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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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die Wappen der Nationen auf großen weißseidenen Fahnen gemalt und mit
grünen Fransen besetzt -- die Fahnen selbst waren hoch und nahmen sich
mit ihrer Malerei sehr gut aus; der Fahnenträger vor meiner Colonne
war zur Mühlen, seine Adjutanten Sänger und Graf Dunker.

Nun wurden Musterungen erst im schwarzen Brete gehalten: die Stu¬
denten stellten sich wie Soldaten und überließen ihren Anführern die An¬
ordnung der Colonne -- ich kann es nicht vergessen wie willfährig sie waren
und wie dieses Betragen mich zur Höflichkeit und Behutsamkeit verpflichtete.
-- Die Längsten und Wohlgebildetsten wählte ich in die vordersten Glieder,
nachher kamen vier und baten in die erste Reihe versetzt zu werden, weil sie
sich vorgenommen sich egal, blau mit Gold kleiden zu lassen. Auf freiem
Felde machten wir Proben von Evolutionen, damit' die Colonnen in einem
berechneten Marsch durch mehrere Straßen sich gleichzeitig auf dem Markte
zu einem halben Zirkel stellen konnten. Alles ging militärisch und mit einem
solchen esprit Ah corps, daß ich ohne Widerspruch commandiren durfte.

Unsere Widersacher, da sie uns in der Hauptsache nicht mehr schaden
konnten, nahmen zur Satire ihre Zuflucht. So hatte ein junger Dr. Gehler
sich unter unsern Landsleuten verlauten lassen, daß die vorzutragenden
Fahnen ein ebenso lächerliches Ansehen geben würden, als das Fähnchen der
Schlossergesellen, welche jährlich einmal mit einer solchen in der Stadt her¬
umzogen, selbige in die Luft warfen und wieder fingen und dabei eine kleine
Musik machten. Meine Landsleute, durch den witzigen Gehler aufgereizt,
stellten mich auf dem Fechtboden darüber zur Rede. Wer hat diese Ver-
gleichung wagen dürfen? sagte ich laut, ist der Mann hier? und es mußte
sich treffen, daß er dort war, weil er gern focht. In meiner Hitze, die an
keine Mäßigung dachte, nahm ich die ersten besten Rappiere, präsentirte sie
dem or. Gehler und sagte : mein Herr! auf den Hieb, für Ihre Einfälle! --
Kaum war ich in Stellung, als ich ritterlich drauf loshieb; es setzte Staub
und Schläge, Gehler hielt sich auch brav, bis der Fechtmeister kam, uns aus
einander brachte und sagte: meine Herren, hier schlägt man sich nicht in
solcher Weise, Die Fahnen wurden nun noch höher und ansehnlicher gemacht
und dabei blieb es.

Nun ging es an die Einrichtung des sogenannten Stabes, das war
der Redner mit seinen 12 Marschällen und der Gedicht- oder Kissenträger.
-- Zu ersterem wählten wir den längsten Mann mit der besten Baßstimme,
einen Theologen Lischke aus Meißen. Dieser Mann imponirte wirklich
durch seine Gestalt und Stimme, die im Namen der 1000 Zungen sich don¬
nernd und pathetisch konnte vernehmen lassen. Zum Gedichtträger wählten
wir einen feinen artigen Mann, einen Herrn v. Erker aus Hamburg, der
das Gedicht, "Emil" von Prof. Clodius genannt und gemacht, auf einem mit


die Wappen der Nationen auf großen weißseidenen Fahnen gemalt und mit
grünen Fransen besetzt — die Fahnen selbst waren hoch und nahmen sich
mit ihrer Malerei sehr gut aus; der Fahnenträger vor meiner Colonne
war zur Mühlen, seine Adjutanten Sänger und Graf Dunker.

Nun wurden Musterungen erst im schwarzen Brete gehalten: die Stu¬
denten stellten sich wie Soldaten und überließen ihren Anführern die An¬
ordnung der Colonne — ich kann es nicht vergessen wie willfährig sie waren
und wie dieses Betragen mich zur Höflichkeit und Behutsamkeit verpflichtete.
— Die Längsten und Wohlgebildetsten wählte ich in die vordersten Glieder,
nachher kamen vier und baten in die erste Reihe versetzt zu werden, weil sie
sich vorgenommen sich egal, blau mit Gold kleiden zu lassen. Auf freiem
Felde machten wir Proben von Evolutionen, damit' die Colonnen in einem
berechneten Marsch durch mehrere Straßen sich gleichzeitig auf dem Markte
zu einem halben Zirkel stellen konnten. Alles ging militärisch und mit einem
solchen esprit Ah corps, daß ich ohne Widerspruch commandiren durfte.

