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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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heit, Mangel an Ausrüstung, vor Allem aber die rückständigen holländischen
Gelder werden von den Einzelnen als Gründe gegen die Expedition auf¬
geführt, die denn auch verlassen wird. Dagegen kommt Ende desselben Jahres
noch ein Vertrag mit Oestreich zu Stande, wonach diesem ein vollständig
ausgerüstetes Regiment zu 2300 Mann gestellt werden soll. Der Kaiser be¬
dingt sich dabei hauptsächlich und expresse aus, "daß keine bei Unseren kaiserl.
Regimentern verbotene Nationalisten, als Franzosen. Italiener, Polaken,
Hungarn. Croaten, auch alle anderen, so nicht pure Teutsche sind, und w
speeiö keine, so von anderen Unsern kaiserl. Regimentern desertirt, bei der
Musterung werden gestellt und angenommen werden können."

Das Regiment wird durch Werbung im Frühjahr 1716 zusammengebracht
und in Ulm auf der Donau eingeschifft. Es sollte bis Baja im Ungarland
fahren und hier der kaiserlichen Armee unter dem Befehl des Prinzen Eugen
von Savoyen. dessen freundvetterlicher Gefälligkeit der Herzog sein Regiment
besonders recommandirt, einverleibt werden. Die Desertionen, die Plage
aller damaligen Heere, fingen freilich bereits in der Heimath an. Schon in
Ulm schreibt der Oberst: "Die Explication des Ayds. desgleichen die vor.
gehaltene schwere Strafe des Meinayds hat nicht sonderlich gefruchtet, indem
den Marsch über von Göppingen bis diser 24 Mann desertirt seynd." Bis
Wien gingen wieder 46 Mann verloren, wozu die auf dem Lande gehaltenen
Nachtstationen Gelegenheit gaben. Doch erhalten die Württemberger später
das Zeugniß, daß die Desertionen bei ihnen geringer seien, als bei den
übrigen Truppen. Die Klagen über Mangel in den Regimentscassen be¬
ginnen gleichfalls schon unterwegs.

Die kaiserliche Armee wurde bei Peterwardein concentrirt. Die Türken
schickten sich an. die Festung zu belagern, aber noch ehe sie ihre Arbeiten
vollendet hatten, lieferte ihnen Prinz Eugen die Schlacht vom 6. August,
welche die Türken mit Zurücklassung ihres Lagers zur Flucht nöthigte. Das
Regiment hatte an der Schlacht, die im Grunde ein großer Ausfall war.
rühmlichen Antheil genommen, und ein Schreiben des Kaisers an den Oberst
belobte es wegen der "sonderbaren Tapferkeit und Standhaftigkeit, die es in
der vorgefallenen Feldschlacht und dabei erfochtenen herrlichen Sieg erwiesen."
Von da ging es in beschwerlichen Märschen -- das Lager mußte zuweilen
"gar verdrießlich" in Morästen gehalten werden -- nach Temesvar, und mit
der Einnahme dieser Festung im Oktober war der Feldzug dieses Jahres zu
Ende. Die Armee bezog Winterquartiere und dem württembergischen Regi-
ment war hiezu ein Comitat in Oberungarn angewiesen, in das es einen
dreiwöchentlicher Marsch anzutreten hatte. War schon dieser Marsch sehr
anstrengend und mühsam -- es fehlte oft an Brod, an Wasser und immer
an Geld -- so waren auch die Quartiere in den kleinen ungarischen Dörfern


heit, Mangel an Ausrüstung, vor Allem aber die rückständigen holländischen
Gelder werden von den Einzelnen als Gründe gegen die Expedition auf¬
geführt, die denn auch verlassen wird. Dagegen kommt Ende desselben Jahres
noch ein Vertrag mit Oestreich zu Stande, wonach diesem ein vollständig
ausgerüstetes Regiment zu 2300 Mann gestellt werden soll. Der Kaiser be¬
dingt sich dabei hauptsächlich und expresse aus, „daß keine bei Unseren kaiserl.
Regimentern verbotene Nationalisten, als Franzosen. Italiener, Polaken,
Hungarn. Croaten, auch alle anderen, so nicht pure Teutsche sind, und w
speeiö keine, so von anderen Unsern kaiserl. Regimentern desertirt, bei der
Musterung werden gestellt und angenommen werden können."

Das Regiment wird durch Werbung im Frühjahr 1716 zusammengebracht
und in Ulm auf der Donau eingeschifft. Es sollte bis Baja im Ungarland
fahren und hier der kaiserlichen Armee unter dem Befehl des Prinzen Eugen
von Savoyen. dessen freundvetterlicher Gefälligkeit der Herzog sein Regiment
besonders recommandirt, einverleibt werden. Die Desertionen, die Plage
aller damaligen Heere, fingen freilich bereits in der Heimath an. Schon in
Ulm schreibt der Oberst: „Die Explication des Ayds. desgleichen die vor.
gehaltene schwere Strafe des Meinayds hat nicht sonderlich gefruchtet, indem
den Marsch über von Göppingen bis diser 24 Mann desertirt seynd." Bis
Wien gingen wieder 46 Mann verloren, wozu die auf dem Lande gehaltenen
Nachtstationen Gelegenheit gaben. Doch erhalten die Württemberger später
das Zeugniß, daß die Desertionen bei ihnen geringer seien, als bei den
übrigen Truppen. Die Klagen über Mangel in den Regimentscassen be¬
ginnen gleichfalls schon unterwegs.

