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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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gar nicht nach Würfel. Das Stabsquartier befand sich zu Kemenze. "ein
kleines Dorf und so elend in die Erde, gleichwie auch die übrigen alle, ge¬
baut, daß hier das beste Haus der allergeringsten Bauernhütte in dero hoch¬
fürstlichen Landen bei weitem nicht gleichkommt; überdieß hat man noch das
Jnkommodum, daß Niemand mit denen Leuten reden, noch dieselben ver¬
stehen kann." Desgleichen schreibt der Oberstlieutenant: "ich muß bekennen,
so lang als ich Soldat, niemalen kein fataler Teufelsland für mich gefunden
hab, als dieses ist." Und ein andermal: "hiesiger Orten weiß ich nichts
Neues zu berichten, indem wir auch platterdings von der ehrlichen Welt hin¬
weg sind, und kann kein Teufel mit dieser Nation zurechtkommen."

Im folgenden Jahr wurde der Feldzug frühzeitig begonnen. Die Armee
sammelte sich wieder bei Peterwardein und marschirte dann nach Belgrad,
in dessen Besitz die Türken waren. Mit Vorpostengefechten, zum Theil auf
dem Wasser, mit unfruchtbaren Kanonaden und Belagerungsarbeiten ging
die Zeit vom Juni bis August hin. Am 16. August griff Eugen das türki¬
sche Lager an, erstürmte es und zwang damit auch die Festung zur Ueber¬
gabe. Damit war auch die Aufgabe dieses Jahres erledigt, der größere Theil
des Regiments nahm wieder Winterquartiere in Oberungarn, während ein
Bataillon in Belgrad blieb und eine Expedition in die serbischen Berge
mitmachte.

Der Verlust theils durch die Kriegsereignisse, theils durch Krankheiten
war natürlich bedeutend. Um die vertragsmäßige Anzahl aufrecht zu halten,
waren deshalb fortwährende Nachwerbungen erforderlich. Mit diesen ging
es aber sehr langsam. Wenn der Oberst immer wieder dringend Nachschub
verlangte, und der hohe Kriegsrath in Wien Vorstellungen wegen der Saum¬
seligkeit erhob, so beklagte sich andererseits der Herzog über die Kargheit,
mit welcher von der kaiserlichen Casse die Nekrutirungsgelder ausgefolgt
wurden. Nach Ungarland hatten die jungen Leute ganz und gar keine
Lust. Namentlich im Sommer wurde das Material immer seltener und
theurer, der Winter, die erwerblose Zeit für die niederen Stände, war ins¬
besondere die den Werbern günstigere Saison. Um die angesetzte Quote von
Rekruten zu liefern, gaben die Vögte zum Theil sehr hohes Handgeld, und
den scharfen Monitorien gegenüber waren sie voll Entschuldigungen, die zu¬
gleich charakteristisch sind für die Art und Weise, wie die Werbungen betrie¬
ben wurden. So schreibt z. B, der Vogt von Leonberg unter dem
1. August 1717: "Zu Anwerbung von Rekruten habe ich 1) im Amt alle
Bestellung gethan; 2) hier w loco Leute dazu aufgestellt; 3) die Stadt Weil
ersucht, mir die Werbung zu gestatten, welche mir es in der Stille zu thun
erlaubt; 4) wo Kirchweihtänze gehalten werden, habe ich Leute dahin ge¬
schickt; 6) habe ich gesammte junge Leute. Söhne und Knechte, hierher be-


gar nicht nach Würfel. Das Stabsquartier befand sich zu Kemenze. „ein
kleines Dorf und so elend in die Erde, gleichwie auch die übrigen alle, ge¬
baut, daß hier das beste Haus der allergeringsten Bauernhütte in dero hoch¬
fürstlichen Landen bei weitem nicht gleichkommt; überdieß hat man noch das
Jnkommodum, daß Niemand mit denen Leuten reden, noch dieselben ver¬
stehen kann." Desgleichen schreibt der Oberstlieutenant: „ich muß bekennen,
so lang als ich Soldat, niemalen kein fataler Teufelsland für mich gefunden
hab, als dieses ist." Und ein andermal: „hiesiger Orten weiß ich nichts
Neues zu berichten, indem wir auch platterdings von der ehrlichen Welt hin¬
weg sind, und kann kein Teufel mit dieser Nation zurechtkommen."

Im folgenden Jahr wurde der Feldzug frühzeitig begonnen. Die Armee
sammelte sich wieder bei Peterwardein und marschirte dann nach Belgrad,
in dessen Besitz die Türken waren. Mit Vorpostengefechten, zum Theil auf
dem Wasser, mit unfruchtbaren Kanonaden und Belagerungsarbeiten ging
die Zeit vom Juni bis August hin. Am 16. August griff Eugen das türki¬
sche Lager an, erstürmte es und zwang damit auch die Festung zur Ueber¬
gabe. Damit war auch die Aufgabe dieses Jahres erledigt, der größere Theil
des Regiments nahm wieder Winterquartiere in Oberungarn, während ein
Bataillon in Belgrad blieb und eine Expedition in die serbischen Berge
mitmachte.

Der Verlust theils durch die Kriegsereignisse, theils durch Krankheiten
war natürlich bedeutend. Um die vertragsmäßige Anzahl aufrecht zu halten,
waren deshalb fortwährende Nachwerbungen erforderlich. Mit diesen ging
es aber sehr langsam. Wenn der Oberst immer wieder dringend Nachschub
verlangte, und der hohe Kriegsrath in Wien Vorstellungen wegen der Saum¬
seligkeit erhob, so beklagte sich andererseits der Herzog über die Kargheit,
mit welcher von der kaiserlichen Casse die Nekrutirungsgelder ausgefolgt
wurden. Nach Ungarland hatten die jungen Leute ganz und gar keine
Lust. Namentlich im Sommer wurde das Material immer seltener und
theurer, der Winter, die erwerblose Zeit für die niederen Stände, war ins¬
besondere die den Werbern günstigere Saison. Um die angesetzte Quote von
Rekruten zu liefern, gaben die Vögte zum Theil sehr hohes Handgeld, und
den scharfen Monitorien gegenüber waren sie voll Entschuldigungen, die zu¬
gleich charakteristisch sind für die Art und Weise, wie die Werbungen betrie¬
ben wurden. So schreibt z. B, der Vogt von Leonberg unter dem
1. August 1717: „Zu Anwerbung von Rekruten habe ich 1) im Amt alle
Bestellung gethan; 2) hier w loco Leute dazu aufgestellt; 3) die Stadt Weil
ersucht, mir die Werbung zu gestatten, welche mir es in der Stille zu thun
erlaubt; 4) wo Kirchweihtänze gehalten werden, habe ich Leute dahin ge¬
schickt; 6) habe ich gesammte junge Leute. Söhne und Knechte, hierher be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/112>, abgerufen am 24.07.2024.