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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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der Volksschullehrer zunächst nur ein Gesetz zur Feststellung der äußeren
Verhältnisse derselben, namentlich ihrer Besoldungen zu verlangen. Nach dem
"Siege des preußischen Schulmeisters bei Königgrätz" und der Indemnität
wäre nun die Constellation für das Wiedererscheinen des Kometen günstig
gewesen; allein es wurde im Jahre 1867 nur ein auf die äußeren Verhält¬
nisse der Volksschule beschränkter Gesetzentwurf vorgelegt, welcher aber schon
in den Commissions-Berathungen des Herrenhauses sein kurzes Dasein
beschloß. --

Jetzt hat nun das Haus der Abgeordneten gleich vier Schulgesetz-Entwürfe
auf einmal bekommen, allein dieselben sind keineswegs ein "Ganzes in
Stücken", sondern nur ein Stückwerk von Fragmenten. Das Hauptstück
dieser vier Entwürfe, das Gesetz über die Einrichtung und Unterhaltung der
öffentlichen Schule, ruft die größten Bedenken hervor, nicht sowohl durch
das, was es enthält, als durch das, was es nicht enthält, denn selbst die
in. der Resolution von 1865 geforderte Hauptsache, die Höhe des Minimal¬
betrages der Schullehrerbesoldungen regelt -- wenigstens in der Mehrzahl
der Fälle -- das Gesetz nicht selbst, sondern überläßt dies den Beschlüssen
der verschiedenen Provinziallandtage und der Festsetzung der Administrativ¬
behörden. Der zweite Entwurf, das Pensionsgesetz für Elementarlehrer, enthält
zwar solche -- immerhin sehr kärglich bemessene -- Minimalsätze (60--120Thlr.),
macht dagegen den Versuch, die subsidiarische Zahlungspflicht des Staats für
arme Gemeinden auf die übrigen Communen der einzelnen Regierungsbezirke
überzuwälzen. Das dritte Gesetz: "über die Versorgung der Lehrer-Wittwen
und Waisen" mit bogenlangen Motiven ist ein Komet mit großem Schweif,
dessen Kern sich ganz aufgelöst hat, da dasselbe jede positive Bestimmung
vermissen läßt und nur eine Delegation der Befugniß zur beliebigen Orga¬
nisation von Wittwen- und Waisencassen im Verordnungswege oder durch
den Cultusminister enthält. Doch diese drei Entwürfe werden, selbst wenn
ihnen nicht ein Vorbericht ohne Weiteres den Todesstoß versetzt, wohl kaum
ohne wesentliche Umgestaltung aus den Berathungen der Commission in
das Plenum des Abgeordnetenhauses gelangen, während bei dem vierten
Entwürfe, welcher allein von principieller Bedeutung ist, eine Umgestaltung
nicht möglich erscheint, sondern nur ein einfaches "Ja" oder "Nein" übrig
bleibt. Denn der einzige Artikel dieses Gesetzes lautet: "Die Bestimmung
des Art. 25 der Verfassungsurkunde: ""In der öffentlichen Volksschule
wird der Unterricht unentgeltlich ertheilt"" wird aufgehoben."

Wenn die Motive zunächst erklären, daß der Wortlaut dieser Verfassungs¬
bestimmung eine mehrfache Deutung zulasse, so ist dies wohl nur der bittere
Humor einer Hinweisung auf die oft so überaus kärgliche Besoldung der
Volksschullehrer, welche die Ertheilung des Unterrichts zuweilen fast als eine


der Volksschullehrer zunächst nur ein Gesetz zur Feststellung der äußeren
Verhältnisse derselben, namentlich ihrer Besoldungen zu verlangen. Nach dem
„Siege des preußischen Schulmeisters bei Königgrätz" und der Indemnität
wäre nun die Constellation für das Wiedererscheinen des Kometen günstig
gewesen; allein es wurde im Jahre 1867 nur ein auf die äußeren Verhält¬
nisse der Volksschule beschränkter Gesetzentwurf vorgelegt, welcher aber schon
in den Commissions-Berathungen des Herrenhauses sein kurzes Dasein
beschloß. —

