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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Sollte Oberst v. Cohausen etwa in die Lage kommen, für das archäologische
Kunstinteresse einen Bundesgenossen zu suchen, so würde er denselben ganz
in der Nähe in Dr. Benndorf, Universitätslehrer zu Göttingen, finden. dem
wir in der "Kölnischen Zeitung" den ersten guten Bericht über den Hildes-
heimer Fund verdanken und der selbst in Italien und Griechenland erfolg¬
reiche Ausgrabungen geleitet hat.

Die Hoffnung. daß etwas wesentliches Neues gefunden wird, ist allerdings
gering, wohl aber ist möglich, ja wahrscheinlich, daß noch einzelne Trümmer¬
stücke zu Tage kommen, welche gestatten, gefundene Fragmente zu einer Form
zusammenzusetzen. In jedem Falle werden wir das Mögliche gethan haben,
um durch locale Untersuchung den Bestand des Schatzes sicher zu stellen.

Bei dieser Gelegenheit möge die Bemerkung Raum finden, daß der Ort,
an welchem der Schatz gefunden wurde, der Galgenberg bei Hildesheim, nicht
ganz zufällig war. Wenn der heidnische Germane einen Schatz in die Erde
grub, so suchte er nicht nur einen Platz, der ihm möglichste Sicherheit gegen
Nachforschungen Anderer gab, sondern auch eine Stelle, in welcher er seinen
Schatz von dem Neid und der schädlichen Einwirkung feindlicher Gewalten,
welche ihn verrücken oder einen bösen Zauber darein legen konnten, fernhielt.
Er deponirte ihn also wahrscheinlich an solchen Lagen, welche unter dem beson¬
deren Schirme guter Mächte, seiner Götter oder der geisterhaften Wesen
seines Stammes und Geschlechtes, standen, bei Heiligthümern und Cultus¬
stätten oder Gräbern, sämmtlich Stätten, denen die Lebenden mit Ehrfurcht
nahten. Das neue Christenthum errichtete häufig seine Heiligthümer auf dem¬
selben Grunde, wo die teuflischen Schlupfwinkel der Heidengötter zerstört waren.
Es benutzte, so lange es schwach war, die alte Ehrfurcht, welche an dem Raume
hing, für sich selbst, und ebenso suchte frommer Eifer der Neubekehrten die
Stätte, wo heidnische Dämonen hausten, zu weihen und zu beruhigen. War
aber nicht in der Zeit des beginnenden Christenthums eine solche Stätte
neu geweiht worden, so wurde sie bald unheimlich und verrufen. Dies galt
zumeist von den Begräbnißplätzen des Heidenthums, die den Christen als
Aufenthalt verdammter Geister verhaßt waren. Wenn man deshalb im
christlichen Mittelalter eine Stelle suchte, um Verbrecher zu bestatten, die
nicht in geweihter Erde liegen durften, so wählte man selbstverständlich der¬
gleichen übel beleumdete Stellen der Flur und errichtete Galgen und Rad
über den Grabhügeln der heidnischen Geschlechter. Es ist deshalb einiger
Grund, anzunehmen, daß die Richtstätten alter Ortschaften, welche schon zur
Heidenzeit besiedelt waren, gerade an Hügeln eingerichtet worden sind, welche
den Christen besonders verdächtig erschienen, weil sie den Heiden eine sacrale
Bedeutung gehabt hatten, und solche Stätten gewähren deshalb für das
Finden von heidnischen Grabalterthümern besondere Aussicht. Die Züricher


Sollte Oberst v. Cohausen etwa in die Lage kommen, für das archäologische
Kunstinteresse einen Bundesgenossen zu suchen, so würde er denselben ganz
in der Nähe in Dr. Benndorf, Universitätslehrer zu Göttingen, finden. dem
wir in der „Kölnischen Zeitung" den ersten guten Bericht über den Hildes-
heimer Fund verdanken und der selbst in Italien und Griechenland erfolg¬
reiche Ausgrabungen geleitet hat.

Die Hoffnung. daß etwas wesentliches Neues gefunden wird, ist allerdings
gering, wohl aber ist möglich, ja wahrscheinlich, daß noch einzelne Trümmer¬
stücke zu Tage kommen, welche gestatten, gefundene Fragmente zu einer Form
zusammenzusetzen. In jedem Falle werden wir das Mögliche gethan haben,
um durch locale Untersuchung den Bestand des Schatzes sicher zu stellen.