Die kaiserliche Armee wurde bei Peterwardein concentrirt. Die Türken
schickten sich an. die Festung zu belagern, aber noch ehe sie ihre Arbeiten
vollendet hatten, lieferte ihnen Prinz Eugen die Schlacht vom 6. August,
welche die Türken mit Zurücklassung ihres Lagers zur Flucht nöthigte. Das
Regiment hatte an der Schlacht, die im Grunde ein großer Ausfall war.
rühmlichen Antheil genommen, und ein Schreiben des Kaisers an den Oberst
belobte es wegen der „sonderbaren Tapferkeit und Standhaftigkeit, die es in
der vorgefallenen Feldschlacht und dabei erfochtenen herrlichen Sieg erwiesen."
Von da ging es in beschwerlichen Märschen — das Lager mußte zuweilen
„gar verdrießlich" in Morästen gehalten werden — nach Temesvar, und mit
der Einnahme dieser Festung im Oktober war der Feldzug dieses Jahres zu
Ende. Die Armee bezog Winterquartiere und dem württembergischen Regi-
ment war hiezu ein Comitat in Oberungarn angewiesen, in das es einen
dreiwöchentlicher Marsch anzutreten hatte. War schon dieser Marsch sehr
anstrengend und mühsam — es fehlte oft an Brod, an Wasser und immer
an Geld — so waren auch die Quartiere in den kleinen ungarischen Dörfern


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[0111] heit, Mangel an Ausrüstung, vor Allem aber die rückständigen holländischen Gelder werden von den Einzelnen als Gründe gegen die Expedition auf¬ geführt, die denn auch verlassen wird. Dagegen kommt Ende desselben Jahres noch ein Vertrag mit Oestreich zu Stande, wonach diesem ein vollständig ausgerüstetes Regiment zu 2300 Mann gestellt werden soll. Der Kaiser be¬ dingt sich dabei hauptsächlich und expresse aus, „daß keine bei Unseren kaiserl. Regimentern verbotene Nationalisten, als Franzosen. Italiener, Polaken, Hungarn. Croaten, auch alle anderen, so nicht pure Teutsche sind, und w speeiö keine, so von anderen Unsern kaiserl. Regimentern desertirt, bei der Musterung werden gestellt und angenommen werden können." Das Regiment wird durch Werbung im Frühjahr 1716 zusammengebracht und in Ulm auf der Donau eingeschifft. Es sollte bis Baja im Ungarland fahren und hier der kaiserlichen Armee unter dem Befehl des Prinzen Eugen von Savoyen. dessen freundvetterlicher Gefälligkeit der Herzog sein Regiment besonders recommandirt, einverleibt werden. Die Desertionen, die Plage aller damaligen Heere, fingen freilich bereits in der Heimath an. Schon in Ulm schreibt der Oberst: „Die Explication des Ayds. desgleichen die vor. gehaltene schwere Strafe des Meinayds hat nicht sonderlich gefruchtet, indem den Marsch über von Göppingen bis diser 24 Mann desertirt seynd." Bis Wien gingen wieder 46 Mann verloren, wozu die auf dem Lande gehaltenen Nachtstationen Gelegenheit gaben. Doch erhalten die Württemberger später das Zeugniß, daß die Desertionen bei ihnen geringer seien, als bei den übrigen Truppen. Die Klagen über Mangel in den Regimentscassen be¬ ginnen gleichfalls schon unterwegs. Die kaiserliche Armee wurde bei Peterwardein concentrirt. Die Türken schickten sich an. die Festung zu belagern, aber noch ehe sie ihre Arbeiten vollendet hatten, lieferte ihnen Prinz Eugen die Schlacht vom 6. August, welche die Türken mit Zurücklassung ihres Lagers zur Flucht nöthigte. Das Regiment hatte an der Schlacht, die im Grunde ein großer Ausfall war. rühmlichen Antheil genommen, und ein Schreiben des Kaisers an den Oberst belobte es wegen der „sonderbaren Tapferkeit und Standhaftigkeit, die es in der vorgefallenen Feldschlacht und dabei erfochtenen herrlichen Sieg erwiesen." Von da ging es in beschwerlichen Märschen — das Lager mußte zuweilen „gar verdrießlich" in Morästen gehalten werden — nach Temesvar, und mit der Einnahme dieser Festung im Oktober war der Feldzug dieses Jahres zu Ende. Die Armee bezog Winterquartiere und dem württembergischen Regi- ment war hiezu ein Comitat in Oberungarn angewiesen, in das es einen dreiwöchentlicher Marsch anzutreten hatte. War schon dieser Marsch sehr anstrengend und mühsam — es fehlte oft an Brod, an Wasser und immer an Geld — so waren auch die Quartiere in den kleinen ungarischen Dörfern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/111>, abgerufen am 24.07.2024.