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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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für eine Wöchnerin oder Kirchgänger", die in Civilehe lebt, sowie für eine
Geburt aus einer Civilehe nicht, wie sonst üblich, im Kirchengebete gebetet
und gedankt werden. Und da derjenige, der sich mit der Civilcopulation be¬
gnügt, damit thatsächlich kundgibt, daß er Gottes Wort und Segen ver¬
achtet, mithin sein Leben in der Civilehe als ein fortgesetztes Leben in sünd¬
lichen Zustande anzusehen ist, sollen die Pastoren solche Leute, so lange sie
in bloßer Civilehe leben, wenn sie sich bei ihnen zum Abendmahl melden,
oder wenn sie ihnen als Taufzeugen gestellt werden sollten, dazu nicht zu¬
lassen. Und sollten solche Leute, während sie in bloßer Civilehe leben, ver¬
sterben, so sollen die Pastoren ihren Leichen -- denen der Oberkirchenrath
merkwürdigerweise das Begräbniß am "ehrlichen Platz" der Kirchhöfe aus¬
drücklich verstattet -- die kirchliche Bestattung versagen, auch nicht das sonst
übliche Dankgebet für ihr Abscheiden darbringen (--- also doch auch wohl
keine Gebühren erheben? --), es sei denn, daß ein in Civilehe Leben¬
der in sxtrsmis den Pastor rufen ließe und sich dann auch wegen seiner
Civilehe derartig in Buße und Glauben erklärte, daß der Pastor ihn in arti-
oulo mortis absolviren und communiciren müßte. Ueber solche Ausnahme¬
fälle soll aber der Pastor die Gemeinde in geeigneter Weise aufklären, gleich¬
wie ihm zur Pflicht gemacht wird, sobald Civilehepaare in seiner Parochie
sich "eingefunden haben", im Hinblick auf die übrige Gemeinde dieselbe in
der Predigt und sonst über den Unterschied der Civilcopulation von der
christlichen Ehe und Eheschließung zu belehren und den civiliter Copulirten
bei jeder Gelegenheit darzuthun, daß sie sich selbst der Berechtigungen und
Wohlthaten christlicher Gemeindeglieder beraubt haben, und sie seelsorgerlich
und beweglich über die schlimme Lage zu unterrichten, in welche sie sich
gegenüber Gott und seiner Kirche zu ihrem zeitlichen und ewigen Schaden
gebracht haben.

Diese Proben werden den Lesern der Grenzboten genügen, sich mit den
Tendenzen des mecklenburgischen Oberkirchenraths vertraut zu machen. Zur
Kritik derselben haben wir nichts weiter hinzuzufügen, als die Frage, ob es
den Pastoren wohl gelingen wird, ihre Gemeinden, deren Mitglieder jetzt über
die oberkirchenräthliche Bulle die Köpfe schütteln, und die bürgerlich getrauten
Fremden zu überzeugen, daß Jemand dadurch, weil er in der in seiner Hei¬
math gesetzlich erlaubten Weise eine Ehe geschlossen, sein zeitliches und ewiges
Heil verscherzte? Mögen immerhin die Kirchenrechtslehrer behaupten, daß der
Staat, den allgemeinen Principien kirchlicher Gesetzgebung gemäß. die Kirche
nicht zwingen könne, ausschließlich civil eingegangene eheliche Verhältnisse
auch ihrerseits als Ehen gelten zu lassen, so fügt doch z. B. selbst der un¬
bestrittenermaßen orthodoxe Rostocker Professor und Oberconsistorialrath Mejer
in seinen Institutionen des Kirchenrechts hinzu, daß die Kirche sich selbst zu


für eine Wöchnerin oder Kirchgänger«, die in Civilehe lebt, sowie für eine
Geburt aus einer Civilehe nicht, wie sonst üblich, im Kirchengebete gebetet
und gedankt werden. Und da derjenige, der sich mit der Civilcopulation be¬
gnügt, damit thatsächlich kundgibt, daß er Gottes Wort und Segen ver¬
achtet, mithin sein Leben in der Civilehe als ein fortgesetztes Leben in sünd¬
lichen Zustande anzusehen ist, sollen die Pastoren solche Leute, so lange sie
in bloßer Civilehe leben, wenn sie sich bei ihnen zum Abendmahl melden,
oder wenn sie ihnen als Taufzeugen gestellt werden sollten, dazu nicht zu¬
lassen. Und sollten solche Leute, während sie in bloßer Civilehe leben, ver¬
sterben, so sollen die Pastoren ihren Leichen — denen der Oberkirchenrath
merkwürdigerweise das Begräbniß am „ehrlichen Platz" der Kirchhöfe aus¬
drücklich verstattet — die kirchliche Bestattung versagen, auch nicht das sonst
übliche Dankgebet für ihr Abscheiden darbringen (—- also doch auch wohl
keine Gebühren erheben? —), es sei denn, daß ein in Civilehe Leben¬
der in sxtrsmis den Pastor rufen ließe und sich dann auch wegen seiner
Civilehe derartig in Buße und Glauben erklärte, daß der Pastor ihn in arti-
oulo mortis absolviren und communiciren müßte. Ueber solche Ausnahme¬
fälle soll aber der Pastor die Gemeinde in geeigneter Weise aufklären, gleich¬
wie ihm zur Pflicht gemacht wird, sobald Civilehepaare in seiner Parochie
sich „eingefunden haben", im Hinblick auf die übrige Gemeinde dieselbe in
der Predigt und sonst über den Unterschied der Civilcopulation von der
christlichen Ehe und Eheschließung zu belehren und den civiliter Copulirten
bei jeder Gelegenheit darzuthun, daß sie sich selbst der Berechtigungen und
Wohlthaten christlicher Gemeindeglieder beraubt haben, und sie seelsorgerlich
und beweglich über die schlimme Lage zu unterrichten, in welche sie sich
gegenüber Gott und seiner Kirche zu ihrem zeitlichen und ewigen Schaden
gebracht haben.

Diese Proben werden den Lesern der Grenzboten genügen, sich mit den
Tendenzen des mecklenburgischen Oberkirchenraths vertraut zu machen. Zur
Kritik derselben haben wir nichts weiter hinzuzufügen, als die Frage, ob es
den Pastoren wohl gelingen wird, ihre Gemeinden, deren Mitglieder jetzt über
die oberkirchenräthliche Bulle die Köpfe schütteln, und die bürgerlich getrauten
Fremden zu überzeugen, daß Jemand dadurch, weil er in der in seiner Hei¬
math gesetzlich erlaubten Weise eine Ehe geschlossen, sein zeitliches und ewiges
Heil verscherzte? Mögen immerhin die Kirchenrechtslehrer behaupten, daß der
Staat, den allgemeinen Principien kirchlicher Gesetzgebung gemäß. die Kirche
nicht zwingen könne, ausschließlich civil eingegangene eheliche Verhältnisse
auch ihrerseits als Ehen gelten zu lassen, so fügt doch z. B. selbst der un¬
bestrittenermaßen orthodoxe Rostocker Professor und Oberconsistorialrath Mejer
in seinen Institutionen des Kirchenrechts hinzu, daß die Kirche sich selbst zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/24>, abgerufen am 24.07.2024.