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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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landwirtschaftlichen Lehranstalt für Tirol aussprach. Schon damals hatte sich K. v.
Zallinger mit einer "niederen" Ackerbauschule begnügen wollen. Aber auch diese wäre
wahrscheinlich eingeschlafen, wenn nicht die Feilbietung jenes Klostergutes einem frei¬
sinnigen Mitgliede des Landesausschusses Anlaß gegeben hätte, die Sache wiederum in
Anregung zu bringen. Das Ergebniß der desfallsigen Nachforschungen lautete sowohl
betreffs der Tauglichkeit als des Schätzungspreises günstig. Da trat ein neues Hinder¬
niß, die Eifersucht des Nordens mit dem Süden, dazwischen. Trotz des Gutachtens
der Sachkundigen, daß sich die dortigen Niederungen, Berghöfe und Alpen zum Be¬
trieb sämmtlicher Culturzwcige von Tirol eigneten, war das Bedürfniß beider Landes¬
theile noch nicht genug berücksichtigt und sollten diesfalls bei, der nächsten Session
neue Anträge gestellt werden; nur der Ankauf wurde schon jetzt beschlossen. Dafür
stimmten mit Ausnahme eines einzigen Bauers alle Clericalen, weil Freiherr Ignaz
Giovanelli das Geschäft für vortheilhaft erklärt hatte.

Allmälig kam es nun auch an die Regierungsvorlagen. Der schwarze Club
hatte das Stichwort ausgegeben! "der Landtag" (d. i. seine clerical-feudale Mehr¬
heit) "wird nachgiebig sein, wo es sich nicht um Grundsätze handelt: betreffs
dieser hören aber alle Concessionen auf." Wie er diese Nachgiebigkeit verstand,
zeigte sich gleich beim Gesetz für Realschulen. Die Regierung wollte die öffent¬
lichen Semcstral- und Jahresprüfungen abschaffen: der Ausschuß für Schulange¬
legenheiten verlangte sie ausdrücklich, denn diese Schaustellungen standen in der
Ilm-tlo swäiornm der Jesuiten und ihre Lehrmethode ist die allein richtige. Als
nun der Statthalter erklärte, das Festhalten an den Scmesiral- und Schlußprüfungen
sei ein Angriff auf das System, das die Regierung bei den Mittel- und Hoch¬
schulen seit Jahren angenommen, und stelle das ganze Gesetz in Frage, beantragte
Graf Brandis die Weglassung ihres ausdrücklichen Verbotes; der versöhnliche Bischof
von Brixen aber verlangte, daß darüber besonders abgestimmt werde, da er sonst
"nicht einmal Gelegenheit hätte zu constatiren, wie er in Betreff der Schulprüfungen
eigentlich gesinnt sei." Da die ganze Rechte der Eminenz beitrat, sind die Schul¬
prüfungen durch diesen Gesetzentwurf zum mindesten nicht ausgeschlossen worden.

Noch deutlicher trat der ultramontane Pferdefuß bei der Abänderung des Ge-
mcindegesetzes zu Tage. Dieses sür ganz Oestreich im Jahre 1859 erlassene Gesetz
zählt zu den Gemeindemitgliedern außer den Angehörigen auch die Genossen, wo¬
runter man jene Staatsbürger versteht, die, ohne in der Gemeinde ihres Wohn¬
sitzes .heimatsberechtigt zu sein, daselbst von ihrem Nealbesitze, Erwerb- oder Ein¬
kommen Steuer entrichten. In allen übrigen Kronländern waltete dagegen kein An¬
stand ob, nur in Tirol wollte man ihnen aus Furcht vor Protestanten und Juden
die Mitgliedschaft nicht gewähren; nach der tiroler Gemeindeordnung, die in der
segensreichen Zeit Belcredi's zu Stande kam, sollten sie zwar zu allen Lasten der
Gemeinde beitragen, aber nicht die Rechte der Angehörigen theilen. Der Reichs¬
rath hatte gerade,aus Anlaß der für Tirol gemachten Ausnahme den allgemeinen
Grundsatz ausgesprochen, daß den Genossen das active und passive Wahlrecht zur
Gemeindevertretung unter denselben Bedingungen zukomme wie den Angehörigen,
und eine entsprechende Regierungsvorlage bezweckte die Durchführung dieses Gesetzes
in Tirol. Der sür Gemeindeangelegenheiten gewählte Ausschuß sträubte sich dagegen
unter mancherlei Vorwänden; endlich gelang es dem Statthalter bei zufälliger Ab¬
wesenheit der beiden Leithammel noch in letzter Stunde unter den übrigen acht auch
die sechs clericalen Stimmen zu gewinnen, wodurch die Annahme des Gesetzes im
Hause gesichert schien, da an der Unterstützung der Linken nicht zu zweifeln war.
