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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Zu diesem Zwecke kann über die Schulräume, außer der Schulzeit, zum
Besten der Schüler verfügt werden."

Das einzige Zugeständnis, das den Christlich-nationalen gemacht wurde,
war also das Wörtchen "christlich" in §. 23 obenstehenden Gesetzes, und die
schon aus dem Staatsgrundgesetz resultirende Freiheit, so viel Privatschulen
zu errichten, als man wollte. Diese Freiheit war der berechtigten Beschränkung
unterworfen, daß der Unterricht nur durch examinirte Lehrer gegeben werden
durste, und daß er von der Behörde überwacht wurde.

War einmal das Princip angenommen, daß die Sorge für den Unter¬
richt dem Staat anheimfiel, so mußte der Staat auch ein Mittel haben, um
denselben in den Privatanstalten überwachen zu können.

Dasselbe Wörtchen "christlich" hat bei dem Streit über das Schulgesetz
auch in den letzten Jahren eine große Rolle gespielt. Bei den Berathungen
in den Kammern wollten viele Abgeordnete dasselbe gestrichen sehen, da die
Staatsschule auch den Nichtchristen, namentlich den Juden, geöffnet sein müsse,
und hauptsächlich erklärten sich katholische Abgeordnete dagegen. Nach der
Erklärung der Negierung jedoch, daß mit christlichen Tugenden keine anderen
gemeint seien, als die Tugenden, die ein hauptsächlich aus Christen bestehender
Staat mit auf christlichen Principien beruhenden Einrichtungen von seinen
Bürgern verlangen müsse, der Begriff "christlich" hier also mit "bürgerlich"
ziemlich gleichbedeutend sei, beruhigte man sich über die Redaction des
Artikels.

Allgemein war man in den ersten Jahren nach dem Jahr 1857 mit dem
Schulgesetz zufrieden; nur Herr Groen van Prinsterer nicht, der jedoch als
Abgeordneter bei den übrigen Mitgliedern der Kammern keine Unterstützung
mehr fand und darum sein Mandat niederlegte, Man fand die zugestandene
Freiheit, Privatschulen ohne Erlaubniß der Behörde errichten zu dürfen, für
alle Parteien genügend. Wer mit dem Staatsunterrichte nicht zufrieden war,
konnte sich andern verschaffen. Ja, bei den Berathschlagungen über das
Staatsgrundgesetz im Jahre 1848 hatte die conservative Partei (die Christlich-
Nationalen bestanden damals noch nicht) gegen die Freiheit, die das liberale
Ministerium den Privatschulen gewähren wollte, opponire und zwar, aus
Furcht davor, daß kirchliche 'Behörden und Genossenschaften Sectenschulen
errichten und dadurch den Staatsschulen nachtheilig werden könnten.

Wie ist es nun dem Herrn Groen van Prinsterer gelungen, eine förm¬
liche Agitation gegen dieses Schulgesetz, das sowohl auf der Tradition als
auf dem Charakter des Volks beruhte, ins Leben zu rufen? Nach dem Zu¬
standekommen des Schulgesetzes forderte er überall zur Errichtung von Ver¬
einen "für christlich-nationalen Unterricht" auf, die auch an vielen Orten ent¬
standen. Jedoch stellten sich der Errichtung und Erhaltung der beabsich-


Zu diesem Zwecke kann über die Schulräume, außer der Schulzeit, zum
Besten der Schüler verfügt werden."

Das einzige Zugeständnis, das den Christlich-nationalen gemacht wurde,
war also das Wörtchen „christlich" in §. 23 obenstehenden Gesetzes, und die
schon aus dem Staatsgrundgesetz resultirende Freiheit, so viel Privatschulen
zu errichten, als man wollte. Diese Freiheit war der berechtigten Beschränkung
unterworfen, daß der Unterricht nur durch examinirte Lehrer gegeben werden
durste, und daß er von der Behörde überwacht wurde.

War einmal das Princip angenommen, daß die Sorge für den Unter¬
richt dem Staat anheimfiel, so mußte der Staat auch ein Mittel haben, um
denselben in den Privatanstalten überwachen zu können.

Dasselbe Wörtchen „christlich" hat bei dem Streit über das Schulgesetz
auch in den letzten Jahren eine große Rolle gespielt. Bei den Berathungen
in den Kammern wollten viele Abgeordnete dasselbe gestrichen sehen, da die
Staatsschule auch den Nichtchristen, namentlich den Juden, geöffnet sein müsse,
und hauptsächlich erklärten sich katholische Abgeordnete dagegen. Nach der
Erklärung der Negierung jedoch, daß mit christlichen Tugenden keine anderen
gemeint seien, als die Tugenden, die ein hauptsächlich aus Christen bestehender
Staat mit auf christlichen Principien beruhenden Einrichtungen von seinen
Bürgern verlangen müsse, der Begriff „christlich" hier also mit „bürgerlich"
ziemlich gleichbedeutend sei, beruhigte man sich über die Redaction des
Artikels.

