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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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Wie eng begrenzt ist dagegen das Erwerbsgebiet, auf welchem sich bei
uns unverheiratete Frauen bewegen können!

Im Fache der persönlichen Dienstleistungen haben sie nur Zu¬
tritt zum Dienstbotengewerbe, zur Krankenpflege, zum Lehr - und Erziehungs¬
beruf, zu gewissen künstlerischen Dienstleistungen. Verschlossen ist ihnen der
ärztliche Beruf; nur ganz ausnahmsweise, wie wir später sehen werden, ver¬
wendet man Frauenkräfte in den verschiedenen Verkehrsgewerben, in Biblio¬
theken und Schreiberstuben.

Auf dem Gebiete der G ü t er erz e u g un g s g e w erde ist es einmal die
Landwirthschaft. welche regelmäßig weibliche Hülfskräfte beansprucht; dann
find co einige -- jedoch sehr wenige -- Gruppen von Gewerben, die manu-
factur- oder handwerksmäßig betrieben zu werden pflegen, in denen die Ar¬
beitskraft unverheiratheter Frauen Verwendung findet, und endlich sämmt¬
liche Zweige der Fabrikindustrie, in denen Frauenkräfte entweder ausschlie߬
lich, oder doch neben den Kräften der Männer verwerthet werden können.

In den Handelsgewerben sehen wir unverheirathete Frauen fast nur
als Verkäuferinnen in Detailgeschäften, höchst selten am Comtoir oder an der
Casse verwenden.

Drei Gruppen sind es vornehmlich, in welche sich bei uns das Gros der
unverheiratheten Arbeiterinnen theilt. Wir finden sie vornehmlich als Dienst¬
boten, als Lehrerinnen und Erzieherinnen, als Fabrikarbeite¬
rinnen.

In diesen drei Berufszweigen ist, sehr zu Ungunsten der Betheiligten,
das Angebot meist erheblich größer, als die Nachfrage; in keiner dieser
Branchen die Situation der Betheiligten besser, als höchstens mittelmäßig.

Ich will es nicht unternehmen, bis ins Einzelne jene düsteren und trau¬
rigen Verhältnisse zu schildern, unter welchen das Gros'unserer Arbeiterinnen
sein kümmerliches Dasein dahinbringt. Ich will es nicht versuchen, die Schä¬
den aufzudecken, unter denen viele Tausende und aber Tausende unserer un¬
verheiratheten Frauen verkümmern, weil sie sich einem jener Berufszweige
zugewendet haben, in denen die Concurrenz so ungünstig ist, oder weil sie
sich, Dank der Tyrannei des Vorurtheils, überhaupt keinem bestimmten regel¬
mäßigen Berufe, der ihren Neigungen und Kräften entsprochen haben würde,
zuwenden konnten. Das Alles sind ja bekannte Dinge.

Es galt nur, dem Ideale die Wirklichkeit entgegenzuhalten. Und daß
die letztere dem ersteren so wenig entspricht, -- das ist's eben, was den In¬
halt der in unseren Tagen so viel erörterten Frauenfrage ausmacht.

Weiter aber klar erkennen müssen wir die Ursachen des großen Ab-
standes zwischen Ideal und Wirklichkeit.

Warum -- so müssen wir fragen -- warum ist es Regel, die Töchter


Grenzboten II. 18KS, 17

Wie eng begrenzt ist dagegen das Erwerbsgebiet, auf welchem sich bei
uns unverheiratete Frauen bewegen können!

Im Fache der persönlichen Dienstleistungen haben sie nur Zu¬
tritt zum Dienstbotengewerbe, zur Krankenpflege, zum Lehr - und Erziehungs¬
beruf, zu gewissen künstlerischen Dienstleistungen. Verschlossen ist ihnen der
ärztliche Beruf; nur ganz ausnahmsweise, wie wir später sehen werden, ver¬
wendet man Frauenkräfte in den verschiedenen Verkehrsgewerben, in Biblio¬
theken und Schreiberstuben.

Auf dem Gebiete der G ü t er erz e u g un g s g e w erde ist es einmal die
Landwirthschaft. welche regelmäßig weibliche Hülfskräfte beansprucht; dann
find co einige — jedoch sehr wenige — Gruppen von Gewerben, die manu-
factur- oder handwerksmäßig betrieben zu werden pflegen, in denen die Ar¬
beitskraft unverheiratheter Frauen Verwendung findet, und endlich sämmt¬
liche Zweige der Fabrikindustrie, in denen Frauenkräfte entweder ausschlie߬
lich, oder doch neben den Kräften der Männer verwerthet werden können.

In den Handelsgewerben sehen wir unverheirathete Frauen fast nur
als Verkäuferinnen in Detailgeschäften, höchst selten am Comtoir oder an der
Casse verwenden.

Drei Gruppen sind es vornehmlich, in welche sich bei uns das Gros der
unverheiratheten Arbeiterinnen theilt. Wir finden sie vornehmlich als Dienst¬
boten, als Lehrerinnen und Erzieherinnen, als Fabrikarbeite¬
rinnen.

