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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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ein dunkel in ihm arbeitendes Gefühl, daß Italien eines Tages auf
die Rettung durch seinen Arm angewiesen sein werde, während er gleich"
zeitig die revolutionairen Mittel zu diesem Zwecke krankhaft verabscheute.
Allein wenn es ihm auch weniger möglich gewesen wäre, seine Gedanken
vollständig zu verbergen, für jetzt konnte er gar nicht anders, als sich
auf Oestreich stützen, denn dies war die Stütze aller legitimen Throne.
Die Versuchung, die einen Augenblick von revolutionairer Seite an ihn her¬
antrat, ließ ihn kalt. Den bekannten Aufruf Mazzini's an ihn -- Le vo,
no -- beantwortete er später durch die blutige Bestrafung der von der
Giovine Italia geplanten Aufstandsversuche. Von Anfang an unterließ er
nichts, um durch correctes Verhalten sich das Wohlwollen Oestreichs zu sichern.
In der Beibehaltung Della Torres als Ministers des Aeußern sah dieses eine
erwünschte Bürgschaft, daß die Politik des neuen Fürsten in den Wegen von
Karl Felix bleibe. Metternich begrüßte ihn (Depesche Pralormo's vom 19.
Juni 1831) als einen gleich aufrichtigen Freund, wie sein Vorgänger ge-
Wesen, und als einen Bundesgenossen "würdig der glänzendsten Geschicke."

Seiner unbedingten Ergebenheit hatte Sardinien es auch zu verdanken,
daß es auf besonderen Wunsch Oestreichs zu der diplomatischen Conferenz in
Rom zugelassen wurde, welche im April 1831 zusammentrat und die Paci-
fication des Kirchenstaats nach dem romagnolischen Aufstand zur Aufgabe
hatte. Metternich hatte zum sardinischen Gesandten. Grafen Pralormo, ge¬
sagt: "Sardinien hat ebenso wie Oestreich das größte Interesse an der Ruhe
Italiens. Die Absichten beider Höfe sind identisch; folglich kann die Mit¬
wirkung Sardiniens der guten Sache eine Stütze sein und der Action des
durch Frankreich vertretenen liberalen Princips zum Gegengewicht dienen."
Die Rolle Sardiniens auf der Conferenz war denn auch die einer unbedingten
Hingebung an Oestreich. Dies ging so weit, daß, als Frankreich den Vorschlag
machte, zu einer etwaigen künstigen Intervention im Kirchenstaat sardinische,
weil italienische, Truppen zu verwenden, Sardinien von selbst einen Ge¬
danken weit von sich stieß, der zu den Grundsätzen der östreichischen Politik in
so schneidendem Gegensatz stand. Es ist bezeichnend, daß der Graf Pralormo
in einer Depesche an seinen Hof (19. Juni 1831) dies zugleich folgender¬
maßen motivirte: "Ich gestehe offen, daß es mir peinlich wäre die Truppen
S. Maj. mit den Carbonari der Romagna, d. h. mit dem Allerschlimmsteri
in Italien in Berührung gebracht zu sehen. Die Einheit der Sprache und
Abstammung würde der Verführung jene leichten Gelegenheiten darbieten,
welche nicht vorhanden sind, wo es sich um Oestreicher handelt." Als später,
im Januar 1832, wegen der erneuten Unruhen die Frage einer abermaligen
Intervention praktisch wurde, kam Frankreich auf den Vorschlag zurück, sie
durch sardinische Truppen geschehen zu lassen, und ebenso wünschte Lord Pät-


ein dunkel in ihm arbeitendes Gefühl, daß Italien eines Tages auf
die Rettung durch seinen Arm angewiesen sein werde, während er gleich«
zeitig die revolutionairen Mittel zu diesem Zwecke krankhaft verabscheute.
Allein wenn es ihm auch weniger möglich gewesen wäre, seine Gedanken
vollständig zu verbergen, für jetzt konnte er gar nicht anders, als sich
auf Oestreich stützen, denn dies war die Stütze aller legitimen Throne.
Die Versuchung, die einen Augenblick von revolutionairer Seite an ihn her¬
antrat, ließ ihn kalt. Den bekannten Aufruf Mazzini's an ihn — Le vo,
no — beantwortete er später durch die blutige Bestrafung der von der
Giovine Italia geplanten Aufstandsversuche. Von Anfang an unterließ er
nichts, um durch correctes Verhalten sich das Wohlwollen Oestreichs zu sichern.
In der Beibehaltung Della Torres als Ministers des Aeußern sah dieses eine
erwünschte Bürgschaft, daß die Politik des neuen Fürsten in den Wegen von
Karl Felix bleibe. Metternich begrüßte ihn (Depesche Pralormo's vom 19.
Juni 1831) als einen gleich aufrichtigen Freund, wie sein Vorgänger ge-
Wesen, und als einen Bundesgenossen „würdig der glänzendsten Geschicke."

Seiner unbedingten Ergebenheit hatte Sardinien es auch zu verdanken,
daß es auf besonderen Wunsch Oestreichs zu der diplomatischen Conferenz in
Rom zugelassen wurde, welche im April 1831 zusammentrat und die Paci-
fication des Kirchenstaats nach dem romagnolischen Aufstand zur Aufgabe
hatte. Metternich hatte zum sardinischen Gesandten. Grafen Pralormo, ge¬
sagt: „Sardinien hat ebenso wie Oestreich das größte Interesse an der Ruhe
Italiens. Die Absichten beider Höfe sind identisch; folglich kann die Mit¬
wirkung Sardiniens der guten Sache eine Stütze sein und der Action des
durch Frankreich vertretenen liberalen Princips zum Gegengewicht dienen."
Die Rolle Sardiniens auf der Conferenz war denn auch die einer unbedingten
Hingebung an Oestreich. Dies ging so weit, daß, als Frankreich den Vorschlag
machte, zu einer etwaigen künstigen Intervention im Kirchenstaat sardinische,
weil italienische, Truppen zu verwenden, Sardinien von selbst einen Ge¬
danken weit von sich stieß, der zu den Grundsätzen der östreichischen Politik in
so schneidendem Gegensatz stand. Es ist bezeichnend, daß der Graf Pralormo
in einer Depesche an seinen Hof (19. Juni 1831) dies zugleich folgender¬
maßen motivirte: „Ich gestehe offen, daß es mir peinlich wäre die Truppen
S. Maj. mit den Carbonari der Romagna, d. h. mit dem Allerschlimmsteri
in Italien in Berührung gebracht zu sehen. Die Einheit der Sprache und
Abstammung würde der Verführung jene leichten Gelegenheiten darbieten,
welche nicht vorhanden sind, wo es sich um Oestreicher handelt." Als später,
im Januar 1832, wegen der erneuten Unruhen die Frage einer abermaligen
Intervention praktisch wurde, kam Frankreich auf den Vorschlag zurück, sie
durch sardinische Truppen geschehen zu lassen, und ebenso wünschte Lord Pät-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/230>, abgerufen am 04.07.2024.