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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Sie schwenkten mit den Hüten, wehten mit den Taschentüchern, fuhren mit
den Armen heftig hin und her, um die Begeisterung des Volkes anzufachen.
Dieses ließ sich aber nicht beirren, es blieb freundlich und wohlgesinnt, es
ließ aber das ersehnte Lvviva paxa rsl nicht hören, sich zu keiner Demon¬
stration, die politisch zu deuten wäre, gebrauchen. Es hatte den Papst be¬
grüßt, es dankte ihm, als er den Segen spendete; kaum hatte aber Pio IX.
die Loggia verlassen, was schon nach wenigen Minuten geschah, so verlief
sich auch hastig alles Volk, ohne den Schluß des Hymnus abzuwarten.

Die nächstfolgenden Festlichkeiten waren zu sehr in den hergebrachten
Rahmen gespannt, als daß sie zu außerordentlichen Demonstrationen hätten
Veranlassung geben können. Sie bestanden in der Girandola, die des
schlechten Wetters wegen zu Ostern nicht abgebrannt wurde und nun nach¬
träglich noch in passender Weise die Jubiläumsfeier verherrlicht. Da die
Girandola auf allen höheren Punkten Roms sichtbar ist. so vertheilen sich
die Zuschauer und findet nirgendwo ein größerer Zusammenlauf des Volkes
statt. Ebenso hatte auch die Illumination am Abende des 12. April so viele
Glanzpunkte, und glichen sich die einzelnen beleuchteten Objecte in den ver¬
schiedenen Quartieren so sehr, daß zwar überall ein fröhliches Wogen der
Menge, aber nirgend für die Fußgänger ein undurchdringliches Gedränge
herrschte. Die Privathäuser waren höchstens mit einigen Lämpchen an den
Fenstersimsen geschmückt und auch dieses nicht überall. Dagegen vereinigten
sich die Bewohner der einzelnen Pfarrsprengel, böse Zungen behaupten, nicht
immer aus freien Stücken, um auf größeren Plätzen architektonische Gerüste
aufzuschlagen, die über und über mit Lampen bedeckt und mit Transparenten
geschmückt waren. Man sah reiche Triumphbogen, Prospecte von Bauten,
Z. B. von dem künftigen Eisenbahnhof und Kirchenfacaden, zu deren Dar¬
stellung der gothische Stil mit Vorliebe gewählt wurde, denn dieser erscheint
dem Römer so phantastisch, daß er sich ihn als Unterlage von Illuminationen
und Feuerwerken gern denkt. Abgesehen von der Einförmigkeit war die
Illumination eine wahrhaft glänzende, aber freilich sind die Römer wie die
Italiener überhaupt an solche Dinge längst gewöhnt, und mehr als ruhige,
beschauliche Freude ließ sich ihnen auch dieses Mal nicht abgewinnen. Da¬
gegen waren sie voll Feuer und Flammen, um die Herrlichkeiten zu schauen,
welche in der Festwoche im Vatican öffentlich ausgestellt wurden. Sie hatten
von den prächtigen Goldgefäßen, von Juwelen und Kleinodien gehört, welche
dem Papste von nahe und ferne verehrt worden waren und konnten nun
den Augenblick nicht erwarten, um sich von ihnen die Augen blenden zu
lassen. Gold und Silber übt auf alle Italiener den größten Zauber. Sieht
man in einer Straße vor einem Laden eine größere Gruppe stehen, so kann
man sicher sein, daß es ein Juwelierladen sei. So drängten sich auch die


Sie schwenkten mit den Hüten, wehten mit den Taschentüchern, fuhren mit
den Armen heftig hin und her, um die Begeisterung des Volkes anzufachen.
Dieses ließ sich aber nicht beirren, es blieb freundlich und wohlgesinnt, es
ließ aber das ersehnte Lvviva paxa rsl nicht hören, sich zu keiner Demon¬
stration, die politisch zu deuten wäre, gebrauchen. Es hatte den Papst be¬
grüßt, es dankte ihm, als er den Segen spendete; kaum hatte aber Pio IX.
die Loggia verlassen, was schon nach wenigen Minuten geschah, so verlief
sich auch hastig alles Volk, ohne den Schluß des Hymnus abzuwarten.

