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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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der Berliner und der Bremische, beginnen für Kosthäuser und Pensionen für
unselbständige Frauen, sowie für die Veredelung der geselligen Vergnügungen
weiblicher Personen zu sorgen.

Zum Theil dem Einfluß dieser Vereine wird es zu danken sein, daß,
ähnlich wie in England, Frankreich und Nordamerika, so auch in mehreren
deutschen Staaten Frauen im Staats-, Post-, Telegraphen- und Eisenbahn¬
dienste vewender werden.

So beschäftigte der Telegraphendienst des Großherzogthums Baden be¬
reits im Sommer vorigen Jahres 61 Frauen und gewährte ihnen ein durch¬
schnittliches Jahreseinkommen von 440 bis 490 si., und auch im Eisenbahn-
Expedilionsdienst des genannten Landes ist ein gelungener Anfang mit der
Verwendung von Frauenkräften gemacht. Ueberall beweisen die Frauen eine
vorzügliche Befähigung für derartige Verrichtungen.

Mit dem Loose der Fabrikarbeiterinnen haben sich die deutschen Frauen¬
vereine unmittelbar noch nirgends beschäftigt. Sie werden sicher auch diesen
Gegenstand in das Bereich ihrer Wirksamkeit ziehen müssen, und dann an
der trefflich eingerichteten Pensionsanstalt für Fabrikarbeiterinnen, welche die
Herren Karl Mez Söhne in Freiburg i. B. begründet haben, oder an
der von Herrn Richter-Linder in Basel begründeten Pension in seiner Schirm¬
fabrik bei Basel, nachahmenswerthe Musterinstitute finden.

Diese, wenn auch nur flüchtige Uebersicht gewährt uns die Beruhigung,
daß unser, mit großem Unrecht als materialistisch verschrieenes Zeitalter neben
anderen auch diese große Culturaufgabe, die Aufgabe nämlich, den Frauen
zu der ihnen gebührenden wirthschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung zu
verhelfen, mit Ernst und Hingabe erfaßt, und ihrer Lösung bereits gute
Kräfte gewidmet hat. Zugleich ersehen wir daraus, daß die positiven Er¬
folge, nicht zwar im Vergleich mit den aufgewandten Kräften, aber im Ver¬
gleich mit dem angestrebten Ziele, noch sehr geringfügig sind. Aber mit
den Traditionen von Jahrtausenden, mit Schäden, die sich unbeachtet seit
vielen Generationen in unser Volksleben ein gefressen haben, dürfen wir nicht
hoffen, im ersten Anlaufe fertig zu werden. Dazu bedarf es ruhiger, ener¬
gischer und geduldiger Arbeit, bei der abermals Generationen ausharren
müssen.


A. Emminghaus.


der Berliner und der Bremische, beginnen für Kosthäuser und Pensionen für
unselbständige Frauen, sowie für die Veredelung der geselligen Vergnügungen
weiblicher Personen zu sorgen.

Zum Theil dem Einfluß dieser Vereine wird es zu danken sein, daß,
ähnlich wie in England, Frankreich und Nordamerika, so auch in mehreren
deutschen Staaten Frauen im Staats-, Post-, Telegraphen- und Eisenbahn¬
dienste vewender werden.

So beschäftigte der Telegraphendienst des Großherzogthums Baden be¬
reits im Sommer vorigen Jahres 61 Frauen und gewährte ihnen ein durch¬
schnittliches Jahreseinkommen von 440 bis 490 si., und auch im Eisenbahn-
Expedilionsdienst des genannten Landes ist ein gelungener Anfang mit der
Verwendung von Frauenkräften gemacht. Ueberall beweisen die Frauen eine
vorzügliche Befähigung für derartige Verrichtungen.

Mit dem Loose der Fabrikarbeiterinnen haben sich die deutschen Frauen¬
vereine unmittelbar noch nirgends beschäftigt. Sie werden sicher auch diesen
Gegenstand in das Bereich ihrer Wirksamkeit ziehen müssen, und dann an
der trefflich eingerichteten Pensionsanstalt für Fabrikarbeiterinnen, welche die
Herren Karl Mez Söhne in Freiburg i. B. begründet haben, oder an
der von Herrn Richter-Linder in Basel begründeten Pension in seiner Schirm¬
fabrik bei Basel, nachahmenswerthe Musterinstitute finden.

