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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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hieß^ aber nichts Anderes, als den Fußtapfen jener modernen Politiker fol¬
gen, welche der wahren Wissenschaft der Geschäfte eine Praktik von dünkel¬
haften Berechnungen und Auskunftsmitteln, die fast immer ihren Zweck ver¬
fehlen, gegenüberstellen. Es gibt einen anderen edleren und sichereren Weg.
und er besteht darin, zu denselben Resultaten zu gelangen, ohne den Grund¬
sätzen der Gerechtigkeit Eintrag zu thun, und indem man sich hinwegsetzt
über die vulgären Ideen, welche dieses Jahrhundert beherrschen und mit ihm
untergehen werden." (Februar 1833.) -- Die Cabinette von London und
Paris verbargen nicht ihre Ueberraschung und ihr Mißfallen über den Ein¬
tritt eines Mannes in das Ministerium, dessen Parteinahme für die Legiti-
misten in Spanien hinlänglich bekannt war.

Mit La Margherita kam denn auch sofort ein neuer Eifer in die Be¬
mühungen des Turinerhofes für die Carlisten, obwol die Cabinette von
Wien, Berlin und Se. Petersburg weit zurückhaltender, wenigstens in thäti¬
ger Theilnahme waren. Besonders intim scheint damals in Folge der legiti-
wistischen Sympathien das Verhältniß zum Berliner Hof gewesen zu sein. Zu
Ende des Jahres 1833 ging ein besonderer Abgesandter, der Ritter Paul Cerruti
im Auftrag des Turiner Hoff zu Don Carlos nach den baskischen Provinzen. Die¬
ser Cerruti war gleichzeitig der Träger von vertraulichen Rathschlägen des Ber¬
liner Hofes, welcher dem Prätendenten empfahl, endlich aus seinem Schwei¬
gen herauszutreten und in einer Proclamation den Spaniern die Grundsätze
seiner künftigen Regierung anzukündigen. Dabei ward ihm angerathen, die
alten bürgerlichen und localen Freiheiten in Spanien wiederherzustellen;
die Mumupalfreiheiten ständen nicht im Widerspruch mit dem monarchischen
Princip, wären vielmehr dessen festeste Stütze und das wirksamste Mittel, die
falschen Freiheiten des Tags zu überwinden. Natürlich waren diese Rath¬
schläge bei Don Carlos ebenso vergeblich als die noch detaillirteren Weisungen,
die Cerruti vom Turiner Hofe für den Prätendenten erhalten hatte.

Diese leidige spanische Angelegenheit hatte auch die Entfernung eines
der verdientesten sardinischen Diplomaten aus dem Staatsdienst zur Folge.
Lord Palmerston ließ es nicht an Warnungen fehlen, um den Turiner Hos
bon seiner Parteinahme für Don Carlos zurückzubringen; und der Gesandte
w London, Graf d'Aglie, unterstützte diese Warnungen lebhaft. "Ich fürchte",
schrieb er im September 1833, "daß diese Geschichte zum Nachtheile unserer
Interessen ausschlagen werde. Die Partie steht nicht gleich. England hat
nicht unterlassen, uns die beständigsten und herzlichsten Beweise seiner Freund-
schaft zu geben. Nun ist es natürlich, wenn Lord Palmerston erwartet, daß
K>ir irgend etwas thun, um die englische Regierung zufriedenzustellen.
Solche Gelegenheiten sind für uns nicht häufig. Eine bot sich uns dar, bei
der er unzweifelhaft ein großes Interesse an den Tag legte. Er forderte


Grenzboten II. 1869. 29

hieß^ aber nichts Anderes, als den Fußtapfen jener modernen Politiker fol¬
gen, welche der wahren Wissenschaft der Geschäfte eine Praktik von dünkel¬
haften Berechnungen und Auskunftsmitteln, die fast immer ihren Zweck ver¬
fehlen, gegenüberstellen. Es gibt einen anderen edleren und sichereren Weg.
und er besteht darin, zu denselben Resultaten zu gelangen, ohne den Grund¬
sätzen der Gerechtigkeit Eintrag zu thun, und indem man sich hinwegsetzt
über die vulgären Ideen, welche dieses Jahrhundert beherrschen und mit ihm
untergehen werden." (Februar 1833.) — Die Cabinette von London und
Paris verbargen nicht ihre Ueberraschung und ihr Mißfallen über den Ein¬
tritt eines Mannes in das Ministerium, dessen Parteinahme für die Legiti-
misten in Spanien hinlänglich bekannt war.

Mit La Margherita kam denn auch sofort ein neuer Eifer in die Be¬
mühungen des Turinerhofes für die Carlisten, obwol die Cabinette von
Wien, Berlin und Se. Petersburg weit zurückhaltender, wenigstens in thäti¬
ger Theilnahme waren. Besonders intim scheint damals in Folge der legiti-
wistischen Sympathien das Verhältniß zum Berliner Hof gewesen zu sein. Zu
Ende des Jahres 1833 ging ein besonderer Abgesandter, der Ritter Paul Cerruti
im Auftrag des Turiner Hoff zu Don Carlos nach den baskischen Provinzen. Die¬
ser Cerruti war gleichzeitig der Träger von vertraulichen Rathschlägen des Ber¬
liner Hofes, welcher dem Prätendenten empfahl, endlich aus seinem Schwei¬
gen herauszutreten und in einer Proclamation den Spaniern die Grundsätze
seiner künftigen Regierung anzukündigen. Dabei ward ihm angerathen, die
alten bürgerlichen und localen Freiheiten in Spanien wiederherzustellen;
die Mumupalfreiheiten ständen nicht im Widerspruch mit dem monarchischen
Princip, wären vielmehr dessen festeste Stütze und das wirksamste Mittel, die
falschen Freiheiten des Tags zu überwinden. Natürlich waren diese Rath¬
schläge bei Don Carlos ebenso vergeblich als die noch detaillirteren Weisungen,
die Cerruti vom Turiner Hofe für den Prätendenten erhalten hatte.

