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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Oestreicher lassen diesen Factor außer Rechnung, nehmen Kraft und Waffen¬
tüchtigkeit beider Heere als gleich an und erklären ihre Position bei Abbruch
des Kampfes für stärker und aussichtsvoller. Sie haben nach unserer Mei¬
nung Unrecht, aber wir können ihnen ihren Standpunkt nicht verdenken. Die
in den östreichischen Gefechtsplan eingezeichnete Aufstellung der kaiserlichen
Bataillone wird man preußischerseits wohl nicht für richtig halten. Endlich
nach einer andern Richtung zeigt dieser letzte Band noch einen Fortschritt
gegen den früheren, er spricht mit mehr Haltung von dem eigenen comman-
direnden General, und scheint sogar bemüht, die Härte des früheren amtlichen
Urtheils durch eine unbefangene Würdigung der Vergangenheit Benedek's
vergessen zu machen.

Auf die Schilderung der militairischen Ereignisse folgt eine Darstellung
der Friedensverhandlungen. Wir sind der Meinung, daß jede officielle mili-
tairische Darstellung eines Krieges vermeiden sollte, die Conflicte, welche der
kriegerischen Action vorhergehen, und die politischen Interessen, welche bei
dem Friedensschluß thätig sind, mit irgend welcher Ausführlichkeit darzustellen.
Den Politiker seines Staates mit der Feder zu vertreten, ist nicht Sache des
Soldaten, seine amtliche Schrift soll ein Quellenwerk von dauerndem Werth
sein, in allen militairischen Dingen darf der große Generalstab einer Armee
beanspruchen, am besten unterrichtet zu sein, und Jedermann wird ihn gern
als Fachautorität anerkennen. Wo aber der Soldat Ereignisse schildert,
die er nicht gemacht hat, hört uns seine Autorität auf. Auch in dem schönen
Werke des preußischen Generalstabes hätten wir die Einleitung kürzer und so
vorsichtig gewünscht, wie die maßvoll gehaltene Uebersicht über die Verhand¬
lungen vor dem Abschlüsse des Friedens ist. Was aber das kaiserliche Bureau¬
werk uns von den Friedensverhandlungen erzählt, das ist so außerordent¬
lich, daß es in Europa seit langer Zeit nicht seines Gleichen hat.

Zunächst ist ungehörig die tiefe und würdelose Gehässigkeit gegen
Preußen, welche drei Jahre nach dem Kriege in einer officiellen Staatsschrift
zu Tage tritt. Die ergebene Artigkeit, mit welcher Frankreichs Vermittelung
besprochen wird, und die höfliche Rücksicht, welche man Italien zu Theil
werden läßt, machen die schlecht verhüllte Erbitterung, mit welcher man den
Sieger betrachtet, um so auffälliger. Diese Gemüthsstimmung überrascht uns
im Norden nicht und beunruhigt uns nicht, und soweit wir dabei an unsern
Vortheil zu denken haben, lassen wir uns dieselbe mit Nichtachtung gefallen,
denn sie ist an sich selbst ein Zeichen politischer Schwäche und ein Beweis,
wie leicht in den maßgebenden Kreisen Oestreichs die Vorsicht und Sicherheet
bei Behandlung großer Angelegenheiten verloren gehen.

Der Preuße wird deshalb auch nur ein abweisendes Lächeln für die
Ungerechtigkeit haben, mit welcher das Verhalten der preußischen Diplomatie


Oestreicher lassen diesen Factor außer Rechnung, nehmen Kraft und Waffen¬
tüchtigkeit beider Heere als gleich an und erklären ihre Position bei Abbruch
des Kampfes für stärker und aussichtsvoller. Sie haben nach unserer Mei¬
nung Unrecht, aber wir können ihnen ihren Standpunkt nicht verdenken. Die
in den östreichischen Gefechtsplan eingezeichnete Aufstellung der kaiserlichen
Bataillone wird man preußischerseits wohl nicht für richtig halten. Endlich
nach einer andern Richtung zeigt dieser letzte Band noch einen Fortschritt
gegen den früheren, er spricht mit mehr Haltung von dem eigenen comman-
direnden General, und scheint sogar bemüht, die Härte des früheren amtlichen
Urtheils durch eine unbefangene Würdigung der Vergangenheit Benedek's
vergessen zu machen.

Auf die Schilderung der militairischen Ereignisse folgt eine Darstellung
der Friedensverhandlungen. Wir sind der Meinung, daß jede officielle mili-
tairische Darstellung eines Krieges vermeiden sollte, die Conflicte, welche der
kriegerischen Action vorhergehen, und die politischen Interessen, welche bei
dem Friedensschluß thätig sind, mit irgend welcher Ausführlichkeit darzustellen.
Den Politiker seines Staates mit der Feder zu vertreten, ist nicht Sache des
Soldaten, seine amtliche Schrift soll ein Quellenwerk von dauerndem Werth
sein, in allen militairischen Dingen darf der große Generalstab einer Armee
beanspruchen, am besten unterrichtet zu sein, und Jedermann wird ihn gern
als Fachautorität anerkennen. Wo aber der Soldat Ereignisse schildert,
die er nicht gemacht hat, hört uns seine Autorität auf. Auch in dem schönen
Werke des preußischen Generalstabes hätten wir die Einleitung kürzer und so
vorsichtig gewünscht, wie die maßvoll gehaltene Uebersicht über die Verhand¬
lungen vor dem Abschlüsse des Friedens ist. Was aber das kaiserliche Bureau¬
werk uns von den Friedensverhandlungen erzählt, das ist so außerordent¬
lich, daß es in Europa seit langer Zeit nicht seines Gleichen hat.

Zunächst ist ungehörig die tiefe und würdelose Gehässigkeit gegen
Preußen, welche drei Jahre nach dem Kriege in einer officiellen Staatsschrift
zu Tage tritt. Die ergebene Artigkeit, mit welcher Frankreichs Vermittelung
besprochen wird, und die höfliche Rücksicht, welche man Italien zu Theil
werden läßt, machen die schlecht verhüllte Erbitterung, mit welcher man den
Sieger betrachtet, um so auffälliger. Diese Gemüthsstimmung überrascht uns
im Norden nicht und beunruhigt uns nicht, und soweit wir dabei an unsern
Vortheil zu denken haben, lassen wir uns dieselbe mit Nichtachtung gefallen,
denn sie ist an sich selbst ein Zeichen politischer Schwäche und ein Beweis,
wie leicht in den maßgebenden Kreisen Oestreichs die Vorsicht und Sicherheet
bei Behandlung großer Angelegenheiten verloren gehen.

Der Preuße wird deshalb auch nur ein abweisendes Lächeln für die
Ungerechtigkeit haben, mit welcher das Verhalten der preußischen Diplomatie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/250>, abgerufen am 04.07.2024.