In diesen drei Berufszweigen ist, sehr zu Ungunsten der Betheiligten,
das Angebot meist erheblich größer, als die Nachfrage; in keiner dieser
Branchen die Situation der Betheiligten besser, als höchstens mittelmäßig.

Ich will es nicht unternehmen, bis ins Einzelne jene düsteren und trau¬
rigen Verhältnisse zu schildern, unter welchen das Gros'unserer Arbeiterinnen
sein kümmerliches Dasein dahinbringt. Ich will es nicht versuchen, die Schä¬
den aufzudecken, unter denen viele Tausende und aber Tausende unserer un¬
verheiratheten Frauen verkümmern, weil sie sich einem jener Berufszweige
zugewendet haben, in denen die Concurrenz so ungünstig ist, oder weil sie
sich, Dank der Tyrannei des Vorurtheils, überhaupt keinem bestimmten regel¬
mäßigen Berufe, der ihren Neigungen und Kräften entsprochen haben würde,
zuwenden konnten. Das Alles sind ja bekannte Dinge.

Es galt nur, dem Ideale die Wirklichkeit entgegenzuhalten. Und daß
die letztere dem ersteren so wenig entspricht, — das ist's eben, was den In¬
halt der in unseren Tagen so viel erörterten Frauenfrage ausmacht.

Weiter aber klar erkennen müssen wir die Ursachen des großen Ab-
standes zwischen Ideal und Wirklichkeit.

Warum — so müssen wir fragen — warum ist es Regel, die Töchter


Grenzboten II. 18KS, 17
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[0137] Wie eng begrenzt ist dagegen das Erwerbsgebiet, auf welchem sich bei uns unverheiratete Frauen bewegen können! Im Fache der persönlichen Dienstleistungen haben sie nur Zu¬ tritt zum Dienstbotengewerbe, zur Krankenpflege, zum Lehr - und Erziehungs¬ beruf, zu gewissen künstlerischen Dienstleistungen. Verschlossen ist ihnen der ärztliche Beruf; nur ganz ausnahmsweise, wie wir später sehen werden, ver¬ wendet man Frauenkräfte in den verschiedenen Verkehrsgewerben, in Biblio¬ theken und Schreiberstuben. Auf dem Gebiete der G ü t er erz e u g un g s g e w erde ist es einmal die Landwirthschaft. welche regelmäßig weibliche Hülfskräfte beansprucht; dann find co einige — jedoch sehr wenige — Gruppen von Gewerben, die manu- factur- oder handwerksmäßig betrieben zu werden pflegen, in denen die Ar¬ beitskraft unverheiratheter Frauen Verwendung findet, und endlich sämmt¬ liche Zweige der Fabrikindustrie, in denen Frauenkräfte entweder ausschlie߬ lich, oder doch neben den Kräften der Männer verwerthet werden können. In den Handelsgewerben sehen wir unverheirathete Frauen fast nur als Verkäuferinnen in Detailgeschäften, höchst selten am Comtoir oder an der Casse verwenden. Drei Gruppen sind es vornehmlich, in welche sich bei uns das Gros der unverheiratheten Arbeiterinnen theilt. Wir finden sie vornehmlich als Dienst¬ boten, als Lehrerinnen und Erzieherinnen, als Fabrikarbeite¬ rinnen. In diesen drei Berufszweigen ist, sehr zu Ungunsten der Betheiligten, das Angebot meist erheblich größer, als die Nachfrage; in keiner dieser Branchen die Situation der Betheiligten besser, als höchstens mittelmäßig. Ich will es nicht unternehmen, bis ins Einzelne jene düsteren und trau¬ rigen Verhältnisse zu schildern, unter welchen das Gros'unserer Arbeiterinnen sein kümmerliches Dasein dahinbringt. Ich will es nicht versuchen, die Schä¬ den aufzudecken, unter denen viele Tausende und aber Tausende unserer un¬ verheiratheten Frauen verkümmern, weil sie sich einem jener Berufszweige zugewendet haben, in denen die Concurrenz so ungünstig ist, oder weil sie sich, Dank der Tyrannei des Vorurtheils, überhaupt keinem bestimmten regel¬ mäßigen Berufe, der ihren Neigungen und Kräften entsprochen haben würde, zuwenden konnten. Das Alles sind ja bekannte Dinge. Es galt nur, dem Ideale die Wirklichkeit entgegenzuhalten. Und daß die letztere dem ersteren so wenig entspricht, — das ist's eben, was den In¬ halt der in unseren Tagen so viel erörterten Frauenfrage ausmacht. Weiter aber klar erkennen müssen wir die Ursachen des großen Ab- standes zwischen Ideal und Wirklichkeit. Warum — so müssen wir fragen — warum ist es Regel, die Töchter Grenzboten II. 18KS, 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/137>, abgerufen am 24.07.2024.