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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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die Welfischen und ihr bezahlter Schweif. Es geht ihnen, wie den Kindern,
die im Dunkeln, je ohnmächtiger sie sich fühlen, um so eifriger toben. Das
beste Zeichen aber, wie fest die Regierung sich fühlt, ist, daß sie ihren er¬
grimmtesten Gegnern immer mehr freies Wort gestattet und bereits in
den welfischen Blättern Aeußerungen duldet, welche vor zwei Jahren den
Redacteur nach Minden geführt, vor einem Jahr ihm mindestens die öffent¬
liche Anklage zugezogen haben würden. Von der kopf- und schamlosen
Sprache dieser Blätter macht man sich außerhalb unserer Provinz höchstens
bei Ihnen einen Begriff, denn Ihre "Sächsische Zeitung", der man in der
Stadt Hannover nicht selten begegnet, leistet im meißnischen Dialekt, was
hier in spitzeren Niedersächsisch geschieht.

Eine Blumenlese daraus zu sammeln, ist nicht nöthig; aber wollen
Sie Ihren Lesern einmal eine kleine Probe geben, so greifen wir aus einer
uns gerade vorliegenden Nummer der "Hannoverschen Landeszeitung" -- der
hiesigen Kreuzzeitung, des Organs der Altlutheraner und der welfischen Le-
gitimisten -- Folgendes heraus:

"Die nationalen machen unserer Partei zum Vorwurf, daß sie angeb¬
lich nicht die Verpflichtung anerkennt, in einem etwaigen deutsch-französischen
Kriege für Deutschland einzustehen. Die nationalen verwechseln hier wieder
Deutsch und Deutschland mit Preußisch und Preußen. Unserer, d. h. der
großen hannoversch-welfischen Partei geht Deutschland und unser
Vaterland Hannover über Alles; Deutschland und unserem Vaterland
Hannover gehört unser Kopf, unser Herz und unsere Hand, sei es gegen
wen es wolle. Aber wo ist Deutschland? Gerade, daß wir uns für Deutsch¬
land, für Hannover erklären und deren Interessen nicht mit denen Preußens
für identisch halten wollen, ist unseren Anklägern, den Particularisten mit
nationaler Maske, sehr unangenehm."

Fragt man aber nach den Leuten, die solches Blatt halten und stützen,
so sind es -- selbstredend mit manchen ehrenwerthen Ausnahmen -- Adel
und Geistlichkeit. Und doch sind gerade diese beiden Stände die Lieblinge
der neuen Regierung, denn kein Stand wird von derselben mit so zarten
Fingern angefaßt, keiner so begünstigt in jeder Weise, wie gerade diese. Aber
es ist das alte Lied. Adel und Clerus sind nie zufrieden; je mehr man ihnen
giebt, desto mehr wollen sie haben. Und traurig ist nur, daß die Re¬
gierung noch immer das Coquettiren mit den Junkern und Priestern trotz
aller trüben Erfahrungen nicht aufgeben will.

Auffallend ist im Gegensatz zu der schonenden Behandlung der ver¬
schiedenen kirchlichen und junkerlichen Winkelblätter, die eine der oben an¬
geführten verwandte Sprache reden, die ununterbrochene strafrechtliche Ver¬
folgung der "Deutschen Volkszeitung", des an Preußenhaß allerdings mit der


die Welfischen und ihr bezahlter Schweif. Es geht ihnen, wie den Kindern,
die im Dunkeln, je ohnmächtiger sie sich fühlen, um so eifriger toben. Das
beste Zeichen aber, wie fest die Regierung sich fühlt, ist, daß sie ihren er¬
grimmtesten Gegnern immer mehr freies Wort gestattet und bereits in
den welfischen Blättern Aeußerungen duldet, welche vor zwei Jahren den
Redacteur nach Minden geführt, vor einem Jahr ihm mindestens die öffent¬
liche Anklage zugezogen haben würden. Von der kopf- und schamlosen
Sprache dieser Blätter macht man sich außerhalb unserer Provinz höchstens
bei Ihnen einen Begriff, denn Ihre „Sächsische Zeitung", der man in der
Stadt Hannover nicht selten begegnet, leistet im meißnischen Dialekt, was
hier in spitzeren Niedersächsisch geschieht.

Eine Blumenlese daraus zu sammeln, ist nicht nöthig; aber wollen
Sie Ihren Lesern einmal eine kleine Probe geben, so greifen wir aus einer
uns gerade vorliegenden Nummer der „Hannoverschen Landeszeitung" — der
hiesigen Kreuzzeitung, des Organs der Altlutheraner und der welfischen Le-
gitimisten — Folgendes heraus:

„Die nationalen machen unserer Partei zum Vorwurf, daß sie angeb¬
lich nicht die Verpflichtung anerkennt, in einem etwaigen deutsch-französischen
Kriege für Deutschland einzustehen. Die nationalen verwechseln hier wieder
Deutsch und Deutschland mit Preußisch und Preußen. Unserer, d. h. der
großen hannoversch-welfischen Partei geht Deutschland und unser
Vaterland Hannover über Alles; Deutschland und unserem Vaterland
Hannover gehört unser Kopf, unser Herz und unsere Hand, sei es gegen
wen es wolle. Aber wo ist Deutschland? Gerade, daß wir uns für Deutsch¬
land, für Hannover erklären und deren Interessen nicht mit denen Preußens
für identisch halten wollen, ist unseren Anklägern, den Particularisten mit
nationaler Maske, sehr unangenehm."

Fragt man aber nach den Leuten, die solches Blatt halten und stützen,
so sind es — selbstredend mit manchen ehrenwerthen Ausnahmen — Adel
und Geistlichkeit. Und doch sind gerade diese beiden Stände die Lieblinge
der neuen Regierung, denn kein Stand wird von derselben mit so zarten
Fingern angefaßt, keiner so begünstigt in jeder Weise, wie gerade diese. Aber
es ist das alte Lied. Adel und Clerus sind nie zufrieden; je mehr man ihnen
giebt, desto mehr wollen sie haben. Und traurig ist nur, daß die Re¬
gierung noch immer das Coquettiren mit den Junkern und Priestern trotz
aller trüben Erfahrungen nicht aufgeben will.

Auffallend ist im Gegensatz zu der schonenden Behandlung der ver¬
schiedenen kirchlichen und junkerlichen Winkelblätter, die eine der oben an¬
geführten verwandte Sprache reden, die ununterbrochene strafrechtliche Ver¬
folgung der „Deutschen Volkszeitung", des an Preußenhaß allerdings mit der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/242>, abgerufen am 04.07.2024.