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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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bäuerin wohl bei der Ernte-, nie aber bei der schwierigen Bestellarbeit.
In der industriellen und Handelswelt sind jene localen Verschiedenheiten
schon weit mehr ausgeglichen. Im Norden wie im Süden kann man in der
Cigarrenfabrik am gleichen Tische Mann und Frau, in der Weberei, wo diese
noch manufacturmäßig betrieben wird, den Weber und die Weberin je an
einem besonderen Webstuhle, in der Schuhmacherei die Meisterin neben dem
unterm Knieriemen arbeitenden Meister mit Einfaßarbeit, oder an der Näh¬
maschine beschäftigt finden, und hier wie dort sehen wir den Krämer sein
Geschäft unter regelmäßiger Assistenz seiner Frau betreiben.

Hier wie dort beobachten wir bald maßlose Ueberbürdung, bald den
Kräften völlig entsprechende maßvolle Beschäftigung der Frau mit den Er¬
werbsarbeiten, von denen wir annehmen, daß sie eigentlich der Mann sich
allein vorbehalten sollte.

Die Betheiligung der Ehefrau an dem Geschäft ihres Mannes, oder an
der Erwerbsarbeit überhaupt hat bei uns kaum mit irgend welchen Vor¬
urtheilen zu kämpfen.

Die nämlichen Arbeiten aber, welche die Sitte der Frau, als der Ge¬
hülfin ihres Mannes ganz unbedenklich gestattet, versagt ein barbarisches
Vorurtheil noch vielfach der unverheiratheten Frau als selbständiger Unter¬
nehmerin. Und nicht nur ein grausames Vorurtheil, sondern da, wo es dem
Geist unserer Zeit noch nicht gelungen ist, das altfränkische Bollwerk des
Zunftwesens völlig zu brechen, oft auch ein grausames Gesetz.

Bald die Gesetzgebung, .bald thörichte Vorurtheile schränken das Gebiet
für die Bethätigung der weiblichen Arbeitskraft bei uns noch ganz er¬
heblich ein.

Tausende von deutschen Arbeiterinnen verwerthen in Paris ihre Arbeits¬
kraft in von Frauen begründeten und geleiteten gewerblichen Unternehmungen,
welche hier zu Lande als die ausschließlichen Domainen männlicher UnternehMer-
und Gehülfen-Arbeit betrachtet werden. Oder was würde man dazu sagen,
wenn hier eine Frau eine Schneider- oder Schuhmacher-Werkstatt für Männer¬
kleider und Schuhe errichten und im Wesentlichen mit weiblichen Gehülfen
besetzen wollte? In Paris sind 12.000 Frauen in der Schuhmacherei, 16,000
in der Weißzeugnäherei. Tausende bei der Fertigung von Männerkleidern,
beim Poliren und Lackiren von Holzmeubels, in der Marmorschleiferei, in der
Shawlweberei u. f. w. beschäftigt. Unendlich mannichfaltig sind dort schon
jetzt die Gebiete, auf denen die Verwendung der Frauenarbeit durchaus nichts
Anstößiges hat, und namentlich der Frauenarbeit nicht das Hinderniß klein¬
lichen Coneurrenzneides entgegentritt. Die Zahl dieser Gehecke vermehrt sich
von Tag zu Tage.


bäuerin wohl bei der Ernte-, nie aber bei der schwierigen Bestellarbeit.
In der industriellen und Handelswelt sind jene localen Verschiedenheiten
schon weit mehr ausgeglichen. Im Norden wie im Süden kann man in der
Cigarrenfabrik am gleichen Tische Mann und Frau, in der Weberei, wo diese
noch manufacturmäßig betrieben wird, den Weber und die Weberin je an
einem besonderen Webstuhle, in der Schuhmacherei die Meisterin neben dem
unterm Knieriemen arbeitenden Meister mit Einfaßarbeit, oder an der Näh¬
maschine beschäftigt finden, und hier wie dort sehen wir den Krämer sein
Geschäft unter regelmäßiger Assistenz seiner Frau betreiben.

Hier wie dort beobachten wir bald maßlose Ueberbürdung, bald den
Kräften völlig entsprechende maßvolle Beschäftigung der Frau mit den Er¬
werbsarbeiten, von denen wir annehmen, daß sie eigentlich der Mann sich
allein vorbehalten sollte.

Die Betheiligung der Ehefrau an dem Geschäft ihres Mannes, oder an
der Erwerbsarbeit überhaupt hat bei uns kaum mit irgend welchen Vor¬
urtheilen zu kämpfen.

Die nämlichen Arbeiten aber, welche die Sitte der Frau, als der Ge¬
hülfin ihres Mannes ganz unbedenklich gestattet, versagt ein barbarisches
Vorurtheil noch vielfach der unverheiratheten Frau als selbständiger Unter¬
nehmerin. Und nicht nur ein grausames Vorurtheil, sondern da, wo es dem
Geist unserer Zeit noch nicht gelungen ist, das altfränkische Bollwerk des
Zunftwesens völlig zu brechen, oft auch ein grausames Gesetz.

Bald die Gesetzgebung, .bald thörichte Vorurtheile schränken das Gebiet
für die Bethätigung der weiblichen Arbeitskraft bei uns noch ganz er¬
heblich ein.

Tausende von deutschen Arbeiterinnen verwerthen in Paris ihre Arbeits¬
kraft in von Frauen begründeten und geleiteten gewerblichen Unternehmungen,
welche hier zu Lande als die ausschließlichen Domainen männlicher UnternehMer-
und Gehülfen-Arbeit betrachtet werden. Oder was würde man dazu sagen,
wenn hier eine Frau eine Schneider- oder Schuhmacher-Werkstatt für Männer¬
kleider und Schuhe errichten und im Wesentlichen mit weiblichen Gehülfen
besetzen wollte? In Paris sind 12.000 Frauen in der Schuhmacherei, 16,000
in der Weißzeugnäherei. Tausende bei der Fertigung von Männerkleidern,
beim Poliren und Lackiren von Holzmeubels, in der Marmorschleiferei, in der
Shawlweberei u. f. w. beschäftigt. Unendlich mannichfaltig sind dort schon
jetzt die Gebiete, auf denen die Verwendung der Frauenarbeit durchaus nichts
Anstößiges hat, und namentlich der Frauenarbeit nicht das Hinderniß klein¬
lichen Coneurrenzneides entgegentritt. Die Zahl dieser Gehecke vermehrt sich
von Tag zu Tage.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/136>, abgerufen am 24.07.2024.