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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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von den amerikanischen Männern das zuvorkommende, decente und rück-
sichtsvolle Benehmen gegen Frauen, welches diesen gestattet, so sicher
und furchtlos aufzutreten, wie es den Frauen überall dringend noth thut,
wenn sie sich ihre eigene freie und sichere Stellung im Leben erobern
wollen.

Daß er der Vereinsthätigkeit zur Besserung der Lage des weiblichen
Geschlechtes in Amerika kaum, höchstens in den größten Städten, bedarf,
begreift sich leicht.

In Deutschland dagegen sind wir ganz vorzugsweise auf Vereins¬
hülfe angewiesen, und mit Genugthuung dürfen wir uns gestehen, daß sich
in allen Gegenden unseres Vaterlandes mehr und mehr eine wohlorganisirte,
zielbewußte Vereinsthätigkeit zur Lösung der Frauenfrage entfaltet.

Seit länger als einem halben Jahrhundert sehen wir edle deutsche Für¬
stinnen an der Spitze solcher Unternehmungen, die auf die Hebung der wirth¬
schaftlichen und gesellschaftlichen Stellung des weiblichen Geschlechts berech¬
net sind.

Derartige Bestrebungen erwachten zuerst unter dem Druck der Fremd¬
herrschaft und dann in der großen, eine verjüngende Begeisterung über unser
Volk ausgießenden Epoche der Befreiungskriege.

Unsere ältesten Frauenvereine, wie sie von deutschen Frauen, in deren
Herzen das Vorbild der volkschümlichen Königin Louise lebendig wirkte, be¬
gründet waren, richteten ihre Wirksamkeit zunächst auf Bestreitung der Kriegs¬
lasten, Verpflegung der Verwundeten und Versorgung der im Kriege ver-
waisten Kinder, später vorzugsweise auf Unterstützung der Armen, Beschäf¬
tigung der Arbeitslosen und Erziehung der Jugend.

Von Preußen aus verbreiteten sich diese für die Veredelung des wirth¬
schaftlichen Lebens höchst wichtigen Vereine auch über andere Gegenden unseres
Vaterlandes und nahmen dann auch eine etwas andere, unmittelbarer der
praktischen Erziehung des weiblichen Geschlechtes zugewandte Tendenz an.
So wirkte an der Spitze einer von ihr gegründeten Frauenvereins-Organi-
sation ein ganzes Menschenalter hindurch die Frau Großfürstin Maria
Pawlowna, Großherzogin von Sachsen-Weimar, segensreichen Andenkens.
Fast in jedem Orte des Ländchens bestanden Frauenvereine und von diesen
geleitete Mädchen-Arbeitsschulen. Noch jetzt rühmen in diesem Theile
unseres Vaterlandes die Armen das Andenken dieser fürstlichen Frau,
die durch ihre Fürsorge Vielen zu einer glücklichen Existenz verholfen hat.

Nach und nach fing man an, sein Augenmerk nicht nur den ärmeren,
sondern auch anderen Classen der weiblichen Bevölkerung zuzuwenden.

Bedeutsam war für diese Bestrebungen das Aufkommen der Kinder¬
gärten nach Friedrich Fröbel's Plan. Nicht nur, daß sie einer großen


von den amerikanischen Männern das zuvorkommende, decente und rück-
sichtsvolle Benehmen gegen Frauen, welches diesen gestattet, so sicher
und furchtlos aufzutreten, wie es den Frauen überall dringend noth thut,
wenn sie sich ihre eigene freie und sichere Stellung im Leben erobern
wollen.

Daß er der Vereinsthätigkeit zur Besserung der Lage des weiblichen
Geschlechtes in Amerika kaum, höchstens in den größten Städten, bedarf,
begreift sich leicht.

In Deutschland dagegen sind wir ganz vorzugsweise auf Vereins¬
hülfe angewiesen, und mit Genugthuung dürfen wir uns gestehen, daß sich
in allen Gegenden unseres Vaterlandes mehr und mehr eine wohlorganisirte,
zielbewußte Vereinsthätigkeit zur Lösung der Frauenfrage entfaltet.

Seit länger als einem halben Jahrhundert sehen wir edle deutsche Für¬
stinnen an der Spitze solcher Unternehmungen, die auf die Hebung der wirth¬
schaftlichen und gesellschaftlichen Stellung des weiblichen Geschlechts berech¬
net sind.

Derartige Bestrebungen erwachten zuerst unter dem Druck der Fremd¬
herrschaft und dann in der großen, eine verjüngende Begeisterung über unser
Volk ausgießenden Epoche der Befreiungskriege.

