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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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im Lichtstrahl der Flamme gewahrte und nicht umhin konnte, eine Zähre
mit einzumengen. -- Mittlerweile wurde die Flamme kleiner, der Haufen
fiel in Asche zusammen und erinnerte uns an das Ende dieses Tages.
Bei dem letzten Fackelscheine eilte ich unter die Sänger, drückte ihnen die
Hand, durchlief die Reihen und Haufen der übrigen, dankte und bat um ihre
Freundschaft, um Ruhe und Ordnung, die wir verbürgt hätten, und die sie
so rühmlich erhalten. Es möge ein Jeder sich gerade nach Hause begeben
und dadurch die allgemeine Stille der Tageszeit befördern. Neid und Schaden¬
freude könne nicht besser und stärker beschämt werden. -- Das geschah --
und in einer Viertelstunde waren alle Straßen leerer und stiller als gewöhnlich.

Es war etwa halb elf Abends als ich froh wie ein König nach Hause
kam; ich besah meine Rüstung im Spiegel; leider war vom Fackeldampf
Alles, sogar das Gesicht geschwärzt und alle unsere Kleidungen taugten zu
Nichts mehr.

Ich glaube gewiß, daß unsere Feuersäule mit herzerhebenden und rüh¬
rendem Gesänge der braven Männer und ihr feuchtes Auge die allgemeine
Ruhe und innere Stille hervorbrachten. Wie wäre es möglich gewesen, bei
diesen edlen Gefühlen an Mvat, Lärmen und Schreien zu denken. Nein!
die große Zahl der Studenten stimmte in unsere Denkungsart. Du herr¬
liche Musik, deren Instrument die Menschenstimme ist, was vermagst du nicht
mit deinem Zauber!

Die Sache und das gute Ende wurde nach Dresden berichtet: man war
mit den Herrn Entrepreneurs sehr zufrieden.

In den folgenden Tagen wurden wir zu verschiedenen Mittagsmahlen
bei Professoren und in angesehenen Häusern eingeladen und man sagte uns
viel schmeichelhaftes darüber.

Herr Mie hatte indeß viele Mühe mit der Bestreitung des Kostenauf¬
wandes gehabt und es ergab sich noch ein Defect von einigen Hundert Thlrn.
Wir machten eine Handelsspeculation, die wir dem Orte selbst abgelernt
hatten, wir ließen nämlich gegen 2000 Exemplare von der gedruckten Be¬
schreibung dieses Auszugs zu uns bringen -- und von uns erhielt man
ü 4 Groschen per Stück ein Exemplar. Das half: nach einigen Wochen war
Alles vergriffen und Herr Mie versicherte mich, er wäre mit allen Unkosten
ins Reine.

Einige Tage nach diesem Aufzuge fand ich dessen ganze Darstellung auf
dem Markt in Kupfer gestochen, und bald mich selbst als Anführer in allen
Kramläden. Der große Prospect kam 6 Groschen, mein Bild in der Tracht
und illuminirt kaum 2 Groschen. --

Ich reiste an einem schönen Morgen im März ganz früh in Gesellschaft
einiger älterer Freunde aus der Stadt. Wehmüthig war es mir ums Herz


im Lichtstrahl der Flamme gewahrte und nicht umhin konnte, eine Zähre
mit einzumengen. — Mittlerweile wurde die Flamme kleiner, der Haufen
fiel in Asche zusammen und erinnerte uns an das Ende dieses Tages.
Bei dem letzten Fackelscheine eilte ich unter die Sänger, drückte ihnen die
Hand, durchlief die Reihen und Haufen der übrigen, dankte und bat um ihre
Freundschaft, um Ruhe und Ordnung, die wir verbürgt hätten, und die sie
so rühmlich erhalten. Es möge ein Jeder sich gerade nach Hause begeben
und dadurch die allgemeine Stille der Tageszeit befördern. Neid und Schaden¬
freude könne nicht besser und stärker beschämt werden. — Das geschah —
und in einer Viertelstunde waren alle Straßen leerer und stiller als gewöhnlich.

Es war etwa halb elf Abends als ich froh wie ein König nach Hause
kam; ich besah meine Rüstung im Spiegel; leider war vom Fackeldampf
Alles, sogar das Gesicht geschwärzt und alle unsere Kleidungen taugten zu
Nichts mehr.

Ich glaube gewiß, daß unsere Feuersäule mit herzerhebenden und rüh¬
rendem Gesänge der braven Männer und ihr feuchtes Auge die allgemeine
Ruhe und innere Stille hervorbrachten. Wie wäre es möglich gewesen, bei
diesen edlen Gefühlen an Mvat, Lärmen und Schreien zu denken. Nein!
die große Zahl der Studenten stimmte in unsere Denkungsart. Du herr¬
liche Musik, deren Instrument die Menschenstimme ist, was vermagst du nicht
mit deinem Zauber!

