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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Weise" bereitet werde. S. 162. Die Geschichte mit dem Bierglas bliebe
wohl besser weg. S. 163. Wen in aller Welt interessirt es, daß Herr Hesekiel
im Jahre 1830 einen gelben Ueberrock getragen hat? Diese Geschichte von
den drei Ueberröcken ist einfach albern. S. 166. Das mitgetheilte Jagd¬
abenteuer in dieser Weise erzählt, ist unwürdig. -- So ließen sich noch viele
Beispiele geben von der Art und Weise, wie man das Leben eines Staats-
Mannes nicht erzählen soll.

Doch ein solcher Anekdotenkram ist doch am Ende nur geschmacklos.
Weit bedenklicher erscheint uns der Parteistandpunkt des Verfassers, der es
unternimmt, das Leben des Grafen Bismarck dem deutschen Volke zu er¬
zählen. Das ist nun reine Kreuzzeitung und Herrenhaus.

Wir sind nicht der Meinung, ein Biograph Bismarck's solle Das, was
wir in seiner politischen Vergangenheit tadelnswerth finden, verschweigen,
oder auch nur beschönigen. Graf Bismarck war durch seine Herkunft und
Erziehung nicht so günstig gestellt wie Cavour, der groß wurde in den libe¬
ralen Ideen der Neuzeit. Der preußische Junker mußte erst eine lange
.Schule durchmachen und viele Schalen abstreifen, ehe er ein sicheres Ver¬
ständniß der Gegenwart erhielt. Ist er auch jetzt noch nicht ganz frei von
den Eindrücken, die seine Erziehung und Umgebung ihm ausprägten, keines¬
wegs gehört er doch gegenwärtig noch der alten Kreuzzeitungspartet an.
und wir müssen wegen Ehre und Interessen der Deutschen im In- und Aus¬
lande uns feierlich dagegen erklären, wenn ihn diese Art noch als den Ihrigen
reclamirt. Gerade sein Werden und Wachsen zu schildern, ist die große Auf¬
gabe des Geschichtschreibers, denn vielleicht noch niemals hat sich Schiller's
Wort so bewährt, wie bei diesem Manne: "Es wächst der Mensch mit sei¬
nen größern Zwecken". Aus dem märkischen Junker ist jetzt wirklich nicht
ein preußischer, sondern ein deutscher Staatsmann geworden. Mehr und
mehr überwindet er die alten aristokratischen Vorurtheile und formt sich zu
dem schöpferischen Staatslenker, der auf der Höhe der modernen Zeit steht.
Wie stellt sich nun zu dieser Wandelung eines bedeutenden Mannes sein
Biograph? Er bemüht sich, zu zeigen, daß Bismarck eigentlich immer noch
der märkische Junker ist. Zahlreiche Stellen wären hier anzuführen. Man
vergleiche S. 123. "Die letzte Grundlage, auf welcher Bismarck's politisches
Wirken beruht, ist seine persönliche Stellung als altmärkischer Vasall und
Edelmann zu seinem Lehnsherrn, dem Markgrafen von Brandenburg, dem
Könige von Preußen." Die darauf folgende Einschränkung macht die Sache
nicht anders. -- Und S. 124: Und nun betrachte man von diesem Stand-
Punkte aus das ganze politische Leben Bismarcks . . . überall wird man den
loyalen brandenburgischen Edelmann finden . . Wir haben auf solche
Thorheit keine Entgegnung. Wir schätzen den Grafen Bismarck x>g,s paroeque,


Weise" bereitet werde. S. 162. Die Geschichte mit dem Bierglas bliebe
wohl besser weg. S. 163. Wen in aller Welt interessirt es, daß Herr Hesekiel
im Jahre 1830 einen gelben Ueberrock getragen hat? Diese Geschichte von
den drei Ueberröcken ist einfach albern. S. 166. Das mitgetheilte Jagd¬
abenteuer in dieser Weise erzählt, ist unwürdig. — So ließen sich noch viele
Beispiele geben von der Art und Weise, wie man das Leben eines Staats-
Mannes nicht erzählen soll.

Doch ein solcher Anekdotenkram ist doch am Ende nur geschmacklos.
Weit bedenklicher erscheint uns der Parteistandpunkt des Verfassers, der es
unternimmt, das Leben des Grafen Bismarck dem deutschen Volke zu er¬
zählen. Das ist nun reine Kreuzzeitung und Herrenhaus.

