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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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licher Sicherheit vorauszusetzen ist, wohl auf immer vom Schauplatz der Politik
verschwinden wird, beinahe gleichgiltig sein; mag Johnson auch in einzelnen
Punkten Recht haben, wie z. B. in der Verkehrtheit der vom Congreß durch¬
gesetzten Reconstruction und Militärherrschaft des Südens: seine Ansichten
sind nach der andern Seite so extrem, daß sie nicht praktisch in Betracht
kommen. Aber Bedeutung hat nichtsdestoweniger ein Passus, weil derselbe
einen der wundesten Punkte der amerikanischen Politik betrifft: die Erfüllung
der Verpflichtungen des Staates gegen seine Gläubiger. Es ist eine ominöse
Thatsache, daß der erste Beamte der Union gewagt hat, offen die Repudiation
der Staatsschuld zu befürworten. Er will nämlich einfach die Zinsen wäh¬
rend 16 Jahren zurückbehalten und sie zur Amortisirung des Capitals ver¬
wenden; d. h. er will das Kunststück machen, die Gläubiger mit ihrem eigenen
Gelde zu bezahlen. Nun hat allerdings das Haus der Repräsentanten diese
Theorie mit Indignation zurückgewiesen und mit einer Majorität von 123
gegen 6 Stimmen folgenden Beschluß angenommen: "daß alle Formen und
Arten von Repudiation der Natiomilschuld dem amerikanischen Volke verhaßt
sind und daß seine Vertreter unter keinen Umständen ihre Zustimmung dazu
geben werden, den Staatsgläubigern als volle Compensation einen geringeren
Betrag an Geld anzubieten, als jenen, den die Regierung ihnen zu zahlen
versprochen hat (llwt all torus ana äögreos ok i'öMäiation ot' tlrv na,-
tionul mäebtoänöss oäivus to t.K" ^nilzrioan pooplv ana eine unävi' "<>
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tun eomponsation Ich8 amount ot molto^, tun,u tirat wlrieli tlo Lie>-
vvrnment ooiitraeteä to pg.z? Kien)." Das klingt sehr kategorisch und
auf das Reuter'sche Telegramm von diesem Beschluß sind die amerikanischen
Papiere erheblich gestiegen; aber es ist damit eigentlich Nichts gesagt, als daß
ein offener Vertragsbruch, wie der den Johnson vorschlägt, verworfen wird.
Der Hauptpunkt, um den sich alles dreht, ob nämlich das Capital der üvv-
tvventios, die Hauptmasse der amerikanischen Schuld, namentlich der im Aus¬
land befindlichen, in Geld oder in Papier (euirvne^) zurückgezahlt werden
soll, bleibt von jenem Beschluß ganz unberührt, denn der Streit dreht sich
eben darum, was "Geld" heißt und "was die Regierung zu zahlen ver¬
sprochen hat." Daß in dem Augenblick, als das Anlehen gemacht ward, die
Absicht war, den Gläubigern das Capital in Geld zurückzuzahlen, ist un¬
zweifelhaft: die amerikanischen Papiere standen damals unter 50°/<> und für
die Aussicht, in entwertheten Zetteln bezahlt zu werden, hätte Niemand einen
Cent geliehen; aber es steht dies nicht ausdrücklich in den Obligationen, son¬
dern nur, daß die Zinsen in Geld gezahlt werden sollen, was auch bis jetzt
geschehen: hierauf pochen die Anhänger der Repudiation, welche zu einer bedenk¬
lichen Macht gelangt sind. Das größte Blatt der Union, der New-Uork


licher Sicherheit vorauszusetzen ist, wohl auf immer vom Schauplatz der Politik
verschwinden wird, beinahe gleichgiltig sein; mag Johnson auch in einzelnen
Punkten Recht haben, wie z. B. in der Verkehrtheit der vom Congreß durch¬
gesetzten Reconstruction und Militärherrschaft des Südens: seine Ansichten
sind nach der andern Seite so extrem, daß sie nicht praktisch in Betracht
kommen. Aber Bedeutung hat nichtsdestoweniger ein Passus, weil derselbe
einen der wundesten Punkte der amerikanischen Politik betrifft: die Erfüllung
der Verpflichtungen des Staates gegen seine Gläubiger. Es ist eine ominöse
Thatsache, daß der erste Beamte der Union gewagt hat, offen die Repudiation
der Staatsschuld zu befürworten. Er will nämlich einfach die Zinsen wäh¬
rend 16 Jahren zurückbehalten und sie zur Amortisirung des Capitals ver¬
wenden; d. h. er will das Kunststück machen, die Gläubiger mit ihrem eigenen
Gelde zu bezahlen. Nun hat allerdings das Haus der Repräsentanten diese
Theorie mit Indignation zurückgewiesen und mit einer Majorität von 123
gegen 6 Stimmen folgenden Beschluß angenommen: „daß alle Formen und
Arten von Repudiation der Natiomilschuld dem amerikanischen Volke verhaßt
sind und daß seine Vertreter unter keinen Umständen ihre Zustimmung dazu
geben werden, den Staatsgläubigern als volle Compensation einen geringeren
Betrag an Geld anzubieten, als jenen, den die Regierung ihnen zu zahlen
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auf das Reuter'sche Telegramm von diesem Beschluß sind die amerikanischen
Papiere erheblich gestiegen; aber es ist damit eigentlich Nichts gesagt, als daß
ein offener Vertragsbruch, wie der den Johnson vorschlägt, verworfen wird.
Der Hauptpunkt, um den sich alles dreht, ob nämlich das Capital der üvv-
tvventios, die Hauptmasse der amerikanischen Schuld, namentlich der im Aus¬
land befindlichen, in Geld oder in Papier (euirvne^) zurückgezahlt werden
soll, bleibt von jenem Beschluß ganz unberührt, denn der Streit dreht sich
eben darum, was „Geld" heißt und „was die Regierung zu zahlen ver¬
sprochen hat." Daß in dem Augenblick, als das Anlehen gemacht ward, die
Absicht war, den Gläubigern das Capital in Geld zurückzuzahlen, ist un¬
zweifelhaft: die amerikanischen Papiere standen damals unter 50°/<> und für
die Aussicht, in entwertheten Zetteln bezahlt zu werden, hätte Niemand einen
Cent geliehen; aber es steht dies nicht ausdrücklich in den Obligationen, son¬
dern nur, daß die Zinsen in Geld gezahlt werden sollen, was auch bis jetzt
geschehen: hierauf pochen die Anhänger der Repudiation, welche zu einer bedenk¬
lichen Macht gelangt sind. Das größte Blatt der Union, der New-Uork


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/79>, abgerufen am 28.09.2024.