Diese, wenn auch nur flüchtige Uebersicht gewährt uns die Beruhigung,
daß unser, mit großem Unrecht als materialistisch verschrieenes Zeitalter neben
anderen auch diese große Culturaufgabe, die Aufgabe nämlich, den Frauen
zu der ihnen gebührenden wirthschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung zu
verhelfen, mit Ernst und Hingabe erfaßt, und ihrer Lösung bereits gute
Kräfte gewidmet hat. Zugleich ersehen wir daraus, daß die positiven Er¬
folge, nicht zwar im Vergleich mit den aufgewandten Kräften, aber im Ver¬
gleich mit dem angestrebten Ziele, noch sehr geringfügig sind. Aber mit
den Traditionen von Jahrtausenden, mit Schäden, die sich unbeachtet seit
vielen Generationen in unser Volksleben ein gefressen haben, dürfen wir nicht
hoffen, im ersten Anlaufe fertig zu werden. Dazu bedarf es ruhiger, ener¬
gischer und geduldiger Arbeit, bei der abermals Generationen ausharren
müssen.


A. Emminghaus.


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[0152] der Berliner und der Bremische, beginnen für Kosthäuser und Pensionen für unselbständige Frauen, sowie für die Veredelung der geselligen Vergnügungen weiblicher Personen zu sorgen. Zum Theil dem Einfluß dieser Vereine wird es zu danken sein, daß, ähnlich wie in England, Frankreich und Nordamerika, so auch in mehreren deutschen Staaten Frauen im Staats-, Post-, Telegraphen- und Eisenbahn¬ dienste vewender werden. So beschäftigte der Telegraphendienst des Großherzogthums Baden be¬ reits im Sommer vorigen Jahres 61 Frauen und gewährte ihnen ein durch¬ schnittliches Jahreseinkommen von 440 bis 490 si., und auch im Eisenbahn- Expedilionsdienst des genannten Landes ist ein gelungener Anfang mit der Verwendung von Frauenkräften gemacht. Ueberall beweisen die Frauen eine vorzügliche Befähigung für derartige Verrichtungen. Mit dem Loose der Fabrikarbeiterinnen haben sich die deutschen Frauen¬ vereine unmittelbar noch nirgends beschäftigt. Sie werden sicher auch diesen Gegenstand in das Bereich ihrer Wirksamkeit ziehen müssen, und dann an der trefflich eingerichteten Pensionsanstalt für Fabrikarbeiterinnen, welche die Herren Karl Mez Söhne in Freiburg i. B. begründet haben, oder an der von Herrn Richter-Linder in Basel begründeten Pension in seiner Schirm¬ fabrik bei Basel, nachahmenswerthe Musterinstitute finden. Diese, wenn auch nur flüchtige Uebersicht gewährt uns die Beruhigung, daß unser, mit großem Unrecht als materialistisch verschrieenes Zeitalter neben anderen auch diese große Culturaufgabe, die Aufgabe nämlich, den Frauen zu der ihnen gebührenden wirthschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung zu verhelfen, mit Ernst und Hingabe erfaßt, und ihrer Lösung bereits gute Kräfte gewidmet hat. Zugleich ersehen wir daraus, daß die positiven Er¬ folge, nicht zwar im Vergleich mit den aufgewandten Kräften, aber im Ver¬ gleich mit dem angestrebten Ziele, noch sehr geringfügig sind. Aber mit den Traditionen von Jahrtausenden, mit Schäden, die sich unbeachtet seit vielen Generationen in unser Volksleben ein gefressen haben, dürfen wir nicht hoffen, im ersten Anlaufe fertig zu werden. Dazu bedarf es ruhiger, ener¬ gischer und geduldiger Arbeit, bei der abermals Generationen ausharren müssen. A. Emminghaus.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/152>, abgerufen am 24.07.2024.