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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Kampfes machen. Dank der nahezu zwanzigjährigen Dauer dieses Streites
hat man sich hier in den Kriegszustand so eingelebt, daß eine plötzliche fried>
liebe Beilegung auf beiden Seiten, wie das Aufhören einer liebgewordenen,
wenn auch beschwerlichen Thätigkeit das Gefühl einer empfindlichen Lücke
und Leere hervorrufen würde. Eine der zahlreichen Episoden des langen
Streites, die auch außerhalb Badens Aufmerksamkeit erregte, hat so eben
ihren Abschluß gefunden, indem die gegen Bisthumsverweser Kübel wegen
Amtsmißbrauchs erhobene Anklage, nachdem sie das Kreisgericht Freiburg
bereits zur mündlichen Verhandlung verwiesen hatte, durch das Oberhof¬
gericht in Mannheim als unbegründet verworfen wurde. Bekanntlich hatte
Bürgermeister Stromeyer in Constanz durch seine mit Erfolg gekrönten Be¬
mühungen, die Verwaltung der reichen Spitalstiftung der Gemeindebehörde
wieder zu verschaffen und eine gemischte Schule für beide christliche Confessio-
nen einzuführen, den Unwillen des Ordinariats in Freiburg in so hohem
Maße erregt, daß er nach vergeblichen Mahnungen, denen er jedes Gehör
versagte, durch Verhängung der Excommunication von den kirchlichen Ge¬
meinschaftsrechten ausgeschlossen wurde, "bis er in sich gehen und seine kirch¬
lichen Pflichten erfüllen werde." Eine solche Anwendung der kirchlichen Straf¬
gewalt scheint das Ministerium Lamey, als im Jahre 1860 nach glücklicher
Beseitigung des Concordates der Grundsatz der Selbständigkeit der katho¬
lischen Kirche gegenüber dem Staat gesetzlich festgestellt wurde, für besonders
staatsgefährlich erachtet zu haben und in den damals gegen jeden Mißbrauch
des geistlichen Amtes erlassenen Strafgesetzen wurde der Versuch durch An¬
drohung oder Vollzug kirchlicher Strafen eine obrigkeitliche Person zu Amts¬
handlungen zu nöthigen oder von solchen abzuhalten, mit strenger Strafe be¬
droht. Man mag vielleicht in Zweifel ziehen, ob ein derartiges Geltend¬
machen der kirchlichen Disciplin mit Recht als Widersetzlichkeit und Aufleh¬
nung gegen die Staatsregierung strafrechtlich zu ahnden sei, und ob es nicht
genügend und wirksamer wäre, wenn der Bekanntmachung einer gegen öffent¬
liche Diener mit Bezug auf ihren Dienst verhängten Kirchenstrafe mit be¬
trächtlichen polizeilichen Geldbußen begegnet würde, jedenfalls war nach dem
Vorgehen des Ordinariats, welches eine offene Verletzung jenes Strafgesetzes
zu enthalten schien, für die Staatsregierung unerläßlich, die Entscheidung
über die Strafbarkeit den Gerichten zu unterbreiten. Die Märtyrerkrone ist
nun freilich Herrn Kübel durch eigenes Verschulden entgangen, denn er be¬
theuerte, er habe nicht den Bürgermeister wegen dessen amtlicher Thätigkett,
vielmehr nur den Katholiken Stromeyer wegen Mißachtung der oberhirt-
licher Ermahnungen zur Verantwortung ziehen wollen, und das nur zur
Prüfung der Rechtsfrage berufene Oberhofgericht hat dann in der von vielen
Seiten als unzulässig bezeichneten Herbeiziehung der Beweisfrage das Mittel


