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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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daraus verdrängen. Es sind Feinde besonderer Art. Sie gebieten über
Millionen; sie sind groß geworden mit unserer ganzen Culturgeschichte. Sie
sind nicht mit List, nicht mit Gewalt zu überwinden, auch bestechen kann
man sie nicht. Ueberzeugen kann man sie allein in langsamer Gedanken¬
arbeit, überzeugen durch Schrift und Wort und Beispiel. Und hat man sie
überzeugt, dann hat man gewonnen.

Einzelne hervorragende Geister haben es bisweilen vermocht, mit ihrer
göttlichen Einzelkraft culturfeindliche Mächte zu überwinden und dem Fort¬
schritt gebieterisch neue Bahnen zu ebnen. Aber Jahrhunderte erst gebären
bisweilen einen solchen Heroen des Geistes. In einer unthätigen Messias¬
hoffnung die eigene Läuterungsarbeit zu versäumen -- das ist nicht die Art
unseres raschlebenden und rührigen Geschlechtes.

Was der einen reichbegabten, mit schöpferischen Genie ausgestatteten
Kraft zuweilen gelingt, sollte das nicht stets einer wohlorganisirten Ver¬
einigung rühriger, gemeinsinniger, klarblickender Geister auch gelingen?

Gewiß -- aber auch nur einer solchen. Schulter an Schulter in Reih
und Glied, der gleichen Parole gehorchend -- so nur wird es uns möglich
sein, jene feindlichen Mächte zu überwinden.

Genossenschaftliches Zusammenwirken -- das ist es auch hier,
was Noth thut. Einzelbestrebungen verrinnen im Sande. Nur
mit vereinten Kräften läßt sich dasgroße Problem erfolgreich
an greifen.

Es ist nicht die Sache der Frauen, um die es sich hier handelt;
es ist die Sache der Cultur. Deshalb mögen sich Frauen und
Männer in solchen Vereinen zusammenfinden, welche sich die Lösung der
Frauenfrage zur Aufgabe machen. ES findet sich Arbeit für die vereinten
Kräfte und specifische Arbeit bald für die Einen, bald für die Anderen.

Die maßgebenden Ideen sind in den Vereinen selbst zur Klar¬
heit zu bringen und von Vereinswegen zu propagiren durch Schrift und
Wort. Je größer die Zahl der Vereine, je mannichfaltiger ihre Gebiete, je
geschlossener ihre Organisation, um so mächtiger und stegreicher wird der Ge¬
danke, der sie alle beseelt.

Sobald, als das Ziel klar vor aller Genossen Augen steht, mag man
nicht säumen, vom Worte überzugehen zur That. Man mag sich
trösten, wenn die zur Zeit möglichen Thaten zu dem Umfange dessen, was
man will, in keinem Verhältnisse stehen. Man mag sich auch wappnen
gegen den Spott, der an solchem Mißverhältniß einen bequemen Anknüpfe-
Punkt findet.

Die erste That mag ein schwacher Nothbehelf sein. Als solcher erscheint
mir stets die Errichtung sogenannter Frauen-Bazars. Wenn der Bazar


daraus verdrängen. Es sind Feinde besonderer Art. Sie gebieten über
Millionen; sie sind groß geworden mit unserer ganzen Culturgeschichte. Sie
sind nicht mit List, nicht mit Gewalt zu überwinden, auch bestechen kann
man sie nicht. Ueberzeugen kann man sie allein in langsamer Gedanken¬
arbeit, überzeugen durch Schrift und Wort und Beispiel. Und hat man sie
überzeugt, dann hat man gewonnen.

Einzelne hervorragende Geister haben es bisweilen vermocht, mit ihrer
göttlichen Einzelkraft culturfeindliche Mächte zu überwinden und dem Fort¬
schritt gebieterisch neue Bahnen zu ebnen. Aber Jahrhunderte erst gebären
bisweilen einen solchen Heroen des Geistes. In einer unthätigen Messias¬
hoffnung die eigene Läuterungsarbeit zu versäumen — das ist nicht die Art
unseres raschlebenden und rührigen Geschlechtes.

Was der einen reichbegabten, mit schöpferischen Genie ausgestatteten
Kraft zuweilen gelingt, sollte das nicht stets einer wohlorganisirten Ver¬
einigung rühriger, gemeinsinniger, klarblickender Geister auch gelingen?

Gewiß — aber auch nur einer solchen. Schulter an Schulter in Reih
und Glied, der gleichen Parole gehorchend — so nur wird es uns möglich
sein, jene feindlichen Mächte zu überwinden.