Diese leidige spanische Angelegenheit hatte auch die Entfernung eines
der verdientesten sardinischen Diplomaten aus dem Staatsdienst zur Folge.
Lord Palmerston ließ es nicht an Warnungen fehlen, um den Turiner Hos
bon seiner Parteinahme für Don Carlos zurückzubringen; und der Gesandte
w London, Graf d'Aglie, unterstützte diese Warnungen lebhaft. „Ich fürchte",
schrieb er im September 1833, „daß diese Geschichte zum Nachtheile unserer
Interessen ausschlagen werde. Die Partie steht nicht gleich. England hat
nicht unterlassen, uns die beständigsten und herzlichsten Beweise seiner Freund-
schaft zu geben. Nun ist es natürlich, wenn Lord Palmerston erwartet, daß
K>ir irgend etwas thun, um die englische Regierung zufriedenzustellen.
Solche Gelegenheiten sind für uns nicht häufig. Eine bot sich uns dar, bei
der er unzweifelhaft ein großes Interesse an den Tag legte. Er forderte


Grenzboten II. 1869. 29
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[0233] hieß^ aber nichts Anderes, als den Fußtapfen jener modernen Politiker fol¬ gen, welche der wahren Wissenschaft der Geschäfte eine Praktik von dünkel¬ haften Berechnungen und Auskunftsmitteln, die fast immer ihren Zweck ver¬ fehlen, gegenüberstellen. Es gibt einen anderen edleren und sichereren Weg. und er besteht darin, zu denselben Resultaten zu gelangen, ohne den Grund¬ sätzen der Gerechtigkeit Eintrag zu thun, und indem man sich hinwegsetzt über die vulgären Ideen, welche dieses Jahrhundert beherrschen und mit ihm untergehen werden." (Februar 1833.) — Die Cabinette von London und Paris verbargen nicht ihre Ueberraschung und ihr Mißfallen über den Ein¬ tritt eines Mannes in das Ministerium, dessen Parteinahme für die Legiti- misten in Spanien hinlänglich bekannt war. Mit La Margherita kam denn auch sofort ein neuer Eifer in die Be¬ mühungen des Turinerhofes für die Carlisten, obwol die Cabinette von Wien, Berlin und Se. Petersburg weit zurückhaltender, wenigstens in thäti¬ ger Theilnahme waren. Besonders intim scheint damals in Folge der legiti- wistischen Sympathien das Verhältniß zum Berliner Hof gewesen zu sein. Zu Ende des Jahres 1833 ging ein besonderer Abgesandter, der Ritter Paul Cerruti im Auftrag des Turiner Hoff zu Don Carlos nach den baskischen Provinzen. Die¬ ser Cerruti war gleichzeitig der Träger von vertraulichen Rathschlägen des Ber¬ liner Hofes, welcher dem Prätendenten empfahl, endlich aus seinem Schwei¬ gen herauszutreten und in einer Proclamation den Spaniern die Grundsätze seiner künftigen Regierung anzukündigen. Dabei ward ihm angerathen, die alten bürgerlichen und localen Freiheiten in Spanien wiederherzustellen; die Mumupalfreiheiten ständen nicht im Widerspruch mit dem monarchischen Princip, wären vielmehr dessen festeste Stütze und das wirksamste Mittel, die falschen Freiheiten des Tags zu überwinden. Natürlich waren diese Rath¬ schläge bei Don Carlos ebenso vergeblich als die noch detaillirteren Weisungen, die Cerruti vom Turiner Hofe für den Prätendenten erhalten hatte. Diese leidige spanische Angelegenheit hatte auch die Entfernung eines der verdientesten sardinischen Diplomaten aus dem Staatsdienst zur Folge. Lord Palmerston ließ es nicht an Warnungen fehlen, um den Turiner Hos bon seiner Parteinahme für Don Carlos zurückzubringen; und der Gesandte w London, Graf d'Aglie, unterstützte diese Warnungen lebhaft. „Ich fürchte", schrieb er im September 1833, „daß diese Geschichte zum Nachtheile unserer Interessen ausschlagen werde. Die Partie steht nicht gleich. England hat nicht unterlassen, uns die beständigsten und herzlichsten Beweise seiner Freund- schaft zu geben. Nun ist es natürlich, wenn Lord Palmerston erwartet, daß K>ir irgend etwas thun, um die englische Regierung zufriedenzustellen. Solche Gelegenheiten sind für uns nicht häufig. Eine bot sich uns dar, bei der er unzweifelhaft ein großes Interesse an den Tag legte. Er forderte Grenzboten II. 1869. 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/233>, abgerufen am 04.07.2024.