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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Herald, die dortige Times, welches ziemlich als Laubfrosch der öffentlichen
Meinung gelten darf, meint z. B.: fast jede Nation habe in einer oder der
andern Form ihre Schulden ganz oder theilweise repudiirt; jedenfalls müßten
die Staatsgläubiger die Lasten des Volkes tragen helfen und die Zinsen der
Schuld reducirt werden. Bis jetzt ist es vor Allem der Einfluß des Schatz-
secretärs (Finanzministers) Mac Culloch. welcher verhindert hat, daß man
jenen verderblichen Theorien nachgab; in seinem letzten Bericht on tue state
ok tus twiwces heißt es: "die Obligationen wurden negociirt mit der
bestimmten Bedingung, daß sie in Gold zahlbar sein sollten, die Contracte
wurden auf beiden Seiten in gutem Glauben abgeschlossen, theilweise als die
Regierung in dringender Gefahr war und Geld brauchte um ihre Existenz
zu sichern, theilweise als ihre Bedürfnisse kaum weniger dringlich waren für
die Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegen Lieferanten und die tapferen
Männer, durch welche die Nation gerettet ward. Guter Glaube und öffent¬
liche Ehre, die einem Volk über Alles gehen müssen, fordern, daß diese Ver¬
bindlichkeiten in dem Geiste erfüllt werden in dem sie übernommen sind. Die
Inhaber unsrer Obligationen daheim und auswärts, die den Charakter des
Volkes der Vereinigten Staaten und die Größe der nationalen Hilfsquellen
verstehen, sollten keiner Versicherung bedürfen, daß sie demgemäß behandelt
werden." (Report, x. 30. 31.) Das klingt sehr tröstlich für die Staats¬
gläubiger; aber trotzdem 'und unter Protest des Schatzsecretärs hat der Congreß
in seiner letzten Sitzung eine Reihe von Steuern gestrichen, welche Mac
Culloch als nothwendig für das Gleichgewicht des Staatshaushalts erklärte,
und hat keine der empfohlenen Maßregeln angenommen um die Zahlungen in
Metall aufzunehmen. Das kritische Moment für die Bondbesitzer ist der schlechte
Zustand der Staatseinnahmen: der letzte Monatsbericht vom November weist
eine abermalige Zunahme der Schuld um 12 Mill. Doll. nach, im Laufe des
letzten Finanzjahres eine Zunahme von 60 Mill.; die Abtragung der Schuld
steht ganz still. Nun zeigt der Budgetabschluß allerdings noch einen Ueber¬
schuß von ca. 18 Mill.; aber es ist in Betracht zu ziehen, daß die erwähnte
Steuerverminderung erst am 1. März eintrat, also nur vier Monate ihren
Einfluß übte (das amerikanische Finanzjahr läuft vom 1. Juli bis 30. Juni);
in seinem Anschlag für das folgende Jahr schätzt der Schatzsecretär den Aus¬
fall auf 60 Mill. Dabei befindet sich das Land im Frieden, die Armee ist
auf 43.000 Mann reducirt und doch die Klage über Steuerdruck allgemein,
sodaß der Congreß sich schwerlich entschließen wird neue Auflagen zu poliren.
In dieser Lage nun treten die Anwälte der Repudiation auf und zeigen dem
Volke die lockende Aussicht auf plötzliche Befreiung von den drückenden Lasten;
Amerika wird als dem Auslande tributpflichtig dargestellt, welches 600 Mill.
Bonds besitze und dafür die Geldzinsen beziehe; eine große Nationalschuld sei


Herald, die dortige Times, welches ziemlich als Laubfrosch der öffentlichen
Meinung gelten darf, meint z. B.: fast jede Nation habe in einer oder der
andern Form ihre Schulden ganz oder theilweise repudiirt; jedenfalls müßten
die Staatsgläubiger die Lasten des Volkes tragen helfen und die Zinsen der
Schuld reducirt werden. Bis jetzt ist es vor Allem der Einfluß des Schatz-
secretärs (Finanzministers) Mac Culloch. welcher verhindert hat, daß man
jenen verderblichen Theorien nachgab; in seinem letzten Bericht on tue state
ok tus twiwces heißt es: „die Obligationen wurden negociirt mit der
bestimmten Bedingung, daß sie in Gold zahlbar sein sollten, die Contracte
wurden auf beiden Seiten in gutem Glauben abgeschlossen, theilweise als die
Regierung in dringender Gefahr war und Geld brauchte um ihre Existenz
zu sichern, theilweise als ihre Bedürfnisse kaum weniger dringlich waren für
die Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegen Lieferanten und die tapferen
Männer, durch welche die Nation gerettet ward. Guter Glaube und öffent¬
liche Ehre, die einem Volk über Alles gehen müssen, fordern, daß diese Ver¬
bindlichkeiten in dem Geiste erfüllt werden in dem sie übernommen sind. Die
Inhaber unsrer Obligationen daheim und auswärts, die den Charakter des
Volkes der Vereinigten Staaten und die Größe der nationalen Hilfsquellen
verstehen, sollten keiner Versicherung bedürfen, daß sie demgemäß behandelt
werden." (Report, x. 30. 31.) Das klingt sehr tröstlich für die Staats¬
gläubiger; aber trotzdem 'und unter Protest des Schatzsecretärs hat der Congreß
in seiner letzten Sitzung eine Reihe von Steuern gestrichen, welche Mac
Culloch als nothwendig für das Gleichgewicht des Staatshaushalts erklärte,
und hat keine der empfohlenen Maßregeln angenommen um die Zahlungen in
Metall aufzunehmen. Das kritische Moment für die Bondbesitzer ist der schlechte
Zustand der Staatseinnahmen: der letzte Monatsbericht vom November weist
eine abermalige Zunahme der Schuld um 12 Mill. Doll. nach, im Laufe des
letzten Finanzjahres eine Zunahme von 60 Mill.; die Abtragung der Schuld
steht ganz still. Nun zeigt der Budgetabschluß allerdings noch einen Ueber¬
schuß von ca. 18 Mill.; aber es ist in Betracht zu ziehen, daß die erwähnte
Steuerverminderung erst am 1. März eintrat, also nur vier Monate ihren
Einfluß übte (das amerikanische Finanzjahr läuft vom 1. Juli bis 30. Juni);
in seinem Anschlag für das folgende Jahr schätzt der Schatzsecretär den Aus¬
fall auf 60 Mill. Dabei befindet sich das Land im Frieden, die Armee ist
auf 43.000 Mann reducirt und doch die Klage über Steuerdruck allgemein,
sodaß der Congreß sich schwerlich entschließen wird neue Auflagen zu poliren.
In dieser Lage nun treten die Anwälte der Repudiation auf und zeigen dem
Volke die lockende Aussicht auf plötzliche Befreiung von den drückenden Lasten;
Amerika wird als dem Auslande tributpflichtig dargestellt, welches 600 Mill.
Bonds besitze und dafür die Geldzinsen beziehe; eine große Nationalschuld sei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/80>, abgerufen am 28.09.2024.