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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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die Hoffnung auf Wiederkehr eines großen Cometen. Denn der Kaiser hat vor
Jedem, der auf dem Thron geboren ist, einen Vortheil voraus, denselben
Vortheil, welcher einst die eherne Kraft Cromwell's in ähnlichen Gefahren
sicherte: er weiß seinen eigenen Herrensitz mit dem kritischen Blick eines alten
Verschwörers zu betrachten. Selten war ein Fürst so frei von Illusionen,
und so lange in ihm etwas von dem Urtheil und der Willenskraft dauert,
welche mehr als einmal die Bewunderung Europa's erzwungen haben, vermag
er im Nothfall Principien und Personen zu opfern und -- in französischem
Sinne -- ein größerer Fortschrittsmann zu sein als alle Franzosen. Für
das freilich, was der Kaiser uns gegenüber thun wird, wenn feindselige
Wahlen ihn zu einer Ableitung nach außen drängen, vermag niemand ein¬
zustehen. Aber wir wissen, daß seine Gegner in Frankreich so wenig kriegs¬
lustig sind, als er selbst.

So bedrohen die Wolken im Westen wenigstens nicht gefährlich unseren Ho¬
rizont. Die großen Staaten im Süden und Osten aber, Italien, Oestreich, Ru߬
land haben eher Grund nach den Wolken zu schauen, welche von uns her
ihnen aufsteigen können, als uns zu überziehen. Es ist nicht unsere Schuld,
daß Oestreich noch immer nicht die Ruhe und Klugheit gewonnen hat, dem
Nordbund ein sicherer und zuverlässiger Bundesgenosse zu werden. Denn in
der That haben wir jetzt dieselben Gegner, und eine größere Gemeinsamkeit
der höchsten Staatsinteressen, als je seit jenem Tage des Wiener Congresses,
wo ein Wiener Tapezier aus freiem Platz den Monarchen und Diplomaten die
Capelle zusammenleimte, in welcher sie vor dem Allerheiligsten für ihre brü¬
derliche Eintracht Gebete darzubringen hatten.

Unterdeß denken wir. alle Wünsche für die Zukunft im geprüften Herzen
bewahrend, unter Festgeläut und Blüthen dankbar an großes Gut, das uns
H geworden ist, und an Kampf und Erfolge der nächsten Wochen.




Noch einmal der Hildesheimer Fund.

Die Geister der Erde und die Kobolde, welche in altem Gemäuer Hausen,
sind während der letzten Monate in freundlicher Gebelaune gewesen und haben
uns Deutschen manchen schönen Schatz, den sie lange in sicherer Hut hielten,
an das Tageslicht gefördert. Dem Hildesheimer Fund folgte der Fund
bronzener römischer Alterthümer: Krater, Kessel, Eimer und kleines Geräth,
welche zu Häven bei Brück in Mecklenburg an alter Grabstätte gefunden
wurden, dann die Kiste in einem alten Hause zu Regensburg, welche in
wundervoller Erhaltung silbernes und vergoldetes Tafelgeräth und kleine


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die Hoffnung auf Wiederkehr eines großen Cometen. Denn der Kaiser hat vor
Jedem, der auf dem Thron geboren ist, einen Vortheil voraus, denselben
Vortheil, welcher einst die eherne Kraft Cromwell's in ähnlichen Gefahren
sicherte: er weiß seinen eigenen Herrensitz mit dem kritischen Blick eines alten
Verschwörers zu betrachten. Selten war ein Fürst so frei von Illusionen,
und so lange in ihm etwas von dem Urtheil und der Willenskraft dauert,
welche mehr als einmal die Bewunderung Europa's erzwungen haben, vermag
er im Nothfall Principien und Personen zu opfern und — in französischem
Sinne — ein größerer Fortschrittsmann zu sein als alle Franzosen. Für
das freilich, was der Kaiser uns gegenüber thun wird, wenn feindselige
Wahlen ihn zu einer Ableitung nach außen drängen, vermag niemand ein¬
zustehen. Aber wir wissen, daß seine Gegner in Frankreich so wenig kriegs¬
lustig sind, als er selbst.

So bedrohen die Wolken im Westen wenigstens nicht gefährlich unseren Ho¬
rizont. Die großen Staaten im Süden und Osten aber, Italien, Oestreich, Ru߬
land haben eher Grund nach den Wolken zu schauen, welche von uns her
ihnen aufsteigen können, als uns zu überziehen. Es ist nicht unsere Schuld,
daß Oestreich noch immer nicht die Ruhe und Klugheit gewonnen hat, dem
Nordbund ein sicherer und zuverlässiger Bundesgenosse zu werden. Denn in
der That haben wir jetzt dieselben Gegner, und eine größere Gemeinsamkeit
der höchsten Staatsinteressen, als je seit jenem Tage des Wiener Congresses,
wo ein Wiener Tapezier aus freiem Platz den Monarchen und Diplomaten die
Capelle zusammenleimte, in welcher sie vor dem Allerheiligsten für ihre brü¬
derliche Eintracht Gebete darzubringen hatten.

Unterdeß denken wir. alle Wünsche für die Zukunft im geprüften Herzen
bewahrend, unter Festgeläut und Blüthen dankbar an großes Gut, das uns
H geworden ist, und an Kampf und Erfolge der nächsten Wochen.




Noch einmal der Hildesheimer Fund.

Die Geister der Erde und die Kobolde, welche in altem Gemäuer Hausen,
sind während der letzten Monate in freundlicher Gebelaune gewesen und haben
uns Deutschen manchen schönen Schatz, den sie lange in sicherer Hut hielten,
an das Tageslicht gefördert. Dem Hildesheimer Fund folgte der Fund
bronzener römischer Alterthümer: Krater, Kessel, Eimer und kleines Geräth,
welche zu Häven bei Brück in Mecklenburg an alter Grabstätte gefunden
wurden, dann die Kiste in einem alten Hause zu Regensburg, welche in
wundervoller Erhaltung silbernes und vergoldetes Tafelgeräth und kleine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/283>, abgerufen am 04.07.2024.