Bei dieser Gelegenheit möge die Bemerkung Raum finden, daß der Ort,
an welchem der Schatz gefunden wurde, der Galgenberg bei Hildesheim, nicht
ganz zufällig war. Wenn der heidnische Germane einen Schatz in die Erde
grub, so suchte er nicht nur einen Platz, der ihm möglichste Sicherheit gegen
Nachforschungen Anderer gab, sondern auch eine Stelle, in welcher er seinen
Schatz von dem Neid und der schädlichen Einwirkung feindlicher Gewalten,
welche ihn verrücken oder einen bösen Zauber darein legen konnten, fernhielt.
Er deponirte ihn also wahrscheinlich an solchen Lagen, welche unter dem beson¬
deren Schirme guter Mächte, seiner Götter oder der geisterhaften Wesen
seines Stammes und Geschlechtes, standen, bei Heiligthümern und Cultus¬
stätten oder Gräbern, sämmtlich Stätten, denen die Lebenden mit Ehrfurcht
nahten. Das neue Christenthum errichtete häufig seine Heiligthümer auf dem¬
selben Grunde, wo die teuflischen Schlupfwinkel der Heidengötter zerstört waren.
Es benutzte, so lange es schwach war, die alte Ehrfurcht, welche an dem Raume
hing, für sich selbst, und ebenso suchte frommer Eifer der Neubekehrten die
Stätte, wo heidnische Dämonen hausten, zu weihen und zu beruhigen. War
aber nicht in der Zeit des beginnenden Christenthums eine solche Stätte
neu geweiht worden, so wurde sie bald unheimlich und verrufen. Dies galt
zumeist von den Begräbnißplätzen des Heidenthums, die den Christen als
Aufenthalt verdammter Geister verhaßt waren. Wenn man deshalb im
christlichen Mittelalter eine Stelle suchte, um Verbrecher zu bestatten, die
nicht in geweihter Erde liegen durften, so wählte man selbstverständlich der¬
gleichen übel beleumdete Stellen der Flur und errichtete Galgen und Rad
über den Grabhügeln der heidnischen Geschlechter. Es ist deshalb einiger
Grund, anzunehmen, daß die Richtstätten alter Ortschaften, welche schon zur
Heidenzeit besiedelt waren, gerade an Hügeln eingerichtet worden sind, welche
den Christen besonders verdächtig erschienen, weil sie den Heiden eine sacrale
Bedeutung gehabt hatten, und solche Stätten gewähren deshalb für das
Finden von heidnischen Grabalterthümern besondere Aussicht. Die Züricher


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[0286] Sollte Oberst v. Cohausen etwa in die Lage kommen, für das archäologische Kunstinteresse einen Bundesgenossen zu suchen, so würde er denselben ganz in der Nähe in Dr. Benndorf, Universitätslehrer zu Göttingen, finden. dem wir in der „Kölnischen Zeitung" den ersten guten Bericht über den Hildes- heimer Fund verdanken und der selbst in Italien und Griechenland erfolg¬ reiche Ausgrabungen geleitet hat. Die Hoffnung. daß etwas wesentliches Neues gefunden wird, ist allerdings gering, wohl aber ist möglich, ja wahrscheinlich, daß noch einzelne Trümmer¬ stücke zu Tage kommen, welche gestatten, gefundene Fragmente zu einer Form zusammenzusetzen. In jedem Falle werden wir das Mögliche gethan haben, um durch locale Untersuchung den Bestand des Schatzes sicher zu stellen. Bei dieser Gelegenheit möge die Bemerkung Raum finden, daß der Ort, an welchem der Schatz gefunden wurde, der Galgenberg bei Hildesheim, nicht ganz zufällig war. Wenn der heidnische Germane einen Schatz in die Erde grub, so suchte er nicht nur einen Platz, der ihm möglichste Sicherheit gegen Nachforschungen Anderer gab, sondern auch eine Stelle, in welcher er seinen Schatz von dem Neid und der schädlichen Einwirkung feindlicher Gewalten, welche ihn verrücken oder einen bösen Zauber darein legen konnten, fernhielt. Er deponirte ihn also wahrscheinlich an solchen Lagen, welche unter dem beson¬ deren Schirme guter Mächte, seiner Götter oder der geisterhaften Wesen seines Stammes und Geschlechtes, standen, bei Heiligthümern und Cultus¬ stätten oder Gräbern, sämmtlich Stätten, denen die Lebenden mit Ehrfurcht nahten. Das neue Christenthum errichtete häufig seine Heiligthümer auf dem¬ selben Grunde, wo die teuflischen Schlupfwinkel der Heidengötter zerstört waren. Es benutzte, so lange es schwach war, die alte Ehrfurcht, welche an dem Raume hing, für sich selbst, und ebenso suchte frommer Eifer der Neubekehrten die Stätte, wo heidnische Dämonen hausten, zu weihen und zu beruhigen. War aber nicht in der Zeit des beginnenden Christenthums eine solche Stätte neu geweiht worden, so wurde sie bald unheimlich und verrufen. Dies galt zumeist von den Begräbnißplätzen des Heidenthums, die den Christen als Aufenthalt verdammter Geister verhaßt waren. Wenn man deshalb im christlichen Mittelalter eine Stelle suchte, um Verbrecher zu bestatten, die nicht in geweihter Erde liegen durften, so wählte man selbstverständlich der¬ gleichen übel beleumdete Stellen der Flur und errichtete Galgen und Rad über den Grabhügeln der heidnischen Geschlechter. Es ist deshalb einiger Grund, anzunehmen, daß die Richtstätten alter Ortschaften, welche schon zur Heidenzeit besiedelt waren, gerade an Hügeln eingerichtet worden sind, welche den Christen besonders verdächtig erschienen, weil sie den Heiden eine sacrale Bedeutung gehabt hatten, und solche Stätten gewähren deshalb für das Finden von heidnischen Grabalterthümern besondere Aussicht. Die Züricher

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/286>, abgerufen am 04.07.2024.