Allgemein war man in den ersten Jahren nach dem Jahr 1857 mit dem
Schulgesetz zufrieden; nur Herr Groen van Prinsterer nicht, der jedoch als
Abgeordneter bei den übrigen Mitgliedern der Kammern keine Unterstützung
mehr fand und darum sein Mandat niederlegte, Man fand die zugestandene
Freiheit, Privatschulen ohne Erlaubniß der Behörde errichten zu dürfen, für
alle Parteien genügend. Wer mit dem Staatsunterrichte nicht zufrieden war,
konnte sich andern verschaffen. Ja, bei den Berathschlagungen über das
Staatsgrundgesetz im Jahre 1848 hatte die conservative Partei (die Christlich-
Nationalen bestanden damals noch nicht) gegen die Freiheit, die das liberale
Ministerium den Privatschulen gewähren wollte, opponire und zwar, aus
Furcht davor, daß kirchliche 'Behörden und Genossenschaften Sectenschulen
errichten und dadurch den Staatsschulen nachtheilig werden könnten.

Wie ist es nun dem Herrn Groen van Prinsterer gelungen, eine förm¬
liche Agitation gegen dieses Schulgesetz, das sowohl auf der Tradition als
auf dem Charakter des Volks beruhte, ins Leben zu rufen? Nach dem Zu¬
standekommen des Schulgesetzes forderte er überall zur Errichtung von Ver¬
einen „für christlich-nationalen Unterricht" auf, die auch an vielen Orten ent¬
standen. Jedoch stellten sich der Errichtung und Erhaltung der beabsich-


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[0178] Zu diesem Zwecke kann über die Schulräume, außer der Schulzeit, zum Besten der Schüler verfügt werden." Das einzige Zugeständnis, das den Christlich-nationalen gemacht wurde, war also das Wörtchen „christlich" in §. 23 obenstehenden Gesetzes, und die schon aus dem Staatsgrundgesetz resultirende Freiheit, so viel Privatschulen zu errichten, als man wollte. Diese Freiheit war der berechtigten Beschränkung unterworfen, daß der Unterricht nur durch examinirte Lehrer gegeben werden durste, und daß er von der Behörde überwacht wurde. War einmal das Princip angenommen, daß die Sorge für den Unter¬ richt dem Staat anheimfiel, so mußte der Staat auch ein Mittel haben, um denselben in den Privatanstalten überwachen zu können. Dasselbe Wörtchen „christlich" hat bei dem Streit über das Schulgesetz auch in den letzten Jahren eine große Rolle gespielt. Bei den Berathungen in den Kammern wollten viele Abgeordnete dasselbe gestrichen sehen, da die Staatsschule auch den Nichtchristen, namentlich den Juden, geöffnet sein müsse, und hauptsächlich erklärten sich katholische Abgeordnete dagegen. Nach der Erklärung der Negierung jedoch, daß mit christlichen Tugenden keine anderen gemeint seien, als die Tugenden, die ein hauptsächlich aus Christen bestehender Staat mit auf christlichen Principien beruhenden Einrichtungen von seinen Bürgern verlangen müsse, der Begriff „christlich" hier also mit „bürgerlich" ziemlich gleichbedeutend sei, beruhigte man sich über die Redaction des Artikels. Allgemein war man in den ersten Jahren nach dem Jahr 1857 mit dem Schulgesetz zufrieden; nur Herr Groen van Prinsterer nicht, der jedoch als Abgeordneter bei den übrigen Mitgliedern der Kammern keine Unterstützung mehr fand und darum sein Mandat niederlegte, Man fand die zugestandene Freiheit, Privatschulen ohne Erlaubniß der Behörde errichten zu dürfen, für alle Parteien genügend. Wer mit dem Staatsunterrichte nicht zufrieden war, konnte sich andern verschaffen. Ja, bei den Berathschlagungen über das Staatsgrundgesetz im Jahre 1848 hatte die conservative Partei (die Christlich- Nationalen bestanden damals noch nicht) gegen die Freiheit, die das liberale Ministerium den Privatschulen gewähren wollte, opponire und zwar, aus Furcht davor, daß kirchliche 'Behörden und Genossenschaften Sectenschulen errichten und dadurch den Staatsschulen nachtheilig werden könnten. Wie ist es nun dem Herrn Groen van Prinsterer gelungen, eine förm¬ liche Agitation gegen dieses Schulgesetz, das sowohl auf der Tradition als auf dem Charakter des Volks beruhte, ins Leben zu rufen? Nach dem Zu¬ standekommen des Schulgesetzes forderte er überall zur Errichtung von Ver¬ einen „für christlich-nationalen Unterricht" auf, die auch an vielen Orten ent¬ standen. Jedoch stellten sich der Errichtung und Erhaltung der beabsich-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/178>, abgerufen am 24.07.2024.