Die nächstfolgenden Festlichkeiten waren zu sehr in den hergebrachten
Rahmen gespannt, als daß sie zu außerordentlichen Demonstrationen hätten
Veranlassung geben können. Sie bestanden in der Girandola, die des
schlechten Wetters wegen zu Ostern nicht abgebrannt wurde und nun nach¬
träglich noch in passender Weise die Jubiläumsfeier verherrlicht. Da die
Girandola auf allen höheren Punkten Roms sichtbar ist. so vertheilen sich
die Zuschauer und findet nirgendwo ein größerer Zusammenlauf des Volkes
statt. Ebenso hatte auch die Illumination am Abende des 12. April so viele
Glanzpunkte, und glichen sich die einzelnen beleuchteten Objecte in den ver¬
schiedenen Quartieren so sehr, daß zwar überall ein fröhliches Wogen der
Menge, aber nirgend für die Fußgänger ein undurchdringliches Gedränge
herrschte. Die Privathäuser waren höchstens mit einigen Lämpchen an den
Fenstersimsen geschmückt und auch dieses nicht überall. Dagegen vereinigten
sich die Bewohner der einzelnen Pfarrsprengel, böse Zungen behaupten, nicht
immer aus freien Stücken, um auf größeren Plätzen architektonische Gerüste
aufzuschlagen, die über und über mit Lampen bedeckt und mit Transparenten
geschmückt waren. Man sah reiche Triumphbogen, Prospecte von Bauten,
Z. B. von dem künftigen Eisenbahnhof und Kirchenfacaden, zu deren Dar¬
stellung der gothische Stil mit Vorliebe gewählt wurde, denn dieser erscheint
dem Römer so phantastisch, daß er sich ihn als Unterlage von Illuminationen
und Feuerwerken gern denkt. Abgesehen von der Einförmigkeit war die
Illumination eine wahrhaft glänzende, aber freilich sind die Römer wie die
Italiener überhaupt an solche Dinge längst gewöhnt, und mehr als ruhige,
beschauliche Freude ließ sich ihnen auch dieses Mal nicht abgewinnen. Da¬
gegen waren sie voll Feuer und Flammen, um die Herrlichkeiten zu schauen,
welche in der Festwoche im Vatican öffentlich ausgestellt wurden. Sie hatten
von den prächtigen Goldgefäßen, von Juwelen und Kleinodien gehört, welche
dem Papste von nahe und ferne verehrt worden waren und konnten nun
den Augenblick nicht erwarten, um sich von ihnen die Augen blenden zu
lassen. Gold und Silber übt auf alle Italiener den größten Zauber. Sieht
man in einer Straße vor einem Laden eine größere Gruppe stehen, so kann
man sicher sein, daß es ein Juwelierladen sei. So drängten sich auch die


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[0215] Sie schwenkten mit den Hüten, wehten mit den Taschentüchern, fuhren mit den Armen heftig hin und her, um die Begeisterung des Volkes anzufachen. Dieses ließ sich aber nicht beirren, es blieb freundlich und wohlgesinnt, es ließ aber das ersehnte Lvviva paxa rsl nicht hören, sich zu keiner Demon¬ stration, die politisch zu deuten wäre, gebrauchen. Es hatte den Papst be¬ grüßt, es dankte ihm, als er den Segen spendete; kaum hatte aber Pio IX. die Loggia verlassen, was schon nach wenigen Minuten geschah, so verlief sich auch hastig alles Volk, ohne den Schluß des Hymnus abzuwarten. Die nächstfolgenden Festlichkeiten waren zu sehr in den hergebrachten Rahmen gespannt, als daß sie zu außerordentlichen Demonstrationen hätten Veranlassung geben können. Sie bestanden in der Girandola, die des schlechten Wetters wegen zu Ostern nicht abgebrannt wurde und nun nach¬ träglich noch in passender Weise die Jubiläumsfeier verherrlicht. Da die Girandola auf allen höheren Punkten Roms sichtbar ist. so vertheilen sich die Zuschauer und findet nirgendwo ein größerer Zusammenlauf des Volkes statt. Ebenso hatte auch die Illumination am Abende des 12. April so viele Glanzpunkte, und glichen sich die einzelnen beleuchteten Objecte in den ver¬ schiedenen Quartieren so sehr, daß zwar überall ein fröhliches Wogen der Menge, aber nirgend für die Fußgänger ein undurchdringliches Gedränge herrschte. Die Privathäuser waren höchstens mit einigen Lämpchen an den Fenstersimsen geschmückt und auch dieses nicht überall. Dagegen vereinigten sich die Bewohner der einzelnen Pfarrsprengel, böse Zungen behaupten, nicht immer aus freien Stücken, um auf größeren Plätzen architektonische Gerüste aufzuschlagen, die über und über mit Lampen bedeckt und mit Transparenten geschmückt waren. Man sah reiche Triumphbogen, Prospecte von Bauten, Z. B. von dem künftigen Eisenbahnhof und Kirchenfacaden, zu deren Dar¬ stellung der gothische Stil mit Vorliebe gewählt wurde, denn dieser erscheint dem Römer so phantastisch, daß er sich ihn als Unterlage von Illuminationen und Feuerwerken gern denkt. Abgesehen von der Einförmigkeit war die Illumination eine wahrhaft glänzende, aber freilich sind die Römer wie die Italiener überhaupt an solche Dinge längst gewöhnt, und mehr als ruhige, beschauliche Freude ließ sich ihnen auch dieses Mal nicht abgewinnen. Da¬ gegen waren sie voll Feuer und Flammen, um die Herrlichkeiten zu schauen, welche in der Festwoche im Vatican öffentlich ausgestellt wurden. Sie hatten von den prächtigen Goldgefäßen, von Juwelen und Kleinodien gehört, welche dem Papste von nahe und ferne verehrt worden waren und konnten nun den Augenblick nicht erwarten, um sich von ihnen die Augen blenden zu lassen. Gold und Silber übt auf alle Italiener den größten Zauber. Sieht man in einer Straße vor einem Laden eine größere Gruppe stehen, so kann man sicher sein, daß es ein Juwelierladen sei. So drängten sich auch die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/215>, abgerufen am 24.07.2024.