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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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sten Theilen von Europa und der neuen Welt an die Lösung der
sogenannten Frauenfrage Hand angelegt worden sei -- ein Beweis sür das
überall dringend empfundene Bedürfniß, eine Mahnung für diejenigen unter
den Berufenen, welche noch säumen, ihre Kräfte der großen Bewegung zu
widmen.

In Petersburg war man zur Zeit der Berichterstattung mit der
Herausgabe einer Frauenzeitung, mit der Begründung eines Arbeitsnachwei¬
sungsbureaus, einer Gewerbeschule und eines Lesezimmers sür Frauen be¬
schäftigt. Zwei junge Russinnen waren damals im Begriff, sich für den
ärztlichen Beruf auszubilden. Wir erinnern uns Alle noch der Nachricht von
der im Jahre 1867 stattgehabten Doctorpromotion des Fräulein Nadeschda
Suslowa an der Universität zu Zürich.

In Skandinavien knüpft sich Alles, was in neuerer Zeit zur
Verbesserung der Stellung der Frauen geschehen, an den Namen der
schwedischen Schriftstellerin. Friederike Bremer, die mit unermüdlichem
Eiser für die rechtliche und gesellschaftliche Befreiung ihres Geschlechts ge¬
kämpft und das Glück gehabt hat, in grundsätzlichen Reformen der weiblichen
Erziehung, in der Beseitigung gesetzlicher Beschränkungen der Frauenarbeit,
in der üblich gewordenen Verwendung von Frauenkräften im Post-, Eisen¬
bahn- und Telegraphendienst günstige Erfolge ihrer vielfachen Bemühungen
noch zu erleben.

Von Belgien und Holland weiß Fräulein Hirsch wenig zu berichten;
daß in der Schweiz die Frauenfrage nicht zu den dringlichen Tagesfragen
gehört, scheint ihr erklärlich, da dort in vielen und besonders blühenden
Zweigen der Großindustrie -- der Uhrenfabrikation, der Strohflechterei,
Seidenbandweberei, Weißfeinstickerei und Bijouteriewaarenfabrikation -- schon
seit geraumer Zeit Frauenkräfte lohnende Beschäftigung finden, und die ander¬
wärts gegen die gewerbliche Mitwirkung der Frauen bestehenden starren Vor-
uitheile längst überwunden sind.

In Frankreich trifft das Letztere, wie bekannt, noch in höherem Maße
zu. Hier in der That hat die Frau Zutritt zu jeder Arbeit, deren sie fähig
ist. Wir wissen, daß in verschiedenen Gewerben beschäftigte Arbeiterinnen
den zehnten Theil der Bevölkerung von Paris ausmachen. Die französische
Abtheilung der 67er Weltausstellung hatte fast in allen Gruppen wahrhafte
Triumphe der Frauenarbeit aufzuweisen, und mit Vergnügen wird sich jeder
Besucher des Ausstellungspalastes jener kleinen Werkstätten erinnern, in denen
Frauen mit wunderbarer Geschicklichkeit und Anmuth, hie und da unterstützt
durch sinnreiche Werkzeugmaschinen, die mannichfaltigsten industriellen Arbeiten
verrichteten.

Nichtsdestoweniger vernehmen wir fort und fort aus dem Munde un-


sten Theilen von Europa und der neuen Welt an die Lösung der
sogenannten Frauenfrage Hand angelegt worden sei — ein Beweis sür das
überall dringend empfundene Bedürfniß, eine Mahnung für diejenigen unter
den Berufenen, welche noch säumen, ihre Kräfte der großen Bewegung zu
widmen.

In Petersburg war man zur Zeit der Berichterstattung mit der
Herausgabe einer Frauenzeitung, mit der Begründung eines Arbeitsnachwei¬
sungsbureaus, einer Gewerbeschule und eines Lesezimmers sür Frauen be¬
schäftigt. Zwei junge Russinnen waren damals im Begriff, sich für den
ärztlichen Beruf auszubilden. Wir erinnern uns Alle noch der Nachricht von
der im Jahre 1867 stattgehabten Doctorpromotion des Fräulein Nadeschda
Suslowa an der Universität zu Zürich.

In Skandinavien knüpft sich Alles, was in neuerer Zeit zur
Verbesserung der Stellung der Frauen geschehen, an den Namen der
schwedischen Schriftstellerin. Friederike Bremer, die mit unermüdlichem
Eiser für die rechtliche und gesellschaftliche Befreiung ihres Geschlechts ge¬
kämpft und das Glück gehabt hat, in grundsätzlichen Reformen der weiblichen
Erziehung, in der Beseitigung gesetzlicher Beschränkungen der Frauenarbeit,
in der üblich gewordenen Verwendung von Frauenkräften im Post-, Eisen¬
bahn- und Telegraphendienst günstige Erfolge ihrer vielfachen Bemühungen
noch zu erleben.