Jetzt hat nun das Haus der Abgeordneten gleich vier Schulgesetz-Entwürfe
auf einmal bekommen, allein dieselben sind keineswegs ein „Ganzes in
Stücken", sondern nur ein Stückwerk von Fragmenten. Das Hauptstück
dieser vier Entwürfe, das Gesetz über die Einrichtung und Unterhaltung der
öffentlichen Schule, ruft die größten Bedenken hervor, nicht sowohl durch
das, was es enthält, als durch das, was es nicht enthält, denn selbst die
in. der Resolution von 1865 geforderte Hauptsache, die Höhe des Minimal¬
betrages der Schullehrerbesoldungen regelt — wenigstens in der Mehrzahl
der Fälle — das Gesetz nicht selbst, sondern überläßt dies den Beschlüssen
der verschiedenen Provinziallandtage und der Festsetzung der Administrativ¬
behörden. Der zweite Entwurf, das Pensionsgesetz für Elementarlehrer, enthält
zwar solche — immerhin sehr kärglich bemessene — Minimalsätze (60—120Thlr.),
macht dagegen den Versuch, die subsidiarische Zahlungspflicht des Staats für
arme Gemeinden auf die übrigen Communen der einzelnen Regierungsbezirke
überzuwälzen. Das dritte Gesetz: „über die Versorgung der Lehrer-Wittwen
und Waisen" mit bogenlangen Motiven ist ein Komet mit großem Schweif,
dessen Kern sich ganz aufgelöst hat, da dasselbe jede positive Bestimmung
vermissen läßt und nur eine Delegation der Befugniß zur beliebigen Orga¬
nisation von Wittwen- und Waisencassen im Verordnungswege oder durch
den Cultusminister enthält. Doch diese drei Entwürfe werden, selbst wenn
ihnen nicht ein Vorbericht ohne Weiteres den Todesstoß versetzt, wohl kaum
ohne wesentliche Umgestaltung aus den Berathungen der Commission in
das Plenum des Abgeordnetenhauses gelangen, während bei dem vierten
Entwürfe, welcher allein von principieller Bedeutung ist, eine Umgestaltung
nicht möglich erscheint, sondern nur ein einfaches „Ja" oder „Nein" übrig
bleibt. Denn der einzige Artikel dieses Gesetzes lautet: „Die Bestimmung
des Art. 25 der Verfassungsurkunde: „„In der öffentlichen Volksschule
wird der Unterricht unentgeltlich ertheilt"" wird aufgehoben."

Wenn die Motive zunächst erklären, daß der Wortlaut dieser Verfassungs¬
bestimmung eine mehrfache Deutung zulasse, so ist dies wohl nur der bittere
Humor einer Hinweisung auf die oft so überaus kärgliche Besoldung der
Volksschullehrer, welche die Ertheilung des Unterrichts zuweilen fast als eine


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[0073] der Volksschullehrer zunächst nur ein Gesetz zur Feststellung der äußeren Verhältnisse derselben, namentlich ihrer Besoldungen zu verlangen. Nach dem „Siege des preußischen Schulmeisters bei Königgrätz" und der Indemnität wäre nun die Constellation für das Wiedererscheinen des Kometen günstig gewesen; allein es wurde im Jahre 1867 nur ein auf die äußeren Verhält¬ nisse der Volksschule beschränkter Gesetzentwurf vorgelegt, welcher aber schon in den Commissions-Berathungen des Herrenhauses sein kurzes Dasein beschloß. — Jetzt hat nun das Haus der Abgeordneten gleich vier Schulgesetz-Entwürfe auf einmal bekommen, allein dieselben sind keineswegs ein „Ganzes in Stücken", sondern nur ein Stückwerk von Fragmenten. Das Hauptstück dieser vier Entwürfe, das Gesetz über die Einrichtung und Unterhaltung der öffentlichen Schule, ruft die größten Bedenken hervor, nicht sowohl durch das, was es enthält, als durch das, was es nicht enthält, denn selbst die in. der Resolution von 1865 geforderte Hauptsache, die Höhe des Minimal¬ betrages der Schullehrerbesoldungen regelt — wenigstens in der Mehrzahl der Fälle — das Gesetz nicht selbst, sondern überläßt dies den Beschlüssen der verschiedenen Provinziallandtage und der Festsetzung der Administrativ¬ behörden. Der zweite Entwurf, das Pensionsgesetz für Elementarlehrer, enthält zwar solche — immerhin sehr kärglich bemessene — Minimalsätze (60—120Thlr.), macht dagegen den Versuch, die subsidiarische Zahlungspflicht des Staats für arme Gemeinden auf die übrigen Communen der einzelnen Regierungsbezirke überzuwälzen. Das dritte Gesetz: „über die Versorgung der Lehrer-Wittwen und Waisen" mit bogenlangen Motiven ist ein Komet mit großem Schweif, dessen Kern sich ganz aufgelöst hat, da dasselbe jede positive Bestimmung vermissen läßt und nur eine Delegation der Befugniß zur beliebigen Orga¬ nisation von Wittwen- und Waisencassen im Verordnungswege oder durch den Cultusminister enthält. Doch diese drei Entwürfe werden, selbst wenn ihnen nicht ein Vorbericht ohne Weiteres den Todesstoß versetzt, wohl kaum ohne wesentliche Umgestaltung aus den Berathungen der Commission in das Plenum des Abgeordnetenhauses gelangen, während bei dem vierten Entwürfe, welcher allein von principieller Bedeutung ist, eine Umgestaltung nicht möglich erscheint, sondern nur ein einfaches „Ja" oder „Nein" übrig bleibt. Denn der einzige Artikel dieses Gesetzes lautet: „Die Bestimmung des Art. 25 der Verfassungsurkunde: „„In der öffentlichen Volksschule wird der Unterricht unentgeltlich ertheilt"" wird aufgehoben." Wenn die Motive zunächst erklären, daß der Wortlaut dieser Verfassungs¬ bestimmung eine mehrfache Deutung zulasse, so ist dies wohl nur der bittere Humor einer Hinweisung auf die oft so überaus kärgliche Besoldung der Volksschullehrer, welche die Ertheilung des Unterrichts zuweilen fast als eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/73>, abgerufen am 28.09.2024.