Grenzboten II. 18K9. 33

Kampfes machen. Dank der nahezu zwanzigjährigen Dauer dieses Streites
hat man sich hier in den Kriegszustand so eingelebt, daß eine plötzliche fried>
liebe Beilegung auf beiden Seiten, wie das Aufhören einer liebgewordenen,
wenn auch beschwerlichen Thätigkeit das Gefühl einer empfindlichen Lücke
und Leere hervorrufen würde. Eine der zahlreichen Episoden des langen
Streites, die auch außerhalb Badens Aufmerksamkeit erregte, hat so eben
ihren Abschluß gefunden, indem die gegen Bisthumsverweser Kübel wegen
Amtsmißbrauchs erhobene Anklage, nachdem sie das Kreisgericht Freiburg
bereits zur mündlichen Verhandlung verwiesen hatte, durch das Oberhof¬
gericht in Mannheim als unbegründet verworfen wurde. Bekanntlich hatte
Bürgermeister Stromeyer in Constanz durch seine mit Erfolg gekrönten Be¬
mühungen, die Verwaltung der reichen Spitalstiftung der Gemeindebehörde
wieder zu verschaffen und eine gemischte Schule für beide christliche Confessio-
nen einzuführen, den Unwillen des Ordinariats in Freiburg in so hohem
Maße erregt, daß er nach vergeblichen Mahnungen, denen er jedes Gehör
versagte, durch Verhängung der Excommunication von den kirchlichen Ge¬
meinschaftsrechten ausgeschlossen wurde, „bis er in sich gehen und seine kirch¬
lichen Pflichten erfüllen werde." Eine solche Anwendung der kirchlichen Straf¬
gewalt scheint das Ministerium Lamey, als im Jahre 1860 nach glücklicher
Beseitigung des Concordates der Grundsatz der Selbständigkeit der katho¬
lischen Kirche gegenüber dem Staat gesetzlich festgestellt wurde, für besonders
staatsgefährlich erachtet zu haben und in den damals gegen jeden Mißbrauch
des geistlichen Amtes erlassenen Strafgesetzen wurde der Versuch durch An¬
drohung oder Vollzug kirchlicher Strafen eine obrigkeitliche Person zu Amts¬
handlungen zu nöthigen oder von solchen abzuhalten, mit strenger Strafe be¬
droht. Man mag vielleicht in Zweifel ziehen, ob ein derartiges Geltend¬
machen der kirchlichen Disciplin mit Recht als Widersetzlichkeit und Aufleh¬
nung gegen die Staatsregierung strafrechtlich zu ahnden sei, und ob es nicht
genügend und wirksamer wäre, wenn der Bekanntmachung einer gegen öffent¬
liche Diener mit Bezug auf ihren Dienst verhängten Kirchenstrafe mit be¬
trächtlichen polizeilichen Geldbußen begegnet würde, jedenfalls war nach dem
Vorgehen des Ordinariats, welches eine offene Verletzung jenes Strafgesetzes
zu enthalten schien, für die Staatsregierung unerläßlich, die Entscheidung
über die Strafbarkeit den Gerichten zu unterbreiten. Die Märtyrerkrone ist
nun freilich Herrn Kübel durch eigenes Verschulden entgangen, denn er be¬
theuerte, er habe nicht den Bürgermeister wegen dessen amtlicher Thätigkett,
vielmehr nur den Katholiken Stromeyer wegen Mißachtung der oberhirt-
licher Ermahnungen zur Verantwortung ziehen wollen, und das nur zur
Prüfung der Rechtsfrage berufene Oberhofgericht hat dann in der von vielen
Seiten als unzulässig bezeichneten Herbeiziehung der Beweisfrage das Mittel


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[0265] Kampfes machen. Dank der nahezu zwanzigjährigen Dauer dieses Streites hat man sich hier in den Kriegszustand so eingelebt, daß eine plötzliche fried> liebe Beilegung auf beiden Seiten, wie das Aufhören einer liebgewordenen, wenn auch beschwerlichen Thätigkeit das Gefühl einer empfindlichen Lücke und Leere hervorrufen würde. Eine der zahlreichen Episoden des langen Streites, die auch außerhalb Badens Aufmerksamkeit erregte, hat so eben ihren Abschluß gefunden, indem die gegen Bisthumsverweser Kübel wegen Amtsmißbrauchs erhobene Anklage, nachdem sie das Kreisgericht Freiburg bereits zur mündlichen Verhandlung verwiesen hatte, durch das Oberhof¬ gericht in Mannheim als unbegründet verworfen wurde. Bekanntlich hatte Bürgermeister Stromeyer in Constanz durch seine mit Erfolg gekrönten Be¬ mühungen, die Verwaltung der reichen Spitalstiftung der Gemeindebehörde wieder zu verschaffen und eine gemischte Schule für beide christliche Confessio- nen einzuführen, den Unwillen des Ordinariats in Freiburg in so hohem Maße erregt, daß er nach vergeblichen Mahnungen, denen er jedes Gehör versagte, durch Verhängung der Excommunication von den kirchlichen Ge¬ meinschaftsrechten ausgeschlossen wurde, „bis er in sich gehen und seine kirch¬ lichen Pflichten erfüllen werde." Eine solche Anwendung der kirchlichen Straf¬ gewalt scheint das Ministerium Lamey, als im Jahre 1860 nach glücklicher Beseitigung des Concordates der Grundsatz der Selbständigkeit der katho¬ lischen Kirche gegenüber dem Staat gesetzlich festgestellt wurde, für besonders staatsgefährlich erachtet zu haben und in den damals gegen jeden Mißbrauch des geistlichen Amtes erlassenen Strafgesetzen wurde der Versuch durch An¬ drohung oder Vollzug kirchlicher Strafen eine obrigkeitliche Person zu Amts¬ handlungen zu nöthigen oder von solchen abzuhalten, mit strenger Strafe be¬ droht. Man mag vielleicht in Zweifel ziehen, ob ein derartiges Geltend¬ machen der kirchlichen Disciplin mit Recht als Widersetzlichkeit und Aufleh¬ nung gegen die Staatsregierung strafrechtlich zu ahnden sei, und ob es nicht genügend und wirksamer wäre, wenn der Bekanntmachung einer gegen öffent¬ liche Diener mit Bezug auf ihren Dienst verhängten Kirchenstrafe mit be¬ trächtlichen polizeilichen Geldbußen begegnet würde, jedenfalls war nach dem Vorgehen des Ordinariats, welches eine offene Verletzung jenes Strafgesetzes zu enthalten schien, für die Staatsregierung unerläßlich, die Entscheidung über die Strafbarkeit den Gerichten zu unterbreiten. Die Märtyrerkrone ist nun freilich Herrn Kübel durch eigenes Verschulden entgangen, denn er be¬ theuerte, er habe nicht den Bürgermeister wegen dessen amtlicher Thätigkett, vielmehr nur den Katholiken Stromeyer wegen Mißachtung der oberhirt- licher Ermahnungen zur Verantwortung ziehen wollen, und das nur zur Prüfung der Rechtsfrage berufene Oberhofgericht hat dann in der von vielen Seiten als unzulässig bezeichneten Herbeiziehung der Beweisfrage das Mittel Grenzboten II. 18K9. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/265>, abgerufen am 04.07.2024.