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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Eingeborenen auf die Treppen des Vaticans, wie sie sich nie zu einer Kirche
drängten, harrten geduldig Stundenlang, bis ihnen der Eintritt in den Aus¬
stellungsraum gegönnt wurde, und freuten sich kindisch über die prächtigen
Waschbecken, Ttntenzeuge, Eßbestecke, Kaffeeservices u. dergl., die vor ihren
Augen glänzten. Kritik übten sie nicht und auch wir wollen dieselbe nicht
üben, wenn gleich namentlich die mitausgestellten geschenkten Gemälde, dar¬
unter eine prosaische Ansicht des Kölner Domes, zu derselben große Lust er¬
wecken. Damit war sür die Einheimischen dies Fest zu Ende. Nicht für
die Fremden. Ihnen zu Ehren veranstaltete der General Canzler eine Parade
der päpstlichen Truppen in der Villa Borghese. Die Ultramontanen waren
über die Zahl und die Haltung der Soldaten entzückt, ließen es nicht an
Aeußerungen des Selbstgefühls fehlen und hätten am liebsten gleich Italien
den Krieg erklärt. Unbefangene Beobachter entdeckten unter den Zuaven
neben vereinzelten tüchtigen Landsknechten viele entlaufene Lehrbuben, ohne
Bart im Gesicht, ohne Mark in den Knochen, in der Fremdenlegion aber
bedenklich viele Individuen, welche auf die Herkunft von irgend einer süd¬
deutschen Schneiderbank schließen ließen. Seltsam, daß ein Priesterjubiläum
in einer Militairparade seinen Abschluß finden sollte. Aber seltsamer und
trauriger für uns Andere, daß eine Deputation deutscher und französischer
Damen sich bei dem..Papst eine Audienz erbat, um ihm als Ehrengeschenk
ein -- übrigens schlechtes -- Gemälde von der Schlacht bei Mendana zu
überreichen. Frieden sollte das Fest athmen und kriegerische Empfindungen
machten sich überall geltend, selbst bei den Frauen, leider auch bei deutschen
Frauen. Es gab wenige Anwesende in Rom, die nicht Pius IX. den selte¬
nen Ehrentag gönnten; sie hätten nur gewünscht, daß der Tag von den
Ultramontanen nicht auch politisch ausgebeutet, nicht durch so große Takt¬
losigkeiten verunstaltet worden wäre. In den ultramontanen Kreisen, die
jetzt in Rom so viel zu sagen haben, herrscht eine fieberhafte Erregung, die
für die nächste Zukunft wenig Gutes hoffen läßt. Man hält den Augenblick
für günstig, um alle alten Verluste wieder zu gewinnen, vielleicht noch neue
Erwerbungen zu machen, man will keine Mäßigung, noch weniger Duldung,
man will die Welt nicht nur umgestalten, sondern in die alte, längst ge¬
sprengte Form zurückbringen. Man vergißt dabei, daß der Fieberwahn zwar
Träume, aber nicht lebendige Ideen schafft.




Eingeborenen auf die Treppen des Vaticans, wie sie sich nie zu einer Kirche
drängten, harrten geduldig Stundenlang, bis ihnen der Eintritt in den Aus¬
stellungsraum gegönnt wurde, und freuten sich kindisch über die prächtigen
Waschbecken, Ttntenzeuge, Eßbestecke, Kaffeeservices u. dergl., die vor ihren
Augen glänzten. Kritik übten sie nicht und auch wir wollen dieselbe nicht
üben, wenn gleich namentlich die mitausgestellten geschenkten Gemälde, dar¬
unter eine prosaische Ansicht des Kölner Domes, zu derselben große Lust er¬
wecken. Damit war sür die Einheimischen dies Fest zu Ende. Nicht für
die Fremden. Ihnen zu Ehren veranstaltete der General Canzler eine Parade
der päpstlichen Truppen in der Villa Borghese. Die Ultramontanen waren
über die Zahl und die Haltung der Soldaten entzückt, ließen es nicht an
Aeußerungen des Selbstgefühls fehlen und hätten am liebsten gleich Italien
den Krieg erklärt. Unbefangene Beobachter entdeckten unter den Zuaven
neben vereinzelten tüchtigen Landsknechten viele entlaufene Lehrbuben, ohne
Bart im Gesicht, ohne Mark in den Knochen, in der Fremdenlegion aber
bedenklich viele Individuen, welche auf die Herkunft von irgend einer süd¬
deutschen Schneiderbank schließen ließen. Seltsam, daß ein Priesterjubiläum
