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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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führt wurde, vielmehr eine Militärrevolution war, wie sie in Spanien ge¬
bräuchlich sind, nur daß sie diesmal direct auf Beseitigung der Dynastie gerich¬
tet war. Man begnügte sich aber nicht bei dieser Planlosigkeit, sondern that
positive Schritte nach der falschen Seite: man gab dem Volke Waffen, be¬
schäftigte die Nichtbesitzenden auf öffentliche Kosten und schaffte in dem Augen¬
blick steigender Ausgaben ordentliche Einnahmen ab. Die Folge war das
Mißlingen des Urlebens, die Unmöglichkeit jene unnützen öffentlichen Arbeiten
lange fortzuführen, die Nothwendigkeit dem Volke die Waffen wieder zu
nehmen. Dies führte consequent zur dritten Phase, dem Ausbruch der Feind¬
seligkeiten zwischen den Parteien und localen Aufständen. Der traurige Zu¬
stand der öffentlichen Lassen nöthigte die Regierung in Madrid, die Löhne
der Arbeiter herabzusetzen; nur durch die überlegene Militärmacht, welche
in der Hauptstadt concentrirt war. gelang es einen Aufstand zu verhindern,
in Cadix dagegen brach er aus als man den Versuch machte die Miliz zu
entwaffnen: die Insurgenten behaupteten die Stadt während drei Tagen,
schlugen die Truppen wo sie mit ihnen zusammentrafen und erlangten, als
sie sich zuletzt der entfalteten Uebermacht ergaben, vollständige Amnestie, so
daß sie sich noch als Sieger betrachten. Während dessen ist die Verwirrung
im Mittelpunkt gestiegen: wie groß das Mißtrauender besitzenden Classen ist,
läßt sich daraus abnehmen, daß, obwohl die Regierung ihre Baarzahlungen noch
keinen Augenblick eingestellt hat und die Bank dem Vernehmen, nach in der besten
Verfassung ist, regelmäßig vor derselben Queue gemacht wird und das Goldagio
von 1^2--2 <>/<> permanent erscheint. Starke Baarvorräthe sind durch die Abreise
begüterter Emigrantenfamilien nach Frankreich dem Lande entzogen; die ver¬
mögenderen Einwohner vergraben ihr Gold- und Silberzeug; die Einnahmen
sinken fortwährend, naMntlich bei den Zöllen. Inzwischen steht politisch Alles
anscheinend auf demselben Fleck, ein Zustand, der einem englischen Korrespon¬
denten den bezeichnenden Ausruf entlockte: Mjg is ". rovolution, vMcd äoek>
not rovolve. Die provisorische Regierung hat sich für das monarchische
Princip in abstracto erklärt, aber keinen Monarchen finden können oder
wollen; nachdem sie sich förmlich dahin gebunden hat, daß nur die Nation
den Entscheid über die Staatsform geben dürfe, wird es zu spät sein noch
im letzten Augenblick mit einem italienischen Prinzen als Candidaten hervor¬
zutreten. Dagegen ist Prim's Bestreben, sich den Weg zur Dictatur durch
Begünstigung der Armee zu ebnen, immer durchsichtiger geworden. Diese
beiden Momente erklären die großen Fortschritte der republikanischen Partei.
Was die Mehrzahl der Spanier am meisten und mit Recht fürchtet, ist eine
Militärherrschaft, da aber die Revolution lediglich von der Armee ausgegan¬
gen ist, so würde auch ein zum König erwählter auswärtiger Prinz gänzlich
von ihr abhängen und wenig mehr als ein Chef der Prätorianer sein, von


führt wurde, vielmehr eine Militärrevolution war, wie sie in Spanien ge¬
bräuchlich sind, nur daß sie diesmal direct auf Beseitigung der Dynastie gerich¬
tet war. Man begnügte sich aber nicht bei dieser Planlosigkeit, sondern that
positive Schritte nach der falschen Seite: man gab dem Volke Waffen, be¬
schäftigte die Nichtbesitzenden auf öffentliche Kosten und schaffte in dem Augen¬
blick steigender Ausgaben ordentliche Einnahmen ab. Die Folge war das
Mißlingen des Urlebens, die Unmöglichkeit jene unnützen öffentlichen Arbeiten
lange fortzuführen, die Nothwendigkeit dem Volke die Waffen wieder zu
nehmen. Dies führte consequent zur dritten Phase, dem Ausbruch der Feind¬
seligkeiten zwischen den Parteien und localen Aufständen. Der traurige Zu¬
stand der öffentlichen Lassen nöthigte die Regierung in Madrid, die Löhne
der Arbeiter herabzusetzen; nur durch die überlegene Militärmacht, welche
in der Hauptstadt concentrirt war. gelang es einen Aufstand zu verhindern,
in Cadix dagegen brach er aus als man den Versuch machte die Miliz zu
entwaffnen: die Insurgenten behaupteten die Stadt während drei Tagen,
schlugen die Truppen wo sie mit ihnen zusammentrafen und erlangten, als
sie sich zuletzt der entfalteten Uebermacht ergaben, vollständige Amnestie, so
daß sie sich noch als Sieger betrachten. Während dessen ist die Verwirrung
im Mittelpunkt gestiegen: wie groß das Mißtrauender besitzenden Classen ist,
läßt sich daraus abnehmen, daß, obwohl die Regierung ihre Baarzahlungen noch
keinen Augenblick eingestellt hat und die Bank dem Vernehmen, nach in der besten
Verfassung ist, regelmäßig vor derselben Queue gemacht wird und das Goldagio
von 1^2—2 <>/<> permanent erscheint. Starke Baarvorräthe sind durch die Abreise
begüterter Emigrantenfamilien nach Frankreich dem Lande entzogen; die ver¬
mögenderen Einwohner vergraben ihr Gold- und Silberzeug; die Einnahmen
sinken fortwährend, naMntlich bei den Zöllen. Inzwischen steht politisch Alles
anscheinend auf demselben Fleck, ein Zustand, der einem englischen Korrespon¬
denten den bezeichnenden Ausruf entlockte: Mjg is ». rovolution, vMcd äoek>
not rovolve. Die provisorische Regierung hat sich für das monarchische
Princip in abstracto erklärt, aber keinen Monarchen finden können oder
wollen; nachdem sie sich förmlich dahin gebunden hat, daß nur die Nation
den Entscheid über die Staatsform geben dürfe, wird es zu spät sein noch
im letzten Augenblick mit einem italienischen Prinzen als Candidaten hervor¬
zutreten. Dagegen ist Prim's Bestreben, sich den Weg zur Dictatur durch
Begünstigung der Armee zu ebnen, immer durchsichtiger geworden. Diese
beiden Momente erklären die großen Fortschritte der republikanischen Partei.
Was die Mehrzahl der Spanier am meisten und mit Recht fürchtet, ist eine
Militärherrschaft, da aber die Revolution lediglich von der Armee ausgegan¬
gen ist, so würde auch ein zum König erwählter auswärtiger Prinz gänzlich
von ihr abhängen und wenig mehr als ein Chef der Prätorianer sein, von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/83>, abgerufen am 28.09.2024.