Unsere Widersacher, da sie uns in der Hauptsache nicht mehr schaden
konnten, nahmen zur Satire ihre Zuflucht. So hatte ein junger Dr. Gehler
sich unter unsern Landsleuten verlauten lassen, daß die vorzutragenden
Fahnen ein ebenso lächerliches Ansehen geben würden, als das Fähnchen der
Schlossergesellen, welche jährlich einmal mit einer solchen in der Stadt her¬
umzogen, selbige in die Luft warfen und wieder fingen und dabei eine kleine
Musik machten. Meine Landsleute, durch den witzigen Gehler aufgereizt,
stellten mich auf dem Fechtboden darüber zur Rede. Wer hat diese Ver-
gleichung wagen dürfen? sagte ich laut, ist der Mann hier? und es mußte
sich treffen, daß er dort war, weil er gern focht. In meiner Hitze, die an
keine Mäßigung dachte, nahm ich die ersten besten Rappiere, präsentirte sie
dem or. Gehler und sagte : mein Herr! auf den Hieb, für Ihre Einfälle! —
Kaum war ich in Stellung, als ich ritterlich drauf loshieb; es setzte Staub
und Schläge, Gehler hielt sich auch brav, bis der Fechtmeister kam, uns aus
einander brachte und sagte: meine Herren, hier schlägt man sich nicht in
solcher Weise, Die Fahnen wurden nun noch höher und ansehnlicher gemacht
und dabei blieb es.

Nun ging es an die Einrichtung des sogenannten Stabes, das war
der Redner mit seinen 12 Marschällen und der Gedicht- oder Kissenträger.
— Zu ersterem wählten wir den längsten Mann mit der besten Baßstimme,
einen Theologen Lischke aus Meißen. Dieser Mann imponirte wirklich
durch seine Gestalt und Stimme, die im Namen der 1000 Zungen sich don¬
nernd und pathetisch konnte vernehmen lassen. Zum Gedichtträger wählten
wir einen feinen artigen Mann, einen Herrn v. Erker aus Hamburg, der
das Gedicht, „Emil" von Prof. Clodius genannt und gemacht, auf einem mit


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[0067] die Wappen der Nationen auf großen weißseidenen Fahnen gemalt und mit grünen Fransen besetzt — die Fahnen selbst waren hoch und nahmen sich mit ihrer Malerei sehr gut aus; der Fahnenträger vor meiner Colonne war zur Mühlen, seine Adjutanten Sänger und Graf Dunker. Nun wurden Musterungen erst im schwarzen Brete gehalten: die Stu¬ denten stellten sich wie Soldaten und überließen ihren Anführern die An¬ ordnung der Colonne — ich kann es nicht vergessen wie willfährig sie waren und wie dieses Betragen mich zur Höflichkeit und Behutsamkeit verpflichtete. — Die Längsten und Wohlgebildetsten wählte ich in die vordersten Glieder, nachher kamen vier und baten in die erste Reihe versetzt zu werden, weil sie sich vorgenommen sich egal, blau mit Gold kleiden zu lassen. Auf freiem Felde machten wir Proben von Evolutionen, damit' die Colonnen in einem berechneten Marsch durch mehrere Straßen sich gleichzeitig auf dem Markte zu einem halben Zirkel stellen konnten. Alles ging militärisch und mit einem solchen esprit Ah corps, daß ich ohne Widerspruch commandiren durfte. Unsere Widersacher, da sie uns in der Hauptsache nicht mehr schaden konnten, nahmen zur Satire ihre Zuflucht. So hatte ein junger Dr. Gehler sich unter unsern Landsleuten verlauten lassen, daß die vorzutragenden Fahnen ein ebenso lächerliches Ansehen geben würden, als das Fähnchen der Schlossergesellen, welche jährlich einmal mit einer solchen in der Stadt her¬ umzogen, selbige in die Luft warfen und wieder fingen und dabei eine kleine Musik machten. Meine Landsleute, durch den witzigen Gehler aufgereizt, stellten mich auf dem Fechtboden darüber zur Rede. Wer hat diese Ver- gleichung wagen dürfen? sagte ich laut, ist der Mann hier? und es mußte sich treffen, daß er dort war, weil er gern focht. In meiner Hitze, die an keine Mäßigung dachte, nahm ich die ersten besten Rappiere, präsentirte sie dem or. Gehler und sagte : mein Herr! auf den Hieb, für Ihre Einfälle! — Kaum war ich in Stellung, als ich ritterlich drauf loshieb; es setzte Staub und Schläge, Gehler hielt sich auch brav, bis der Fechtmeister kam, uns aus einander brachte und sagte: meine Herren, hier schlägt man sich nicht in solcher Weise, Die Fahnen wurden nun noch höher und ansehnlicher gemacht und dabei blieb es. Nun ging es an die Einrichtung des sogenannten Stabes, das war der Redner mit seinen 12 Marschällen und der Gedicht- oder Kissenträger. — Zu ersterem wählten wir den längsten Mann mit der besten Baßstimme, einen Theologen Lischke aus Meißen. Dieser Mann imponirte wirklich durch seine Gestalt und Stimme, die im Namen der 1000 Zungen sich don¬ nernd und pathetisch konnte vernehmen lassen. Zum Gedichtträger wählten wir einen feinen artigen Mann, einen Herrn v. Erker aus Hamburg, der das Gedicht, „Emil" von Prof. Clodius genannt und gemacht, auf einem mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/67>, abgerufen am 28.09.2024.