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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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neuere Berichte wissen viel von dem ungeheuren Andrang zu sagen, der um
diese Zeit in dem Holzschuppen herrscht, welcher bis jetzt den römischen Bahn¬
hof vorstellt. So unwiderstehlich Rom bis Ostern erscheint, nach dem Feste
glaubt der Fremde es hier nicht länger aushalten zu können und läßt sich
theils von der Sehnsucht nach der Heimat, theils von der Lust, im tollen
Neapel zu schwärmen, fortziehen. In diesem Jahre war es anders. Das
päpstliche Jubiläum verlängerte die römische Festzeit um vierzehn Tage. Die
Zahl der ankommenden Fremden hielt mit jenen der abreisenden gleichen
Schritt, überflügelte zuletzt diese, und wer der alten Regel treugeblieben und
gleich nach Ostern nach Neapel gegangen war. kürzte den Aufenthalt daselbst
ab und kehrte rechtzeitig zurück, um noch der Feier der Secundiz des Papstes,
seines funfzigjährigen Priesterjubiläums, beizuwohnen. Die eigenthümliche
Natur dieses Festes prägte sich allmälig in der Straßenphysiognomie aus.
In den letzten Tagen machte sich unter den fremden Zungen der westfälische
und bayerisch-östreichische Dialekt entschieden geltend, die Tracht nordischer
Geistlichen wurde häufiger gesehen, nicht allein in den Kirchen, sondern auch
in Cafe's, wo die Lebelustigeren gern einkehrten, so lange sie sich nicht von
ihren Oberen beobachtet und unter Aussicht gestellt glaubten. In der Nähe
des Jesuitencollegiums herrschte regerer Verkehr, in den inneren Hallen des¬
selben, wie Kundige versicherten, große Freude; desto ungemüthlicher war es
bei Bedeau und veuvs Köirmuä. Hier hatten die Verwandten der päpstlichen
Zuaven ihr Hauptquartier aufgeschlagen; sie verübten großen Lärm, tranken
gute Weine, sprachen schlecht Italienisch. Die Römer selbst behielten ihre
Ruhe und ihre hohen Osterpreise, namentlich für die Wagen und Droschken,
welche wie an jedem Feste sich vorzugsweise in der Richtung nach dem Vatican
bewegten. Denn daß hier die Festbühne werde ausgeschlagen werden, war
auch für Jene einleuchtend, die nicht zu den Eingeweihten gehörten. Die
letzteren haben bereits in römischen und pariser Zeitungen die Feierlichkeiten
zu beschreiben begonnen; die Eindrücke, die ein Laie empfing, mögen die fol¬
genden Zeilen schildern.

Für uns Laien begann das Fest am Samstag-Morgen, am Vortage
des Jubiläums. Etwa ein Dutzend Karren, von stattlichen Campagneochsen
gezogen, rollten langsam nach dem ersten vaticanischen Hofe. Wagen und
Thiere waren festlich mit Blumen und gelben Tüchern geschmückt, die Wagen¬
lenker in die bekannte Sonntagstracht der römischen Landleute gekleidet.
Sie brachten die Producte der verschiedenen römischen Bezirke als Geschenk
dem Landesherrn.dar. Träger mit den Opfergaben der Stadt Rom schlössen
sich ihnen an. In den unteren Hallen des Hofes des Damesus, den die
schönen Loggien Bramantes einschließen, fanden alle diese Geschenke eine ge¬
ordnete, vielbesuchte Ausstellung. Gemüse aller Art, Artischocken, Spargel,


neuere Berichte wissen viel von dem ungeheuren Andrang zu sagen, der um
diese Zeit in dem Holzschuppen herrscht, welcher bis jetzt den römischen Bahn¬
hof vorstellt. So unwiderstehlich Rom bis Ostern erscheint, nach dem Feste
glaubt der Fremde es hier nicht länger aushalten zu können und läßt sich
theils von der Sehnsucht nach der Heimat, theils von der Lust, im tollen
Neapel zu schwärmen, fortziehen. In diesem Jahre war es anders. Das
päpstliche Jubiläum verlängerte die römische Festzeit um vierzehn Tage. Die
Zahl der ankommenden Fremden hielt mit jenen der abreisenden gleichen
Schritt, überflügelte zuletzt diese, und wer der alten Regel treugeblieben und
gleich nach Ostern nach Neapel gegangen war. kürzte den Aufenthalt daselbst
ab und kehrte rechtzeitig zurück, um noch der Feier der Secundiz des Papstes,
seines funfzigjährigen Priesterjubiläums, beizuwohnen. Die eigenthümliche
Natur dieses Festes prägte sich allmälig in der Straßenphysiognomie aus.
In den letzten Tagen machte sich unter den fremden Zungen der westfälische
und bayerisch-östreichische Dialekt entschieden geltend, die Tracht nordischer
Geistlichen wurde häufiger gesehen, nicht allein in den Kirchen, sondern auch
in Cafe's, wo die Lebelustigeren gern einkehrten, so lange sie sich nicht von
ihren Oberen beobachtet und unter Aussicht gestellt glaubten. In der Nähe
des Jesuitencollegiums herrschte regerer Verkehr, in den inneren Hallen des¬
selben, wie Kundige versicherten, große Freude; desto ungemüthlicher war es
bei Bedeau und veuvs Köirmuä. Hier hatten die Verwandten der päpstlichen
Zuaven ihr Hauptquartier aufgeschlagen; sie verübten großen Lärm, tranken
gute Weine, sprachen schlecht Italienisch. Die Römer selbst behielten ihre
Ruhe und ihre hohen Osterpreise, namentlich für die Wagen und Droschken,
welche wie an jedem Feste sich vorzugsweise in der Richtung nach dem Vatican
bewegten. Denn daß hier die Festbühne werde ausgeschlagen werden, war
auch für Jene einleuchtend, die nicht zu den Eingeweihten gehörten. Die
letzteren haben bereits in römischen und pariser Zeitungen die Feierlichkeiten
zu beschreiben begonnen; die Eindrücke, die ein Laie empfing, mögen die fol¬
genden Zeilen schildern.

Für uns Laien begann das Fest am Samstag-Morgen, am Vortage
des Jubiläums. Etwa ein Dutzend Karren, von stattlichen Campagneochsen
gezogen, rollten langsam nach dem ersten vaticanischen Hofe. Wagen und
Thiere waren festlich mit Blumen und gelben Tüchern geschmückt, die Wagen¬
lenker in die bekannte Sonntagstracht der römischen Landleute gekleidet.
Sie brachten die Producte der verschiedenen römischen Bezirke als Geschenk
dem Landesherrn.dar. Träger mit den Opfergaben der Stadt Rom schlössen
sich ihnen an. In den unteren Hallen des Hofes des Damesus, den die
schönen Loggien Bramantes einschließen, fanden alle diese Geschenke eine ge¬
ordnete, vielbesuchte Ausstellung. Gemüse aller Art, Artischocken, Spargel,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/212>, abgerufen am 04.07.2024.