Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.Reichsgrenzen Andersgläubige zu ihrer Kirche zu bekehren. 5) Unbekannte Die oben erwähnten Conversionen hatten in den I. 184S--1848 statt¬ Zunächst begann ein förmlicher Kampf zwischen der griechischen Geist¬ Reichsgrenzen Andersgläubige zu ihrer Kirche zu bekehren. 5) Unbekannte Die oben erwähnten Conversionen hatten in den I. 184S—1848 statt¬ Zunächst begann ein förmlicher Kampf zwischen der griechischen Geist¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0015" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120702"/> <p xml:id="ID_29" prev="#ID_28"> Reichsgrenzen Andersgläubige zu ihrer Kirche zu bekehren. 5) Unbekannte<lb/> Personen dürfen von lutherischen Geistlichen zum Abendmahl nur zugelassen<lb/> werden, wenn sie einen Revers darüber unterzeichnen, daß sie nicht zur grie¬<lb/> chischen Kirche gehören.</p><lb/> <p xml:id="ID_30"> Die oben erwähnten Conversionen hatten in den I. 184S—1848 statt¬<lb/> gefunden, jeder Widerstand war auf Grund der oben angeführten Gesetzes¬<lb/> bestimmungen gewaltsam niedergeschlagen worden. Aber schon wenig später<lb/> trat unter der Mehrzahl der Convertiten eine entschiedene und constant zu¬<lb/> nehmende Reaction gegen die arti-protestantische Bewegung ein. Der gegen¬<lb/> wärtig regierende Kaiser, damalige Thronfolger, hatte im I. 1846 den Erlaß<lb/> einer Vorschrift erwirkt, welche zur Vorbeugung leichtfertigen Religionswech¬<lb/> sels eine sechsmonatliche Frist vorschrieb, die vergehen sollte, bevor die<lb/> Uebertnttslustigen förmlich in die griechische Kirche aufgenommen würden. Da<lb/> die Converstonsbewegung von Hause aus den Charakter fieberhaften Taumels<lb/> und urtheilsloser Gier nach weltlichen Vortheilen getragen hatte, war bereits<lb/> diese Vorschrift von nachhaltiger Wirkung gewesen. Wichtiger noch war<lb/> es, daß die mit Land und Leuten unbekannte, der Nationalsprachen kaum<lb/> mächtige griechische Geistlichkeit nicht verstand, dem relativ gebildeten reli¬<lb/> giösen Bedürfniß der Letten und Ehlen zu entsprechen; der Mangel an Schulen<lb/> für die Kinder und brauchbarer religiöser Schriften für die Erwachsenen ge¬<lb/> nügte allein, Tausende nach kurzer Frist den voreilig gethanen Schritt<lb/> bereuen zu lassen. Wahrhaft entscheidend wurde aber erst das Verhalten,<lb/> das der griechische Clerus gegen einzelne Personen einschlug, die aus<lb/> ihrem abermaligen Gesinnungswechsel kein Hehl machten. Kaum war be¬<lb/> kannt geworden, daß griechische Geistliche Kinder, deren Eltern dieselben<lb/> der lutherischen Kirche erhalten wollten, zwangsweise getauft, hie und da<lb/> lutherisch gebliebene junge Leute als Convertiten reclamirt, in andern Fällen<lb/> die Landpolizei requirirt hatten, um säumige Communicanten zwangsweise,<lb/> ja unter Androhung von Ruthenstrafe „zur Erfüllung der christlichen Pflicht"<lb/> zu nöthigen, so wurde die Lauheit der Convertiten gegen ihre neue Kirche<lb/> in förmlichen Haß gegen diese und ihre Diener verwandelt. Die rasch er¬<lb/> bauten griechisch-orthodoxen Tempel blieben leer, während Tausende zur<lb/> griechischen Kirche gehörige Personen das verlassene lutherische Gotteshaus<lb/> eifriger denn je aufsuchten und ihren Abfall von der Kirche der Väter bitter¬<lb/> lich bereuten.</p><lb/> <p xml:id="ID_31" next="#ID_32"> Zunächst begann ein förmlicher Kampf zwischen der griechischen Geist¬<lb/> lichkeit und dem Haupttheil ihrer ländlichen Gemeinden. Konnte der Kirchen¬<lb/> besuch auch nicht erzwungen werden, so bestanden doch Gesetze, welche den jähr¬<lb/> lichen Genuß der Sacramente. sowie die Taufe der von griechischen Männern<lb/> und Frauen erzeugten Kinder forderten, die Unterlassung mit schweren Strafen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
Reichsgrenzen Andersgläubige zu ihrer Kirche zu bekehren. 5) Unbekannte
Personen dürfen von lutherischen Geistlichen zum Abendmahl nur zugelassen
werden, wenn sie einen Revers darüber unterzeichnen, daß sie nicht zur grie¬
chischen Kirche gehören.