in einer Militairparade seinen Abschluß finden sollte. Aber seltsamer und
trauriger für uns Andere, daß eine Deputation deutscher und französischer
Damen sich bei dem..Papst eine Audienz erbat, um ihm als Ehrengeschenk
ein — übrigens schlechtes — Gemälde von der Schlacht bei Mendana zu
überreichen. Frieden sollte das Fest athmen und kriegerische Empfindungen
machten sich überall geltend, selbst bei den Frauen, leider auch bei deutschen
Frauen. Es gab wenige Anwesende in Rom, die nicht Pius IX. den selte¬
nen Ehrentag gönnten; sie hätten nur gewünscht, daß der Tag von den
Ultramontanen nicht auch politisch ausgebeutet, nicht durch so große Takt¬
losigkeiten verunstaltet worden wäre. In den ultramontanen Kreisen, die
jetzt in Rom so viel zu sagen haben, herrscht eine fieberhafte Erregung, die
für die nächste Zukunft wenig Gutes hoffen läßt. Man hält den Augenblick
für günstig, um alle alten Verluste wieder zu gewinnen, vielleicht noch neue
Erwerbungen zu machen, man will keine Mäßigung, noch weniger Duldung,
man will die Welt nicht nur umgestalten, sondern in die alte, längst ge¬
sprengte Form zurückbringen. Man vergißt dabei, daß der Fieberwahn zwar
Träume, aber nicht lebendige Ideen schafft.




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[0216] Eingeborenen auf die Treppen des Vaticans, wie sie sich nie zu einer Kirche drängten, harrten geduldig Stundenlang, bis ihnen der Eintritt in den Aus¬ stellungsraum gegönnt wurde, und freuten sich kindisch über die prächtigen Waschbecken, Ttntenzeuge, Eßbestecke, Kaffeeservices u. dergl., die vor ihren Augen glänzten. Kritik übten sie nicht und auch wir wollen dieselbe nicht üben, wenn gleich namentlich die mitausgestellten geschenkten Gemälde, dar¬ unter eine prosaische Ansicht des Kölner Domes, zu derselben große Lust er¬ wecken. Damit war sür die Einheimischen dies Fest zu Ende. Nicht für die Fremden. Ihnen zu Ehren veranstaltete der General Canzler eine Parade der päpstlichen Truppen in der Villa Borghese. Die Ultramontanen waren über die Zahl und die Haltung der Soldaten entzückt, ließen es nicht an Aeußerungen des Selbstgefühls fehlen und hätten am liebsten gleich Italien den Krieg erklärt. Unbefangene Beobachter entdeckten unter den Zuaven neben vereinzelten tüchtigen Landsknechten viele entlaufene Lehrbuben, ohne Bart im Gesicht, ohne Mark in den Knochen, in der Fremdenlegion aber bedenklich viele Individuen, welche auf die Herkunft von irgend einer süd¬ deutschen Schneiderbank schließen ließen. Seltsam, daß ein Priesterjubiläum in einer Militairparade seinen Abschluß finden sollte. Aber seltsamer und trauriger für uns Andere, daß eine Deputation deutscher und französischer Damen sich bei dem..Papst eine Audienz erbat, um ihm als Ehrengeschenk ein — übrigens schlechtes — Gemälde von der Schlacht bei Mendana zu überreichen. Frieden sollte das Fest athmen und kriegerische Empfindungen machten sich überall geltend, selbst bei den Frauen, leider auch bei deutschen Frauen. Es gab wenige Anwesende in Rom, die nicht Pius IX. den selte¬ nen Ehrentag gönnten; sie hätten nur gewünscht, daß der Tag von den Ultramontanen nicht auch politisch ausgebeutet, nicht durch so große Takt¬ losigkeiten verunstaltet worden wäre. In den ultramontanen Kreisen, die jetzt in Rom so viel zu sagen haben, herrscht eine fieberhafte Erregung, die für die nächste Zukunft wenig Gutes hoffen läßt. Man hält den Augenblick für günstig, um alle alten Verluste wieder zu gewinnen, vielleicht noch neue Erwerbungen zu machen, man will keine Mäßigung, noch weniger Duldung, man will die Welt nicht nur umgestalten, sondern in die alte, längst ge¬ sprengte Form zurückbringen. Man vergißt dabei, daß der Fieberwahn zwar Träume, aber nicht lebendige Ideen schafft.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/216>, abgerufen am 04.07.2024.