Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.Der dramatische Dichter und die Politik, mit einem ungedruckten Brief von Goethe. Aus der reichen Sammlung für Goethe-Literatur, welche Herr Dr. Wir stellen den Brief selbst in getreuem Abdruck voran; er ist von Goethe "Mir sind zwar schon mehrere, sich auf die Zeitumstände beziehende Grenzbotcn II. 18S9. 26
Der dramatische Dichter und die Politik, mit einem ungedruckten Brief von Goethe. Aus der reichen Sammlung für Goethe-Literatur, welche Herr Dr. Wir stellen den Brief selbst in getreuem Abdruck voran; er ist von Goethe „Mir sind zwar schon mehrere, sich auf die Zeitumstände beziehende Grenzbotcn II. 18S9. 26
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Der dramatische Dichter und die Politik,
mit einem ungedruckten Brief von Goethe.
Aus der reichen Sammlung für Goethe-Literatur, welche Herr Dr.
Hirzel in Leipzig besitzt, wird uns freundliche Mittheilung eines Briefes von
Goethe. Der Brief, zur Zeit unbekannt, ist in hohem Grade charakteristisch
für die künstlerischen Anschauungen des großen Dichters, aber auch darum
lehrreich, weil er eine der schwierigsten Fragen dramatischer Kunst berührt,
welche den Dichter der Gegenwart noch viel näher angeht, als die Schaffen¬
den des Jahres, in welchem der Brief geschrieben wurde.
Wir stellen den Brief selbst in getreuem Abdruck voran; er ist von Goethe
dictirt und unterzeichnet, von seinem Secretair geschrieben und lautet folgender¬
maßen:
„Mir sind zwar schon mehrere, sich auf die Zeitumstände beziehende
Stücke mitgetheilt worden, keines derselben aber ist so glücklich erfunden,
so heiter und zugleich so rührend ausgeführt, als das hierbei zurückfolgende.
Was jedoch die öffentliche Darstellung betrifft, so haben Ew. Wohlgeboren
selbst in Ihrem Schreiben die Gedanken, wie ich sie hege, ausgesprochen.
Das Publicum überhaupt ist gar zu geneigt, bei Arbeiten, welche eigentlich
nur ästhetisch aufgenommen werden sollten, stoffartige Beziehungen zu suchen,
und ich habe nichts dagegen, wenn in großen Städten die Theaterdirectionen
diese Neigung benutzen, bei bedeutenden Gelegenheiten die Menge aufregen,
sie anziehen und Geld einnehmen. Hier in Weimar aber habe ich seit vielen
Jahren darauf gehalten , daß man selbst das Nahe in eine solche Ferne rückt,
damit es auch als schön empfunden werden könne, wie die Gelegenheits-
gedichte bezeugen, die theils von mir, theils von Schiller verfaßt worden.
So habe ich auch z. B. sorgfältig aus den Kotzebueschen Stücken die Namen
lebender Personen ausgestrichen, es mochte nun der Verfasser ihrer lobend
oder tadelnd erwähnen. Ja die Erfahrung hat mich gelehrt, daß wenn, ent-
Grenzbotcn II. 18S9. 26
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