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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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glücklichen Lösung der wichtigen Zeirfrage schon sehr wirksam vorgearbei¬
tet sein.

Hand in Hand mit solchen Reformen aber muß der eifrige Kampf
gehen gegen das tiefeingewurzelte Vorurtheil, daß die Betheili¬
gung der Frau an der Erwerbsarbeit des Menschengeschlechtes überall auf
die engen Grenzen beschränkt bleiben müsse, auf die wir sie zur Zeit sast überall
beschränkt sehen. Es gibt gewichtige, ja meiner Ueberzeugung nach unüber¬
windliche Gründe gegen die Gestattung der weiblichen Concurrenz im poli¬
tischen Leben*), und gewisse Gebiete der wissenschaftlichen Forschung, selbst
des künstlerischen Schaffens werden den Frauen aus natürlichen Gründen
immer verschlossen bleiben, oder der Betheiligung von Frauenkräften nie er¬
hebliche Fortschritte zu danken haben.

Nichts aber befugt uns. anzunehmen, daß im Interesse unseres Cultur¬
fortschrittes auch da, wo die Frau offenbar fähig ist. die Concurrenz mit
dem Manne zu bestehen, oder da gar, wo ihre Arbeit offenbar der des
Mannes überlegen ist. die selbständige Bethätigung der Frauenkraft ein¬
geschränkt werden müsse.

Ein grausames Vorurtheil ist es, daß die Frau nur dem häuslichen
Berufe gehöre, der doch einer großen Anzahl von Frauen aus natürlichen
Gründen verschlossen ist; oder daß ihr nur zu einer gewissen Zahl von wissen¬
schaftlichen, künstlerischen und gewerblichen Leistungen Zutritt zu gestatten
sei, während man doch steht, daß innerhalb dieses so eng begrenzten Leistungs¬
gebietes ein übermäßiges Angebot den Erwerb fort und fort schmälert; oder
daß. wenn die weibliche Arbeitskraft weitere Erwerbsgebiete aufsuche, sie sich
anständiger Weise unter männliche Procura begeben müsse, während sie sich
doch zur selbständigen Unternehmerleistung ebenso befähigt erweist wie zur
Gehülfenleistung.

Es ziemt unserer Zeit nicht, Spinde Vorurtheile zu pflegen. Lossagen
müssen wir uns davon so bald und so gründlich als möglich. Frei bekennen
und Zeugniß ablegen dafür müssen wir, daß es unsere Ueberzeugung ist.
berechtigt sei die Frau zu jeder Arbeit, deren sie fähig ist.

Und dieses Bekenntniß, wenn es das Vorurtheil gebrochen, wird auch
die künstlichen Hindernisse, welche in der Form beschränkender



Die M-Hrzahl der Frauen, namentlich der verheiratheten, wäre aus natürlichen Grün¬
den an der Erfüllung politischer Pflichten, z, B, am Erscheinen vor der Wahlurne, häufig
gehindert, Wenn die verheiratheten Frauen, der natürliche Beeinflussung durch den Ehe¬
mann, z, B. bei Wahlen, gehorchen, so änderte sich an dem Resultate, im Vergleich mit jetzt,
durchaus nichts. Setzen sie jenem Einflüsse Widerstand entgegen, so wird die Zahl der un-
glücklichen Ehen vermehrt, ein Keim zu perpetuirlichem Unfrieden in den Schooß der Familien
gelegt. Warum verschließen die Vorkämpfer der politischen Frauen-Emancipation vor diesen
wenn auch trivialen, so doch nicht minder zutreffenden Einwendungen ihre Augen?

glücklichen Lösung der wichtigen Zeirfrage schon sehr wirksam vorgearbei¬
tet sein.

Hand in Hand mit solchen Reformen aber muß der eifrige Kampf
gehen gegen das tiefeingewurzelte Vorurtheil, daß die Betheili¬
gung der Frau an der Erwerbsarbeit des Menschengeschlechtes überall auf
die engen Grenzen beschränkt bleiben müsse, auf die wir sie zur Zeit sast überall
beschränkt sehen. Es gibt gewichtige, ja meiner Ueberzeugung nach unüber¬
windliche Gründe gegen die Gestattung der weiblichen Concurrenz im poli¬
tischen Leben*), und gewisse Gebiete der wissenschaftlichen Forschung, selbst
des künstlerischen Schaffens werden den Frauen aus natürlichen Gründen
immer verschlossen bleiben, oder der Betheiligung von Frauenkräften nie er¬
hebliche Fortschritte zu danken haben.

Nichts aber befugt uns. anzunehmen, daß im Interesse unseres Cultur¬
fortschrittes auch da, wo die Frau offenbar fähig ist. die Concurrenz mit
dem Manne zu bestehen, oder da gar, wo ihre Arbeit offenbar der des
Mannes überlegen ist. die selbständige Bethätigung der Frauenkraft ein¬
geschränkt werden müsse.

Ein grausames Vorurtheil ist es, daß die Frau nur dem häuslichen
Berufe gehöre, der doch einer großen Anzahl von Frauen aus natürlichen
Gründen verschlossen ist; oder daß ihr nur zu einer gewissen Zahl von wissen¬
schaftlichen, künstlerischen und gewerblichen Leistungen Zutritt zu gestatten
sei, während man doch steht, daß innerhalb dieses so eng begrenzten Leistungs¬
gebietes ein übermäßiges Angebot den Erwerb fort und fort schmälert; oder
daß. wenn die weibliche Arbeitskraft weitere Erwerbsgebiete aufsuche, sie sich
anständiger Weise unter männliche Procura begeben müsse, während sie sich
doch zur selbständigen Unternehmerleistung ebenso befähigt erweist wie zur
Gehülfenleistung.

Es ziemt unserer Zeit nicht, Spinde Vorurtheile zu pflegen. Lossagen
müssen wir uns davon so bald und so gründlich als möglich. Frei bekennen
und Zeugniß ablegen dafür müssen wir, daß es unsere Ueberzeugung ist.
berechtigt sei die Frau zu jeder Arbeit, deren sie fähig ist.

Und dieses Bekenntniß, wenn es das Vorurtheil gebrochen, wird auch
die künstlichen Hindernisse, welche in der Form beschränkender



Die M-Hrzahl der Frauen, namentlich der verheiratheten, wäre aus natürlichen Grün¬
den an der Erfüllung politischer Pflichten, z, B, am Erscheinen vor der Wahlurne, häufig
gehindert, Wenn die verheiratheten Frauen, der natürliche Beeinflussung durch den Ehe¬
mann, z, B. bei Wahlen, gehorchen, so änderte sich an dem Resultate, im Vergleich mit jetzt,
durchaus nichts. Setzen sie jenem Einflüsse Widerstand entgegen, so wird die Zahl der un-
glücklichen Ehen vermehrt, ein Keim zu perpetuirlichem Unfrieden in den Schooß der Familien
gelegt. Warum verschließen die Vorkämpfer der politischen Frauen-Emancipation vor diesen
wenn auch trivialen, so doch nicht minder zutreffenden Einwendungen ihre Augen?
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/140>, abgerufen am 24.07.2024.