Genossenschaftliches Zusammenwirken — das ist es auch hier,
was Noth thut. Einzelbestrebungen verrinnen im Sande. Nur
mit vereinten Kräften läßt sich dasgroße Problem erfolgreich
an greifen.

Es ist nicht die Sache der Frauen, um die es sich hier handelt;
es ist die Sache der Cultur. Deshalb mögen sich Frauen und
Männer in solchen Vereinen zusammenfinden, welche sich die Lösung der
Frauenfrage zur Aufgabe machen. ES findet sich Arbeit für die vereinten
Kräfte und specifische Arbeit bald für die Einen, bald für die Anderen.

Die maßgebenden Ideen sind in den Vereinen selbst zur Klar¬
heit zu bringen und von Vereinswegen zu propagiren durch Schrift und
Wort. Je größer die Zahl der Vereine, je mannichfaltiger ihre Gebiete, je
geschlossener ihre Organisation, um so mächtiger und stegreicher wird der Ge¬
danke, der sie alle beseelt.

Sobald, als das Ziel klar vor aller Genossen Augen steht, mag man
nicht säumen, vom Worte überzugehen zur That. Man mag sich
trösten, wenn die zur Zeit möglichen Thaten zu dem Umfange dessen, was
man will, in keinem Verhältnisse stehen. Man mag sich auch wappnen
gegen den Spott, der an solchem Mißverhältniß einen bequemen Anknüpfe-
Punkt findet.

Die erste That mag ein schwacher Nothbehelf sein. Als solcher erscheint
mir stets die Errichtung sogenannter Frauen-Bazars. Wenn der Bazar


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[0143] daraus verdrängen. Es sind Feinde besonderer Art. Sie gebieten über Millionen; sie sind groß geworden mit unserer ganzen Culturgeschichte. Sie sind nicht mit List, nicht mit Gewalt zu überwinden, auch bestechen kann man sie nicht. Ueberzeugen kann man sie allein in langsamer Gedanken¬ arbeit, überzeugen durch Schrift und Wort und Beispiel. Und hat man sie überzeugt, dann hat man gewonnen. Einzelne hervorragende Geister haben es bisweilen vermocht, mit ihrer göttlichen Einzelkraft culturfeindliche Mächte zu überwinden und dem Fort¬ schritt gebieterisch neue Bahnen zu ebnen. Aber Jahrhunderte erst gebären bisweilen einen solchen Heroen des Geistes. In einer unthätigen Messias¬ hoffnung die eigene Läuterungsarbeit zu versäumen — das ist nicht die Art unseres raschlebenden und rührigen Geschlechtes. Was der einen reichbegabten, mit schöpferischen Genie ausgestatteten Kraft zuweilen gelingt, sollte das nicht stets einer wohlorganisirten Ver¬ einigung rühriger, gemeinsinniger, klarblickender Geister auch gelingen? Gewiß — aber auch nur einer solchen. Schulter an Schulter in Reih und Glied, der gleichen Parole gehorchend — so nur wird es uns möglich sein, jene feindlichen Mächte zu überwinden. Genossenschaftliches Zusammenwirken — das ist es auch hier, was Noth thut. Einzelbestrebungen verrinnen im Sande. Nur mit vereinten Kräften läßt sich dasgroße Problem erfolgreich an greifen. Es ist nicht die Sache der Frauen, um die es sich hier handelt; es ist die Sache der Cultur. Deshalb mögen sich Frauen und Männer in solchen Vereinen zusammenfinden, welche sich die Lösung der Frauenfrage zur Aufgabe machen. ES findet sich Arbeit für die vereinten Kräfte und specifische Arbeit bald für die Einen, bald für die Anderen. Die maßgebenden Ideen sind in den Vereinen selbst zur Klar¬ heit zu bringen und von Vereinswegen zu propagiren durch Schrift und Wort. Je größer die Zahl der Vereine, je mannichfaltiger ihre Gebiete, je geschlossener ihre Organisation, um so mächtiger und stegreicher wird der Ge¬ danke, der sie alle beseelt. Sobald, als das Ziel klar vor aller Genossen Augen steht, mag man nicht säumen, vom Worte überzugehen zur That. Man mag sich trösten, wenn die zur Zeit möglichen Thaten zu dem Umfange dessen, was man will, in keinem Verhältnisse stehen. Man mag sich auch wappnen gegen den Spott, der an solchem Mißverhältniß einen bequemen Anknüpfe- Punkt findet. Die erste That mag ein schwacher Nothbehelf sein. Als solcher erscheint mir stets die Errichtung sogenannter Frauen-Bazars. Wenn der Bazar

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/143>, abgerufen am 24.07.2024.