Von Belgien und Holland weiß Fräulein Hirsch wenig zu berichten;
daß in der Schweiz die Frauenfrage nicht zu den dringlichen Tagesfragen
gehört, scheint ihr erklärlich, da dort in vielen und besonders blühenden
Zweigen der Großindustrie — der Uhrenfabrikation, der Strohflechterei,
Seidenbandweberei, Weißfeinstickerei und Bijouteriewaarenfabrikation — schon
seit geraumer Zeit Frauenkräfte lohnende Beschäftigung finden, und die ander¬
wärts gegen die gewerbliche Mitwirkung der Frauen bestehenden starren Vor-
uitheile längst überwunden sind.

In Frankreich trifft das Letztere, wie bekannt, noch in höherem Maße
zu. Hier in der That hat die Frau Zutritt zu jeder Arbeit, deren sie fähig
ist. Wir wissen, daß in verschiedenen Gewerben beschäftigte Arbeiterinnen
den zehnten Theil der Bevölkerung von Paris ausmachen. Die französische
Abtheilung der 67er Weltausstellung hatte fast in allen Gruppen wahrhafte
Triumphe der Frauenarbeit aufzuweisen, und mit Vergnügen wird sich jeder
Besucher des Ausstellungspalastes jener kleinen Werkstätten erinnern, in denen
Frauen mit wunderbarer Geschicklichkeit und Anmuth, hie und da unterstützt
durch sinnreiche Werkzeugmaschinen, die mannichfaltigsten industriellen Arbeiten
verrichteten.

Nichtsdestoweniger vernehmen wir fort und fort aus dem Munde un-


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[0146] sten Theilen von Europa und der neuen Welt an die Lösung der sogenannten Frauenfrage Hand angelegt worden sei — ein Beweis sür das überall dringend empfundene Bedürfniß, eine Mahnung für diejenigen unter den Berufenen, welche noch säumen, ihre Kräfte der großen Bewegung zu widmen. In Petersburg war man zur Zeit der Berichterstattung mit der Herausgabe einer Frauenzeitung, mit der Begründung eines Arbeitsnachwei¬ sungsbureaus, einer Gewerbeschule und eines Lesezimmers sür Frauen be¬ schäftigt. Zwei junge Russinnen waren damals im Begriff, sich für den ärztlichen Beruf auszubilden. Wir erinnern uns Alle noch der Nachricht von der im Jahre 1867 stattgehabten Doctorpromotion des Fräulein Nadeschda Suslowa an der Universität zu Zürich. In Skandinavien knüpft sich Alles, was in neuerer Zeit zur Verbesserung der Stellung der Frauen geschehen, an den Namen der schwedischen Schriftstellerin. Friederike Bremer, die mit unermüdlichem Eiser für die rechtliche und gesellschaftliche Befreiung ihres Geschlechts ge¬ kämpft und das Glück gehabt hat, in grundsätzlichen Reformen der weiblichen Erziehung, in der Beseitigung gesetzlicher Beschränkungen der Frauenarbeit, in der üblich gewordenen Verwendung von Frauenkräften im Post-, Eisen¬ bahn- und Telegraphendienst günstige Erfolge ihrer vielfachen Bemühungen noch zu erleben. Von Belgien und Holland weiß Fräulein Hirsch wenig zu berichten; daß in der Schweiz die Frauenfrage nicht zu den dringlichen Tagesfragen gehört, scheint ihr erklärlich, da dort in vielen und besonders blühenden Zweigen der Großindustrie — der Uhrenfabrikation, der Strohflechterei, Seidenbandweberei, Weißfeinstickerei und Bijouteriewaarenfabrikation — schon seit geraumer Zeit Frauenkräfte lohnende Beschäftigung finden, und die ander¬ wärts gegen die gewerbliche Mitwirkung der Frauen bestehenden starren Vor- uitheile längst überwunden sind. In Frankreich trifft das Letztere, wie bekannt, noch in höherem Maße zu. Hier in der That hat die Frau Zutritt zu jeder Arbeit, deren sie fähig ist. Wir wissen, daß in verschiedenen Gewerben beschäftigte Arbeiterinnen den zehnten Theil der Bevölkerung von Paris ausmachen. Die französische Abtheilung der 67er Weltausstellung hatte fast in allen Gruppen wahrhafte Triumphe der Frauenarbeit aufzuweisen, und mit Vergnügen wird sich jeder Besucher des Ausstellungspalastes jener kleinen Werkstätten erinnern, in denen Frauen mit wunderbarer Geschicklichkeit und Anmuth, hie und da unterstützt durch sinnreiche Werkzeugmaschinen, die mannichfaltigsten industriellen Arbeiten verrichteten. Nichtsdestoweniger vernehmen wir fort und fort aus dem Munde un-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/146>, abgerufen am 24.07.2024.