Die Sache und das gute Ende wurde nach Dresden berichtet: man war
mit den Herrn Entrepreneurs sehr zufrieden.

In den folgenden Tagen wurden wir zu verschiedenen Mittagsmahlen
bei Professoren und in angesehenen Häusern eingeladen und man sagte uns
viel schmeichelhaftes darüber.

Herr Mie hatte indeß viele Mühe mit der Bestreitung des Kostenauf¬
wandes gehabt und es ergab sich noch ein Defect von einigen Hundert Thlrn.
Wir machten eine Handelsspeculation, die wir dem Orte selbst abgelernt
hatten, wir ließen nämlich gegen 2000 Exemplare von der gedruckten Be¬
schreibung dieses Auszugs zu uns bringen — und von uns erhielt man
ü 4 Groschen per Stück ein Exemplar. Das half: nach einigen Wochen war
Alles vergriffen und Herr Mie versicherte mich, er wäre mit allen Unkosten
ins Reine.

Einige Tage nach diesem Aufzuge fand ich dessen ganze Darstellung auf
dem Markt in Kupfer gestochen, und bald mich selbst als Anführer in allen
Kramläden. Der große Prospect kam 6 Groschen, mein Bild in der Tracht
und illuminirt kaum 2 Groschen. —

Ich reiste an einem schönen Morgen im März ganz früh in Gesellschaft
einiger älterer Freunde aus der Stadt. Wehmüthig war es mir ums Herz


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[0071] im Lichtstrahl der Flamme gewahrte und nicht umhin konnte, eine Zähre mit einzumengen. — Mittlerweile wurde die Flamme kleiner, der Haufen fiel in Asche zusammen und erinnerte uns an das Ende dieses Tages. Bei dem letzten Fackelscheine eilte ich unter die Sänger, drückte ihnen die Hand, durchlief die Reihen und Haufen der übrigen, dankte und bat um ihre Freundschaft, um Ruhe und Ordnung, die wir verbürgt hätten, und die sie so rühmlich erhalten. Es möge ein Jeder sich gerade nach Hause begeben und dadurch die allgemeine Stille der Tageszeit befördern. Neid und Schaden¬ freude könne nicht besser und stärker beschämt werden. — Das geschah — und in einer Viertelstunde waren alle Straßen leerer und stiller als gewöhnlich. Es war etwa halb elf Abends als ich froh wie ein König nach Hause kam; ich besah meine Rüstung im Spiegel; leider war vom Fackeldampf Alles, sogar das Gesicht geschwärzt und alle unsere Kleidungen taugten zu Nichts mehr. Ich glaube gewiß, daß unsere Feuersäule mit herzerhebenden und rüh¬ rendem Gesänge der braven Männer und ihr feuchtes Auge die allgemeine Ruhe und innere Stille hervorbrachten. Wie wäre es möglich gewesen, bei diesen edlen Gefühlen an Mvat, Lärmen und Schreien zu denken. Nein! die große Zahl der Studenten stimmte in unsere Denkungsart. Du herr¬ liche Musik, deren Instrument die Menschenstimme ist, was vermagst du nicht mit deinem Zauber! Die Sache und das gute Ende wurde nach Dresden berichtet: man war mit den Herrn Entrepreneurs sehr zufrieden. In den folgenden Tagen wurden wir zu verschiedenen Mittagsmahlen bei Professoren und in angesehenen Häusern eingeladen und man sagte uns viel schmeichelhaftes darüber. Herr Mie hatte indeß viele Mühe mit der Bestreitung des Kostenauf¬ wandes gehabt und es ergab sich noch ein Defect von einigen Hundert Thlrn. Wir machten eine Handelsspeculation, die wir dem Orte selbst abgelernt hatten, wir ließen nämlich gegen 2000 Exemplare von der gedruckten Be¬ schreibung dieses Auszugs zu uns bringen — und von uns erhielt man ü 4 Groschen per Stück ein Exemplar. Das half: nach einigen Wochen war Alles vergriffen und Herr Mie versicherte mich, er wäre mit allen Unkosten ins Reine. Einige Tage nach diesem Aufzuge fand ich dessen ganze Darstellung auf dem Markt in Kupfer gestochen, und bald mich selbst als Anführer in allen Kramläden. Der große Prospect kam 6 Groschen, mein Bild in der Tracht und illuminirt kaum 2 Groschen. — Ich reiste an einem schönen Morgen im März ganz früh in Gesellschaft einiger älterer Freunde aus der Stadt. Wehmüthig war es mir ums Herz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/71>, abgerufen am 28.09.2024.