Wir sind nicht der Meinung, ein Biograph Bismarck's solle Das, was
wir in seiner politischen Vergangenheit tadelnswerth finden, verschweigen,
oder auch nur beschönigen. Graf Bismarck war durch seine Herkunft und
Erziehung nicht so günstig gestellt wie Cavour, der groß wurde in den libe¬
ralen Ideen der Neuzeit. Der preußische Junker mußte erst eine lange
.Schule durchmachen und viele Schalen abstreifen, ehe er ein sicheres Ver¬
ständniß der Gegenwart erhielt. Ist er auch jetzt noch nicht ganz frei von
den Eindrücken, die seine Erziehung und Umgebung ihm ausprägten, keines¬
wegs gehört er doch gegenwärtig noch der alten Kreuzzeitungspartet an.
und wir müssen wegen Ehre und Interessen der Deutschen im In- und Aus¬
lande uns feierlich dagegen erklären, wenn ihn diese Art noch als den Ihrigen
reclamirt. Gerade sein Werden und Wachsen zu schildern, ist die große Auf¬
gabe des Geschichtschreibers, denn vielleicht noch niemals hat sich Schiller's
Wort so bewährt, wie bei diesem Manne: „Es wächst der Mensch mit sei¬
nen größern Zwecken". Aus dem märkischen Junker ist jetzt wirklich nicht
ein preußischer, sondern ein deutscher Staatsmann geworden. Mehr und
mehr überwindet er die alten aristokratischen Vorurtheile und formt sich zu
dem schöpferischen Staatslenker, der auf der Höhe der modernen Zeit steht.
Wie stellt sich nun zu dieser Wandelung eines bedeutenden Mannes sein
Biograph? Er bemüht sich, zu zeigen, daß Bismarck eigentlich immer noch
der märkische Junker ist. Zahlreiche Stellen wären hier anzuführen. Man
vergleiche S. 123. „Die letzte Grundlage, auf welcher Bismarck's politisches
Wirken beruht, ist seine persönliche Stellung als altmärkischer Vasall und
Edelmann zu seinem Lehnsherrn, dem Markgrafen von Brandenburg, dem
Könige von Preußen." Die darauf folgende Einschränkung macht die Sache
nicht anders. — Und S. 124: Und nun betrachte man von diesem Stand-
Punkte aus das ganze politische Leben Bismarcks . . . überall wird man den
loyalen brandenburgischen Edelmann finden . . Wir haben auf solche
Thorheit keine Entgegnung. Wir schätzen den Grafen Bismarck x>g,s paroeque,


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[0261] Weise" bereitet werde. S. 162. Die Geschichte mit dem Bierglas bliebe wohl besser weg. S. 163. Wen in aller Welt interessirt es, daß Herr Hesekiel im Jahre 1830 einen gelben Ueberrock getragen hat? Diese Geschichte von den drei Ueberröcken ist einfach albern. S. 166. Das mitgetheilte Jagd¬ abenteuer in dieser Weise erzählt, ist unwürdig. — So ließen sich noch viele Beispiele geben von der Art und Weise, wie man das Leben eines Staats- Mannes nicht erzählen soll. Doch ein solcher Anekdotenkram ist doch am Ende nur geschmacklos. Weit bedenklicher erscheint uns der Parteistandpunkt des Verfassers, der es unternimmt, das Leben des Grafen Bismarck dem deutschen Volke zu er¬ zählen. Das ist nun reine Kreuzzeitung und Herrenhaus. Wir sind nicht der Meinung, ein Biograph Bismarck's solle Das, was wir in seiner politischen Vergangenheit tadelnswerth finden, verschweigen, oder auch nur beschönigen. Graf Bismarck war durch seine Herkunft und Erziehung nicht so günstig gestellt wie Cavour, der groß wurde in den libe¬ ralen Ideen der Neuzeit. Der preußische Junker mußte erst eine lange .Schule durchmachen und viele Schalen abstreifen, ehe er ein sicheres Ver¬ ständniß der Gegenwart erhielt. Ist er auch jetzt noch nicht ganz frei von den Eindrücken, die seine Erziehung und Umgebung ihm ausprägten, keines¬ wegs gehört er doch gegenwärtig noch der alten Kreuzzeitungspartet an. und wir müssen wegen Ehre und Interessen der Deutschen im In- und Aus¬ lande uns feierlich dagegen erklären, wenn ihn diese Art noch als den Ihrigen reclamirt. Gerade sein Werden und Wachsen zu schildern, ist die große Auf¬ gabe des Geschichtschreibers, denn vielleicht noch niemals hat sich Schiller's Wort so bewährt, wie bei diesem Manne: „Es wächst der Mensch mit sei¬ nen größern Zwecken". Aus dem märkischen Junker ist jetzt wirklich nicht ein preußischer, sondern ein deutscher Staatsmann geworden. Mehr und mehr überwindet er die alten aristokratischen Vorurtheile und formt sich zu dem schöpferischen Staatslenker, der auf der Höhe der modernen Zeit steht. Wie stellt sich nun zu dieser Wandelung eines bedeutenden Mannes sein Biograph? Er bemüht sich, zu zeigen, daß Bismarck eigentlich immer noch der märkische Junker ist. Zahlreiche Stellen wären hier anzuführen. Man vergleiche S. 123. „Die letzte Grundlage, auf welcher Bismarck's politisches Wirken beruht, ist seine persönliche Stellung als altmärkischer Vasall und Edelmann zu seinem Lehnsherrn, dem Markgrafen von Brandenburg, dem Könige von Preußen." Die darauf folgende Einschränkung macht die Sache nicht anders. — Und S. 124: Und nun betrachte man von diesem Stand- Punkte aus das ganze politische Leben Bismarcks . . . überall wird man den loyalen brandenburgischen Edelmann finden . . Wir haben auf solche Thorheit keine Entgegnung. Wir schätzen den Grafen Bismarck x>g,s paroeque,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/261>, abgerufen am 11.02.2025.