Unsere ältesten Frauenvereine, wie sie von deutschen Frauen, in deren
Herzen das Vorbild der volkschümlichen Königin Louise lebendig wirkte, be¬
gründet waren, richteten ihre Wirksamkeit zunächst auf Bestreitung der Kriegs¬
lasten, Verpflegung der Verwundeten und Versorgung der im Kriege ver-
waisten Kinder, später vorzugsweise auf Unterstützung der Armen, Beschäf¬
tigung der Arbeitslosen und Erziehung der Jugend.

Von Preußen aus verbreiteten sich diese für die Veredelung des wirth¬
schaftlichen Lebens höchst wichtigen Vereine auch über andere Gegenden unseres
Vaterlandes und nahmen dann auch eine etwas andere, unmittelbarer der
praktischen Erziehung des weiblichen Geschlechtes zugewandte Tendenz an.
So wirkte an der Spitze einer von ihr gegründeten Frauenvereins-Organi-
sation ein ganzes Menschenalter hindurch die Frau Großfürstin Maria
Pawlowna, Großherzogin von Sachsen-Weimar, segensreichen Andenkens.
Fast in jedem Orte des Ländchens bestanden Frauenvereine und von diesen
geleitete Mädchen-Arbeitsschulen. Noch jetzt rühmen in diesem Theile
unseres Vaterlandes die Armen das Andenken dieser fürstlichen Frau,
die durch ihre Fürsorge Vielen zu einer glücklichen Existenz verholfen hat.

Nach und nach fing man an, sein Augenmerk nicht nur den ärmeren,
sondern auch anderen Classen der weiblichen Bevölkerung zuzuwenden.

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gärten nach Friedrich Fröbel's Plan. Nicht nur, daß sie einer großen


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[0150] von den amerikanischen Männern das zuvorkommende, decente und rück- sichtsvolle Benehmen gegen Frauen, welches diesen gestattet, so sicher und furchtlos aufzutreten, wie es den Frauen überall dringend noth thut, wenn sie sich ihre eigene freie und sichere Stellung im Leben erobern wollen. Daß er der Vereinsthätigkeit zur Besserung der Lage des weiblichen Geschlechtes in Amerika kaum, höchstens in den größten Städten, bedarf, begreift sich leicht. In Deutschland dagegen sind wir ganz vorzugsweise auf Vereins¬ hülfe angewiesen, und mit Genugthuung dürfen wir uns gestehen, daß sich in allen Gegenden unseres Vaterlandes mehr und mehr eine wohlorganisirte, zielbewußte Vereinsthätigkeit zur Lösung der Frauenfrage entfaltet. Seit länger als einem halben Jahrhundert sehen wir edle deutsche Für¬ stinnen an der Spitze solcher Unternehmungen, die auf die Hebung der wirth¬ schaftlichen und gesellschaftlichen Stellung des weiblichen Geschlechts berech¬ net sind. Derartige Bestrebungen erwachten zuerst unter dem Druck der Fremd¬ herrschaft und dann in der großen, eine verjüngende Begeisterung über unser Volk ausgießenden Epoche der Befreiungskriege. Unsere ältesten Frauenvereine, wie sie von deutschen Frauen, in deren Herzen das Vorbild der volkschümlichen Königin Louise lebendig wirkte, be¬ gründet waren, richteten ihre Wirksamkeit zunächst auf Bestreitung der Kriegs¬ lasten, Verpflegung der Verwundeten und Versorgung der im Kriege ver- waisten Kinder, später vorzugsweise auf Unterstützung der Armen, Beschäf¬ tigung der Arbeitslosen und Erziehung der Jugend. Von Preußen aus verbreiteten sich diese für die Veredelung des wirth¬ schaftlichen Lebens höchst wichtigen Vereine auch über andere Gegenden unseres Vaterlandes und nahmen dann auch eine etwas andere, unmittelbarer der praktischen Erziehung des weiblichen Geschlechtes zugewandte Tendenz an. So wirkte an der Spitze einer von ihr gegründeten Frauenvereins-Organi- sation ein ganzes Menschenalter hindurch die Frau Großfürstin Maria Pawlowna, Großherzogin von Sachsen-Weimar, segensreichen Andenkens. Fast in jedem Orte des Ländchens bestanden Frauenvereine und von diesen geleitete Mädchen-Arbeitsschulen. Noch jetzt rühmen in diesem Theile unseres Vaterlandes die Armen das Andenken dieser fürstlichen Frau, die durch ihre Fürsorge Vielen zu einer glücklichen Existenz verholfen hat. Nach und nach fing man an, sein Augenmerk nicht nur den ärmeren, sondern auch anderen Classen der weiblichen Bevölkerung zuzuwenden. Bedeutsam war für diese Bestrebungen das Aufkommen der Kinder¬ gärten nach Friedrich Fröbel's Plan. Nicht nur, daß sie einer großen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/150>, abgerufen am 24.07.2024.