Diesem Schlag für das Land mußte um jeden Preis vorgebeugt werden, und wieder
war es Giovanelli, dessen gute Schule auch diesmal aushalf. Als Beamter konnte
er sich persönlicher Rücksichten halber nicht offen gegen ein Reichsgcsctz auflehnen;
vom dreisten Polterer Greuter war man dies schon längst gewohnt, es wurde daher
dieser als Sturmbock vorgeschoben. Kaum war die Debatte eröffnet, so erhob sich


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landwirtschaftlichen Lehranstalt für Tirol aussprach. Schon damals hatte sich K. v.
Zallinger mit einer „niederen" Ackerbauschule begnügen wollen. Aber auch diese wäre
wahrscheinlich eingeschlafen, wenn nicht die Feilbietung jenes Klostergutes einem frei¬
sinnigen Mitgliede des Landesausschusses Anlaß gegeben hätte, die Sache wiederum in
Anregung zu bringen. Das Ergebniß der desfallsigen Nachforschungen lautete sowohl
betreffs der Tauglichkeit als des Schätzungspreises günstig. Da trat ein neues Hinder¬
niß, die Eifersucht des Nordens mit dem Süden, dazwischen. Trotz des Gutachtens
der Sachkundigen, daß sich die dortigen Niederungen, Berghöfe und Alpen zum Be¬
trieb sämmtlicher Culturzwcige von Tirol eigneten, war das Bedürfniß beider Landes¬
theile noch nicht genug berücksichtigt und sollten diesfalls bei, der nächsten Session
neue Anträge gestellt werden; nur der Ankauf wurde schon jetzt beschlossen. Dafür
stimmten mit Ausnahme eines einzigen Bauers alle Clericalen, weil Freiherr Ignaz
Giovanelli das Geschäft für vortheilhaft erklärt hatte.

Allmälig kam es nun auch an die Regierungsvorlagen. Der schwarze Club
hatte das Stichwort ausgegeben! „der Landtag" (d. i. seine clerical-feudale Mehr¬
heit) „wird nachgiebig sein, wo es sich nicht um Grundsätze handelt: betreffs
dieser hören aber alle Concessionen auf." Wie er diese Nachgiebigkeit verstand,
zeigte sich gleich beim Gesetz für Realschulen. Die Regierung wollte die öffent¬
lichen Semcstral- und Jahresprüfungen abschaffen: der Ausschuß für Schulange¬
legenheiten verlangte sie ausdrücklich, denn diese Schaustellungen standen in der
Ilm-tlo swäiornm der Jesuiten und ihre Lehrmethode ist die allein richtige. Als
nun der Statthalter erklärte, das Festhalten an den Scmesiral- und Schlußprüfungen
sei ein Angriff auf das System, das die Regierung bei den Mittel- und Hoch¬
schulen seit Jahren angenommen, und stelle das ganze Gesetz in Frage, beantragte
Graf Brandis die Weglassung ihres ausdrücklichen Verbotes; der versöhnliche Bischof
von Brixen aber verlangte, daß darüber besonders abgestimmt werde, da er sonst
„nicht einmal Gelegenheit hätte zu constatiren, wie er in Betreff der Schulprüfungen
eigentlich gesinnt sei." Da die ganze Rechte der Eminenz beitrat, sind die Schul¬
prüfungen durch diesen Gesetzentwurf zum mindesten nicht ausgeschlossen worden.

