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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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jetzt nach 1866 politisch thut. Der getrennt constituirte Süden aber hätte den
Zugang zum Weltmarkte verloren.

Der Septembervertrag, neben der Erwerbung des Jahdebusens der ein¬
zige Erfolg des Ministeriums Manteuffel, war auch insofern Ausgangs¬
punkt einer neuen Richtung, als auf Hannovers Verlangen eine Reihe
von Zöllen herabgesetzt ward; der Norden trat damit in um so ernsteren
Widerspruch zu dem Süden, welcher noch Erhöhung der schon bestehenden
verlangte; demgemäß kündigte Preußen die Verträge mit der Maßgabe, daß
es den Zollverein nur mit den Regierungen fortzusetzen beabsichtige, welche
den Septembervertrag annehmen würden, erklärte sich aber bereit zu einem
Handelsvertrage mit Oestreich auf breiter Grundlage. Oestreich und seine
Verbündeten sahen ihre Politik durch diesen Schachzug empfindlich durchkreuzt,
aber gaben das Spiel noch nicht verloren. Indeß konnte ihr factischer Wider¬
stand, der bei Staaten wie Sachsen, welches ganz auf die Verbindung mit
Preußen angewiesen war, geradezu unbegreiflich erschien, der Macht der Ver¬
hältnisse doch nicht die Spitze bieten; auch wurde ihnen selbst etwas bange
vor den Consequenzen der Zolleinigung mit Oestreich im Hinblick auf dessen
Tabaksmonopol und Papiergeld; sie verlangten also vom Wiener Cabinet
eine Garantie ihrer bisherigen Zolleinkünste. In Geldsachen aber hört be¬
kanntlich die Gemüthlichkeit auf und so wich Oestreich dieser Forderung aus,
obwohl es die Hoffnung auf die Gewährung der Garantie nicht direct ab¬
schnitt; dos chronische Deficit aber und die zerrütteten Geldverhältnisse mußten
von der Uebernahme einer dauernden und nicht zu übersehenden Verbindlich¬
keit zurückschrecken. Man sah in Wien schließlich ein, daß man nicht die
Mittel in der Hand habe, die Zolleinigung durchzuführen, zumal dieselbe bei
den östreichischen Industriellen, welche die Concurrenz der zollvereinsländischen
College" fürchteten, lebhaften Widerspruch fand. So entschloß man sich rasch,
die eigenen Verbündeten fallen zu lassen, und knüpfte über deren Kopf noch
directe Unterhandlungen mit Berlin an, um zu einem Ausgleich zu kommen;
unter dem Einfluß eines Besuchs des Kaisers kam der Vertrag vom 19. Fe-
bruar 1853 zwischen Oestreich und Preußen zu Stande, und nun hatten die
Darmstädter Coalirten einfach ihr ?atsr xsoeavi zu sagen und den Sey.
tembervertrag zu acceptiren; am 4. April 18S3 wurde der Zollverein auf
12 Jahre erneuert.

In dem vorliegenden Buche hätte dieser wichtige Vertrag, der nament¬
lich später bei den Verhandlungen mit Frankreich eine so bedeutsame Rolle
spielte, wohl eingehender besprochen werden können. Allerdings wurde
durch denselben der Hauptangriff Oestreichs vereitelt, Brück, welcher Alles
aufgeboten, um das Siebzig-Millionenreich, welches auf politischem Gebiet
durch die Einsprache Englands und Frankreichs gescheitert war, wenigstens


jetzt nach 1866 politisch thut. Der getrennt constituirte Süden aber hätte den
Zugang zum Weltmarkte verloren.

Der Septembervertrag, neben der Erwerbung des Jahdebusens der ein¬
zige Erfolg des Ministeriums Manteuffel, war auch insofern Ausgangs¬
punkt einer neuen Richtung, als auf Hannovers Verlangen eine Reihe
von Zöllen herabgesetzt ward; der Norden trat damit in um so ernsteren
Widerspruch zu dem Süden, welcher noch Erhöhung der schon bestehenden
verlangte; demgemäß kündigte Preußen die Verträge mit der Maßgabe, daß
es den Zollverein nur mit den Regierungen fortzusetzen beabsichtige, welche
den Septembervertrag annehmen würden, erklärte sich aber bereit zu einem
Handelsvertrage mit Oestreich auf breiter Grundlage. Oestreich und seine
Verbündeten sahen ihre Politik durch diesen Schachzug empfindlich durchkreuzt,
aber gaben das Spiel noch nicht verloren. Indeß konnte ihr factischer Wider¬
stand, der bei Staaten wie Sachsen, welches ganz auf die Verbindung mit
Preußen angewiesen war, geradezu unbegreiflich erschien, der Macht der Ver¬
hältnisse doch nicht die Spitze bieten; auch wurde ihnen selbst etwas bange
vor den Consequenzen der Zolleinigung mit Oestreich im Hinblick auf dessen
Tabaksmonopol und Papiergeld; sie verlangten also vom Wiener Cabinet
eine Garantie ihrer bisherigen Zolleinkünste. In Geldsachen aber hört be¬
kanntlich die Gemüthlichkeit auf und so wich Oestreich dieser Forderung aus,
obwohl es die Hoffnung auf die Gewährung der Garantie nicht direct ab¬
schnitt; dos chronische Deficit aber und die zerrütteten Geldverhältnisse mußten
von der Uebernahme einer dauernden und nicht zu übersehenden Verbindlich¬
keit zurückschrecken. Man sah in Wien schließlich ein, daß man nicht die
Mittel in der Hand habe, die Zolleinigung durchzuführen, zumal dieselbe bei
den östreichischen Industriellen, welche die Concurrenz der zollvereinsländischen
College« fürchteten, lebhaften Widerspruch fand. So entschloß man sich rasch,
die eigenen Verbündeten fallen zu lassen, und knüpfte über deren Kopf noch
directe Unterhandlungen mit Berlin an, um zu einem Ausgleich zu kommen;
unter dem Einfluß eines Besuchs des Kaisers kam der Vertrag vom 19. Fe-
bruar 1853 zwischen Oestreich und Preußen zu Stande, und nun hatten die
Darmstädter Coalirten einfach ihr ?atsr xsoeavi zu sagen und den Sey.
tembervertrag zu acceptiren; am 4. April 18S3 wurde der Zollverein auf
12 Jahre erneuert.

In dem vorliegenden Buche hätte dieser wichtige Vertrag, der nament¬
lich später bei den Verhandlungen mit Frankreich eine so bedeutsame Rolle
spielte, wohl eingehender besprochen werden können. Allerdings wurde
durch denselben der Hauptangriff Oestreichs vereitelt, Brück, welcher Alles
aufgeboten, um das Siebzig-Millionenreich, welches auf politischem Gebiet
durch die Einsprache Englands und Frankreichs gescheitert war, wenigstens


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/104>, abgerufen am 24.07.2024.