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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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verständigen, wie die Actionen auf den Geist der Bevölkerung zurückwirken, wie
das Heerwesen sich innerhalb so enger Grenzen gestalten muß. auf welche Weise
man immer erhöhten Anforderungen gerecht zu werden versucht , solche Fragen
reizen stärker als die äußeren Schicksale einer abenteuernden Kriegstruppe. Es
ist mit einem Wort mehr ein culturgeschichtliches als ein historisches Interesse,
das sich an eine solche territoriale Kriegsgeschichte knüpft, und es ist das
Verdienst der Schrift, welche wir anzeigen, diesen culturgeschichtlichen Zu¬
sammenhang mit Absicht festzuhalten, während sie im Uebrigen eine treue
und ausführliche, aus den Acten geschöpfte Erzählung gibt, welche sich zu¬
nächst an die Geschichte eines einzelnen besonders schicksalsreichen Regiments
anlehnt.

Mit dem dreißigjährigen Krieg vollendete sich die Souverainetät der
Territorialfürsten und damit vollzog sich auch im Heerwesen eine durch¬
greifende Veränderung. Sofern noch Pflichten gegen das Reich bestanden,
konnte man diese durch ein jeweiliges Aufgebot erfüllen, das ein letzter
Rest, in seiner Ausführung jedoch vielmehr die Carricatur der früheren allge¬
meinen Heerespflicht war. Aber daneben brauchte jetzt der Fürst seine eigene
stehende Truppe. Als Inbegriff des Staats hatte er auch allein für dessen
Vertheidigung zu sorgen. Bürger und Bauern hatten nur das Material zu
liefern, über das er nach Gutdünken verfügte; die Heere, theils geworben,
theils ausgehoben, waren sein Eigenthum.

Da war es nun die Hauptschwierigkeit für den Fürsten, die Mittel für
diese stehenden Heere aufzubringen. Die Steuerkraft des Volks war nach
den erschöpfenden Kriegen und bei den damaligen Verhältnissen des Erwerbs
und des Verkehrs aufs Aeußerste beschränkt. Zunächst empfahl es sich, nach
französischem Beispiel zu indirecten Steuern zu greifen: Sporteln, Dispen-
sationen. Verkauf von Aemtern eröffneten neue, beliebig steigerungsfähige
Hülfsquellen. Allein es waren noch Stände vorhanden, die sich aus allen
Kräften gegen die Errichtung von stehenden Heeren wehrten. Zwar büßten
sie in dieser Zeit mehr und mehr von ihrer alten Bedeutung ein. sie waren
schließlich nur noch eine Vertretung der privilegirten Classen, der land¬
ständische Ausschuß ein oligarchisches Institut. Aber gerade die Wehrfrage
bildete fortwährend einen Hauptzankapfel zwischen Fürst und Ständen. Diese
beriefen sich auf ihre alten Freiheiten: es sei hergebrachtes Recht, daß nur
im Fall eines Krieges ein Aufgebot erfolgen dürfe, geworbene Truppen "seien
im Frieden weder nöthig, noch nützlich, noch herkömmlich, noch möglich."
Allein die, württembergischen Herzoge ließen sich durch die Hartnäckigkeit der
Stände in ihren "gloriosen Intentionen" nicht beirren. Eberhard Ludwig
erklärte, daß er lieber an seinen sonstigen Plaisirs sich etwas versagen, als
seinen Militairstaat vermindern wolle. Das Ende war immer, daß unter,


verständigen, wie die Actionen auf den Geist der Bevölkerung zurückwirken, wie
das Heerwesen sich innerhalb so enger Grenzen gestalten muß. auf welche Weise
man immer erhöhten Anforderungen gerecht zu werden versucht , solche Fragen
reizen stärker als die äußeren Schicksale einer abenteuernden Kriegstruppe. Es
ist mit einem Wort mehr ein culturgeschichtliches als ein historisches Interesse,
das sich an eine solche territoriale Kriegsgeschichte knüpft, und es ist das
Verdienst der Schrift, welche wir anzeigen, diesen culturgeschichtlichen Zu¬
sammenhang mit Absicht festzuhalten, während sie im Uebrigen eine treue
und ausführliche, aus den Acten geschöpfte Erzählung gibt, welche sich zu¬
nächst an die Geschichte eines einzelnen besonders schicksalsreichen Regiments
anlehnt.

Mit dem dreißigjährigen Krieg vollendete sich die Souverainetät der
Territorialfürsten und damit vollzog sich auch im Heerwesen eine durch¬
greifende Veränderung. Sofern noch Pflichten gegen das Reich bestanden,
konnte man diese durch ein jeweiliges Aufgebot erfüllen, das ein letzter
Rest, in seiner Ausführung jedoch vielmehr die Carricatur der früheren allge¬
meinen Heerespflicht war. Aber daneben brauchte jetzt der Fürst seine eigene
stehende Truppe. Als Inbegriff des Staats hatte er auch allein für dessen
Vertheidigung zu sorgen. Bürger und Bauern hatten nur das Material zu
liefern, über das er nach Gutdünken verfügte; die Heere, theils geworben,
theils ausgehoben, waren sein Eigenthum.

Da war es nun die Hauptschwierigkeit für den Fürsten, die Mittel für
diese stehenden Heere aufzubringen. Die Steuerkraft des Volks war nach
den erschöpfenden Kriegen und bei den damaligen Verhältnissen des Erwerbs
und des Verkehrs aufs Aeußerste beschränkt. Zunächst empfahl es sich, nach
französischem Beispiel zu indirecten Steuern zu greifen: Sporteln, Dispen-
sationen. Verkauf von Aemtern eröffneten neue, beliebig steigerungsfähige
Hülfsquellen. Allein es waren noch Stände vorhanden, die sich aus allen
Kräften gegen die Errichtung von stehenden Heeren wehrten. Zwar büßten
sie in dieser Zeit mehr und mehr von ihrer alten Bedeutung ein. sie waren
schließlich nur noch eine Vertretung der privilegirten Classen, der land¬
ständische Ausschuß ein oligarchisches Institut. Aber gerade die Wehrfrage
bildete fortwährend einen Hauptzankapfel zwischen Fürst und Ständen. Diese
beriefen sich auf ihre alten Freiheiten: es sei hergebrachtes Recht, daß nur
im Fall eines Krieges ein Aufgebot erfolgen dürfe, geworbene Truppen „seien
im Frieden weder nöthig, noch nützlich, noch herkömmlich, noch möglich."
Allein die, württembergischen Herzoge ließen sich durch die Hartnäckigkeit der
Stände in ihren „gloriosen Intentionen" nicht beirren. Eberhard Ludwig
erklärte, daß er lieber an seinen sonstigen Plaisirs sich etwas versagen, als
seinen Militairstaat vermindern wolle. Das Ende war immer, daß unter,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/109>, abgerufen am 24.07.2024.