Noch deutlicher trat der ultramontane Pferdefuß bei der Abänderung des Ge-
mcindegesetzes zu Tage. Dieses sür ganz Oestreich im Jahre 1859 erlassene Gesetz
zählt zu den Gemeindemitgliedern außer den Angehörigen auch die Genossen, wo¬
runter man jene Staatsbürger versteht, die, ohne in der Gemeinde ihres Wohn¬
sitzes .heimatsberechtigt zu sein, daselbst von ihrem Nealbesitze, Erwerb- oder Ein¬
kommen Steuer entrichten. In allen übrigen Kronländern waltete dagegen kein An¬
stand ob, nur in Tirol wollte man ihnen aus Furcht vor Protestanten und Juden
die Mitgliedschaft nicht gewähren; nach der tiroler Gemeindeordnung, die in der
segensreichen Zeit Belcredi's zu Stande kam, sollten sie zwar zu allen Lasten der
Gemeinde beitragen, aber nicht die Rechte der Angehörigen theilen. Der Reichs¬
rath hatte gerade,aus Anlaß der für Tirol gemachten Ausnahme den allgemeinen
Grundsatz ausgesprochen, daß den Genossen das active und passive Wahlrecht zur
Gemeindevertretung unter denselben Bedingungen zukomme wie den Angehörigen,
und eine entsprechende Regierungsvorlage bezweckte die Durchführung dieses Gesetzes
in Tirol. Der sür Gemeindeangelegenheiten gewählte Ausschuß sträubte sich dagegen
unter mancherlei Vorwänden; endlich gelang es dem Statthalter bei zufälliger Ab¬
wesenheit der beiden Leithammel noch in letzter Stunde unter den übrigen acht auch
die sechs clericalen Stimmen zu gewinnen, wodurch die Annahme des Gesetzes im
Hause gesichert schien, da an der Unterstützung der Linken nicht zu zweifeln war.
Diesem Schlag für das Land mußte um jeden Preis vorgebeugt werden, und wieder
war es Giovanelli, dessen gute Schule auch diesmal aushalf. Als Beamter konnte
er sich persönlicher Rücksichten halber nicht offen gegen ein Reichsgcsctz auflehnen;
vom dreisten Polterer Greuter war man dies schon längst gewohnt, es wurde daher
dieser als Sturmbock vorgeschoben. Kaum war die Debatte eröffnet, so erhob sich


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[0086] landwirtschaftlichen Lehranstalt für Tirol aussprach. Schon damals hatte sich K. v. Zallinger mit einer „niederen" Ackerbauschule begnügen wollen. Aber auch diese wäre wahrscheinlich eingeschlafen, wenn nicht die Feilbietung jenes Klostergutes einem frei¬ sinnigen Mitgliede des Landesausschusses Anlaß gegeben hätte, die Sache wiederum in Anregung zu bringen. Das Ergebniß der desfallsigen Nachforschungen lautete sowohl betreffs der Tauglichkeit als des Schätzungspreises günstig. Da trat ein neues Hinder¬ niß, die Eifersucht des Nordens mit dem Süden, dazwischen. Trotz des Gutachtens der Sachkundigen, daß sich die dortigen Niederungen, Berghöfe und Alpen zum Be¬ trieb sämmtlicher Culturzwcige von Tirol eigneten, war das Bedürfniß beider Landes¬ theile noch nicht genug berücksichtigt und sollten diesfalls bei, der nächsten Session neue Anträge gestellt werden; nur der Ankauf wurde schon jetzt beschlossen. Dafür stimmten mit Ausnahme eines einzigen Bauers alle Clericalen, weil Freiherr Ignaz Giovanelli das Geschäft für vortheilhaft erklärt hatte. Allmälig kam es nun auch an die Regierungsvorlagen. Der schwarze Club hatte das Stichwort ausgegeben! „der Landtag" (d. i. seine