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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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bliebe ihnen, um sich der Schadenfreude ihrer Gegner nicht Preis zu geben,
wohl nichts Anderes übrig als die gute Universität Leipzig zu verlassen.¬

Dieses wirkte mit so gutem Erfolge., daß die Herrn nicht nur ver
sprachen diese Sache dem Kurfürsten nochmals zu unterlegen, sondern daß
man uns noch denselben Abend für den andern Morgen ins Consistorium
bestellte. Denn da der Landesherr katholisch und die Universität protestan¬
tisch ist. so steht letztere in ähnlichen Fällen unter dem Consistorio. Unsere
Hoffnung war nicht vergebens, denn man gab uns eine Abschrift von
einem an den Rector der Universität erlassenen Rescripte. worin es unter
Anderm hieß, daß der mit Ordnung und Anstand vorzunehmende Aufzug
der Studenten nachgegeben werden solle, da der Baron Rosen und Herr
Mie sür Ordnung und^Ruhe auszukommen sich verbunden hätten. - So
kitzlich dies sür uns ausfallen konnte, so fühlten wir uns doch sehr ge¬
schmeichelt und sandten eine Estaffette mit der fröhlichen Botschaft und daß
wir in 24 Stunden in Leipzig eintreffen würden. Rasch fuhren wir davon;
um 7 Uhr Abends waren wir vor dem Thore wo die Postillons uns schon
erwarteten. -- Es ging in vollem Lärm durch die Straßen der Stadt, die¬
jenige nicht zu vergessen, in der der Professor wohnte, der so eifrig wider uns
cabalisirt hatte, bis wieder zu dem Hause am schwarzen Brete. Hier er¬
tönte bei unserem Eintritt von einer zahllosen Versammlung unserer Musen-
söhne ein ununterbrochenes Vivat; ich bestieg wieder das Katheder, legte einen
kurzen Bericht unsers Geschäftes ab. las das Rescript vor und schloß und
der Versicherung des Vertrauens, daß die Herrn insgesammt unserer Ver¬
antwortlichkeit Ehre bringen würden.

Unsere Vorbereitungen wurden nun größer und lebhafter: alle Be-
schreibungen solcher Aufzüge, die wir aus Göttingen und Jena uns kommen
ließen, waren uns nicht genügend. Ein neuer Umstand hals uns. obgleich
er mich in Verlegenheit bringen konnte. Meine Landsleute nämlich waren
bei Vertheilung der Aemter übergangen worden, theils weil ich mich wenig
damit befassen mochte, theils weil sie mich während dieser Zeit wenig be¬
suchten und ich sie auch nicht. - Als ich einmal zu dem Grafen Dunker
King und dort die meisten Livländer antraf, machten sie mir gewaltige Vor¬
würfe, daß sie ganz von mir vergessen und alle Ehrenämter vertheilt waren.
Wie so? sagte ich; die besten sind euch noch aufbewahrt. Sie horchten auf
und nun erzählte ich ihnen, daß Leipzig ursprünglich eine Ritterakademie
sei und aus drei Nationen, nämlich der sächsischen, polnischen und mechmschen
bestände, und daß sie die Wappen dieser Nationen vor jeder der drei Co-
lonnen. in schöner Kleidung und von Adjutanten begleitet, vortragen sollten.
^ Als ich ihnen dieses beschrieb und die Wahl der Kleidung überließ,
waren sie völlig versöhnt und versprachen ihre Theilnahme. Es wurden


bliebe ihnen, um sich der Schadenfreude ihrer Gegner nicht Preis zu geben,
wohl nichts Anderes übrig als die gute Universität Leipzig zu verlassen.¬

Dieses wirkte mit so gutem Erfolge., daß die Herrn nicht nur ver
sprachen diese Sache dem Kurfürsten nochmals zu unterlegen, sondern daß
man uns noch denselben Abend für den andern Morgen ins Consistorium
bestellte. Denn da der Landesherr katholisch und die Universität protestan¬
tisch ist. so steht letztere in ähnlichen Fällen unter dem Consistorio. Unsere
Hoffnung war nicht vergebens, denn man gab uns eine Abschrift von
einem an den Rector der Universität erlassenen Rescripte. worin es unter
Anderm hieß, daß der mit Ordnung und Anstand vorzunehmende Aufzug
der Studenten nachgegeben werden solle, da der Baron Rosen und Herr
Mie sür Ordnung und^Ruhe auszukommen sich verbunden hätten. - So
kitzlich dies sür uns ausfallen konnte, so fühlten wir uns doch sehr ge¬
schmeichelt und sandten eine Estaffette mit der fröhlichen Botschaft und daß
wir in 24 Stunden in Leipzig eintreffen würden. Rasch fuhren wir davon;
um 7 Uhr Abends waren wir vor dem Thore wo die Postillons uns schon
erwarteten. — Es ging in vollem Lärm durch die Straßen der Stadt, die¬
jenige nicht zu vergessen, in der der Professor wohnte, der so eifrig wider uns
cabalisirt hatte, bis wieder zu dem Hause am schwarzen Brete. Hier er¬
tönte bei unserem Eintritt von einer zahllosen Versammlung unserer Musen-
söhne ein ununterbrochenes Vivat; ich bestieg wieder das Katheder, legte einen
kurzen Bericht unsers Geschäftes ab. las das Rescript vor und schloß und
der Versicherung des Vertrauens, daß die Herrn insgesammt unserer Ver¬
antwortlichkeit Ehre bringen würden.

Unsere Vorbereitungen wurden nun größer und lebhafter: alle Be-
schreibungen solcher Aufzüge, die wir aus Göttingen und Jena uns kommen
ließen, waren uns nicht genügend. Ein neuer Umstand hals uns. obgleich
er mich in Verlegenheit bringen konnte. Meine Landsleute nämlich waren
bei Vertheilung der Aemter übergangen worden, theils weil ich mich wenig
damit befassen mochte, theils weil sie mich während dieser Zeit wenig be¬
suchten und ich sie auch nicht. - Als ich einmal zu dem Grafen Dunker
King und dort die meisten Livländer antraf, machten sie mir gewaltige Vor¬
würfe, daß sie ganz von mir vergessen und alle Ehrenämter vertheilt waren.
Wie so? sagte ich; die besten sind euch noch aufbewahrt. Sie horchten auf
und nun erzählte ich ihnen, daß Leipzig ursprünglich eine Ritterakademie
sei und aus drei Nationen, nämlich der sächsischen, polnischen und mechmschen
bestände, und daß sie die Wappen dieser Nationen vor jeder der drei Co-
lonnen. in schöner Kleidung und von Adjutanten begleitet, vortragen sollten.
^ Als ich ihnen dieses beschrieb und die Wahl der Kleidung überließ,
waren sie völlig versöhnt und versprachen ihre Theilnahme. Es wurden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/65>, abgerufen am 28.09.2024.