Die oben erwähnten Conversionen hatten in den I. 184S—1848 statt¬
gefunden, jeder Widerstand war auf Grund der oben angeführten Gesetzes¬
bestimmungen gewaltsam niedergeschlagen worden. Aber schon wenig später
trat unter der Mehrzahl der Convertiten eine entschiedene und constant zu¬
nehmende Reaction gegen die arti-protestantische Bewegung ein. Der gegen¬
wärtig regierende Kaiser, damalige Thronfolger, hatte im I. 1846 den Erlaß
einer Vorschrift erwirkt, welche zur Vorbeugung leichtfertigen Religionswech¬
sels eine sechsmonatliche Frist vorschrieb, die vergehen sollte, bevor die
Uebertnttslustigen förmlich in die griechische Kirche aufgenommen würden. Da
die Converstonsbewegung von Hause aus den Charakter fieberhaften Taumels
und urtheilsloser Gier nach weltlichen Vortheilen getragen hatte, war bereits
diese Vorschrift von nachhaltiger Wirkung gewesen. Wichtiger noch war
es, daß die mit Land und Leuten unbekannte, der Nationalsprachen kaum
mächtige griechische Geistlichkeit nicht verstand, dem relativ gebildeten reli¬
giösen Bedürfniß der Letten und Ehlen zu entsprechen; der Mangel an Schulen
für die Kinder und brauchbarer religiöser Schriften für die Erwachsenen ge¬
nügte allein, Tausende nach kurzer Frist den voreilig gethanen Schritt
bereuen zu lassen. Wahrhaft entscheidend wurde aber erst das Verhalten,
das der griechische Clerus gegen einzelne Personen einschlug, die aus
ihrem abermaligen Gesinnungswechsel kein Hehl machten. Kaum war be¬
kannt geworden, daß griechische Geistliche Kinder, deren Eltern dieselben
der lutherischen Kirche erhalten wollten, zwangsweise getauft, hie und da
lutherisch gebliebene junge Leute als Convertiten reclamirt, in andern Fällen
die Landpolizei requirirt hatten, um säumige Communicanten zwangsweise,
ja unter Androhung von Ruthenstrafe „zur Erfüllung der christlichen Pflicht"
zu nöthigen, so wurde die Lauheit der Convertiten gegen ihre neue Kirche
in förmlichen Haß gegen diese und ihre Diener verwandelt. Die rasch er¬
bauten griechisch-orthodoxen Tempel blieben leer, während Tausende zur
griechischen Kirche gehörige Personen das verlassene lutherische Gotteshaus
eifriger denn je aufsuchten und ihren Abfall von der Kirche der Väter bitter¬
lich bereuten.
Zunächst begann ein förmlicher Kampf zwischen der griechischen Geist¬
lichkeit und dem Haupttheil ihrer ländlichen Gemeinden. Konnte der Kirchen¬
besuch auch nicht erzwungen werden, so bestanden doch Gesetze, welche den jähr¬
lichen Genuß der Sacramente. sowie die Taufe der von griechischen Männern
und Frauen erzeugten Kinder forderten, die Unterlassung mit schweren Strafen
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