clerical-feudale Mehr¬ heit) „wird nachgiebig sein, wo es sich nicht um Grundsätze handelt: betreffs dieser hören aber alle Concessionen auf." Wie er diese Nachgiebigkeit verstand, zeigte sich gleich beim Gesetz für Realschulen. Die Regierung wollte die öffent¬ lichen Semcstral- und Jahresprüfungen abschaffen: der Ausschuß für Schulange¬ legenheiten verlangte sie ausdrücklich, denn diese Schaustellungen standen in der Ilm-tlo swäiornm der Jesuiten und ihre Lehrmethode ist die allein richtige. Als nun der Statthalter erklärte, das Festhalten an den Scmesiral- und Schlußprüfungen sei ein Angriff auf das System, das die Regierung bei den Mittel- und Hoch¬ schulen seit Jahren angenommen, und stelle das ganze Gesetz in Frage, beantragte Graf Brandis die Weglassung ihres ausdrücklichen Verbotes; der versöhnliche Bischof von Brixen aber verlangte, daß darüber besonders abgestimmt werde, da er sonst „nicht einmal Gelegenheit hätte zu constatiren, wie er in Betreff der Schulprüfungen eigentlich gesinnt sei." Da die ganze Rechte der Eminenz beitrat, sind die Schul¬ prüfungen durch diesen Gesetzentwurf zum mindesten nicht ausgeschlossen worden. Noch deutlicher trat der ultramontane Pferdefuß bei der Abänderung des Ge- mcindegesetzes zu Tage. Dieses sür ganz Oestreich im Jahre 1859 erlassene Gesetz zählt zu den Gemeindemitgliedern außer den Angehörigen auch die Genossen, wo¬ runter man jene Staatsbürger versteht, die, ohne in der Gemeinde ihres Wohn¬ sitzes .heimatsberechtigt zu sein, daselbst von ihrem Nealbesitze, Erwerb- oder Ein¬ kommen Steuer entrichten. In allen übrigen Kronländern waltete dagegen kein An¬ stand ob, nur in Tirol wollte man ihnen aus Furcht vor Protestanten und Juden die Mitgliedschaft nicht gewähren; nach der tiroler Gemeindeordnung, die in der segensreichen Zeit Belcredi's zu Stande kam, sollten sie zwar zu allen Lasten der Gemeinde beitragen, aber nicht die Rechte der Angehörigen theilen. Der Reichs¬ rath hatte gerade,aus Anlaß der für Tirol gemachten Ausnahme den allgemeinen Grundsatz ausgesprochen, daß den Genossen das active und passive Wahlrecht zur Gemeindevertretung unter denselben Bedingungen zukomme wie den Angehörigen, und eine entsprechende Regierungsvorlage bezweckte die Durchführung dieses Gesetzes in Tirol. Der sür Gemeindeangelegenheiten gewählte Ausschuß sträubte sich dagegen unter mancherlei Vorwänden; endlich gelang es dem Statthalter bei zufälliger Ab¬ wesenheit der beiden Leithammel noch in letzter Stunde unter den übrigen acht auch die sechs clericalen Stimmen zu gewinnen, wodurch die Annahme des Gesetzes im Hause gesichert schien, da an der Unterstützung der Linken nicht zu zweifeln war. Diesem Schlag für das Land mußte um jeden Preis vorgebeugt werden, und wieder war es Giovanelli, dessen gute Schule auch diesmal aushalf. Als Beamter konnte er sich persönlicher Rücksichten halber nicht offen gegen ein Reichsgcsctz auflehnen; vom dreisten Polterer Greuter war man dies schon längst gewohnt, es wurde daher dieser als Sturmbock vorgeschoben. Kaum war die Debatte eröffnet, so erhob sich 10'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/86>, abgerufen am 28.09.2024.