgerlicilt werden würde, welche sich zu diesem Zwecke gegen
eine Gebühr von zwei Piaster" einschreiben ließen. Die Leute liefen, ließen sich einschreiben
und zahlten die zwei Piaster -- auf ihr Getreide warten die Armen aber immer noch.

steigert, als jetzt. Die regelmäßigen sind um 40 Procent erhöht, außer¬
ordentliche Steuern aller Art neu aufgelegt worden*). Außer Geflügel,
Hunden und Katzen — beide letzteren sind hier herrenlos — ist jedes Haus¬
und Nutzthier. Esel, Pferd, Kameel. Büffel, Rind, Ziege hoch besteuert.
Dies Alles sechs Monate nach dem Abschluß der neuen Anleihe, welche
der Regierung 8,000,000 Pfd. sert. (53 Mill. Thaler) verschafft hat. Von
dieser enormen Summe ist aber schon jetzt nur wenig übrig, und bei den unge¬
heueren Zinsen und Amortisationskosten, und den Ausgaben sür das Militair
in Kurzem nichts. Unaufhörlich macht der Vicekönig die größten Ausgaben.
Ein zahlreiches Heer wird seit den griechisch-türkischen Streitigkeiten unter den
Waffen gehalten; die Marine wird verstärkt und neu bewaffnet, während doch
niemand begreift, was beide. Heer und Flotte, diesem Lande nützen sollen,
wenn man nicht etwa auf gelegentliche Annexionen einiger Inseln rechnet.
Bälle und Gesellschaften, bei welchen die Geladenen nach Tausenden zählen,
drängen sich. Straßen werden in Cairo durchgebrochen, Häuser niedergerissen
g, ig, Hiiussinanri; von den Summen, die unter der Hand nach Konstantinopel
und anderswohin, oder in die Taschen von Schwindlern fließen, ganz zu
schweigen.

Bei diesen Ausgaben ist aber doch einige Berechnung, Es gilt die
Europäer des Wohlwollens Seiner Hoheit zu versichern; zu zeigen, daß Aegyp-
ten civilisirt sei. Dies drückte das Regierungsblatt All" recht elegant
aus bei Gelegenheit eines Tanzfestes, das der Vicekönig mit außer¬
ordentlichem Glänze am 18. Januar in seinem neuerbauten Palaste gab, und
wozu mindestens 2000 Personen, meist Europäer, geladen waren:, „pez 1s
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die Peitsche.

Ein Hauptgrund für diese Beweise unzweifelhafter Civilisation und
Bonhommie ist, die europäischen Mächte dem Justizreform-Project geneigter
zu machen. Denn diese Forderung ist hier eine Machtfrage.

Denn wäre es der Regierung, welche vor Europa sich so besorgt um die
Rechtssicherheit ihrer Unterthanen stellt, damit wirtlich Ernst, so müßte sie an¬
fangen, den Augiasstall ihrer einheimischen Gerichts- und Negierungszustände zu
fegen. Unter den Europäern Aegyptens giebt es keinen einzigen, unter den Ein-



") Bis zu welcher Armseligkeit diese Aussaugung geht, mag ein Beispiel zeigen. Zur
F>ier des Jahrestags der Thronbesteigung Ismael-Pascha's, am 18, Januar, wurde verkündigt,
daß Getreide an die Bedürftigen crusgerlicilt werden würde, welche sich zu diesem Zwecke gegen
eine Gebühr von zwei Piaster» einschreiben ließen. Die Leute liefen, ließen sich einschreiben
und zahlten die zwei Piaster — auf ihr Getreide warten die Armen aber immer noch.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/300>, abgerufen am 04.07.2024.