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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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über das Gesandschaftsrecht an; unter seinen sieben Zuhörern war auch ich.
der während der Vorlesung auf dem weißen Tische, an welchem wir saßen,
manche spaßhafte Fragen und Einwürfe, die Person eines Gesandten betreffend,
niederschrieb, welche Veranlassung zu Auseinandersetzungen in der nächsten
Stunde gaben. Als der sächsische Staatsminister von Berlepsch, der Curator
dieser Universität war, Leipzig besuchte und Erhardt darauf sich gefaßt
machen mußte, als angehender Lehrer mit dessen Anwesenheit beehrt zu
werden, so bat Erhardt mich ihm einige Zuhörer zur nächsten Stunde zu ver¬
schaffen. Ich that es bei allen meinen Bekannten mit der Bitte die ihrigen
auch dazu aufzumuntern. Erhardt selbst über Nichts davon wissen zu lassen,
um ihn mit unserer Theilnahme desto mehr zu überraschen. -- Als ich in den
Hörsaal trat, fand ich schon die Hälfte mit Studenten angefüllt, welche sich
noch so vermehrten, daß als Erhardt erschien der ganze Saal angefüllt war.
Es machte so rührenden Eindruck auf ihn, daß die Bewegung seines Herzens
in einem bis zu Thränen erfüllten Dank ausbrach. -- Nicht lange darauf
erschien auch Berlepsch in seinem geflickten Kleide und mit dem sichtbaren
Erstaunen, bei einem so jungen Docenten so viel Zuhörer anzutreffen. Noch
mehr mußte es ihn wundern, daß in Leipzig so Viele sich auf das Gesandt-
schaftsrecht vorbereiteten und daß Dr. Erhardt ganz Europa mit Gesandten
hätte versorgen können.

Ein gelehrter und launigter Jurist war damals I>r> Hommel. Die Ge¬
schichte mit seinem Hunde Hesper ist vielleicht schon vergessen. Die witten-
bergsche Universität pflegte damals auch einen Abwesenden zum Magister der
sieben freien Künste zu stempeln, wenn Jemand eine Abhandlung nebst be¬
deutendem Honorar einsendete. Hommel schrieb eine solche für seinen schwarzen
Hesper und als an einen sehr wohlhabenden Mann erfolgte an seine Adresse
das Diplom mit der auf einem großen Pergamentbogen enthaltenen Ueber¬
schrift: vratuwnur vvminmn Ilösnerum p. p.Hommel gab einen gewöhn¬
lichen Magisterschmaus und ließ den Hesper obenan, auf einem Lehnstuhle,
mit dem um seinen Hals gebundenen Diplome von Wittenberg sitzen. Es
wurde gut aufgetischt und dem Hesper Gesundheiten in den besten Weinen
zugebracht. Der Wirth bekam einen vorausgesehenen Jnjurienproceß. be¬
zahlte aber gerne die Geldstrafe. -- In seinem hübschen Garten hatte er
auf den großen Schornstein seines Gartenhauses eine Statue, einen Schorn¬
steinfeger in Lebensgröße vorstellend, aussetzen lassen. Die Feuer- oder
Nauchgesellschaft der Schornsteinfeger, welche besondere Vorrechte in Leipzig
wegen der vielen hohen Häuser genießt, sand sich darüber so beleidigt,
daß sie beschloß in eoixvriz den Dr. Hommel zur Rede zu stellen. Dieses
geschah und Hommel ward aus seinem Fenster gewahr wie die Gesellschaft
in seinem Hause einkehrte. Schnell legte er seine Staatsperrücke und sein


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über das Gesandschaftsrecht an; unter seinen sieben Zuhörern war auch ich.
der während der Vorlesung auf dem weißen Tische, an welchem wir saßen,
manche spaßhafte Fragen und Einwürfe, die Person eines Gesandten betreffend,
niederschrieb, welche Veranlassung zu Auseinandersetzungen in der nächsten
Stunde gaben. Als der sächsische Staatsminister von Berlepsch, der Curator
dieser Universität war, Leipzig besuchte und Erhardt darauf sich gefaßt
machen mußte, als angehender Lehrer mit dessen Anwesenheit beehrt zu
werden, so bat Erhardt mich ihm einige Zuhörer zur nächsten Stunde zu ver¬
schaffen. Ich that es bei allen meinen Bekannten mit der Bitte die ihrigen
auch dazu aufzumuntern. Erhardt selbst über Nichts davon wissen zu lassen,
um ihn mit unserer Theilnahme desto mehr zu überraschen. — Als ich in den
Hörsaal trat, fand ich schon die Hälfte mit Studenten angefüllt, welche sich
noch so vermehrten, daß als Erhardt erschien der ganze Saal angefüllt war.
Es machte so rührenden Eindruck auf ihn, daß die Bewegung seines Herzens
in einem bis zu Thränen erfüllten Dank ausbrach. — Nicht lange darauf
erschien auch Berlepsch in seinem geflickten Kleide und mit dem sichtbaren
Erstaunen, bei einem so jungen Docenten so viel Zuhörer anzutreffen. Noch
mehr mußte es ihn wundern, daß in Leipzig so Viele sich auf das Gesandt-
schaftsrecht vorbereiteten und daß Dr. Erhardt ganz Europa mit Gesandten
hätte versorgen können.

Ein gelehrter und launigter Jurist war damals I>r> Hommel. Die Ge¬
schichte mit seinem Hunde Hesper ist vielleicht schon vergessen. Die witten-
bergsche Universität pflegte damals auch einen Abwesenden zum Magister der
sieben freien Künste zu stempeln, wenn Jemand eine Abhandlung nebst be¬
deutendem Honorar einsendete. Hommel schrieb eine solche für seinen schwarzen
Hesper und als an einen sehr wohlhabenden Mann erfolgte an seine Adresse
das Diplom mit der auf einem großen Pergamentbogen enthaltenen Ueber¬
schrift: vratuwnur vvminmn Ilösnerum p. p.Hommel gab einen gewöhn¬
lichen Magisterschmaus und ließ den Hesper obenan, auf einem Lehnstuhle,
mit dem um seinen Hals gebundenen Diplome von Wittenberg sitzen. Es
wurde gut aufgetischt und dem Hesper Gesundheiten in den besten Weinen
zugebracht. Der Wirth bekam einen vorausgesehenen Jnjurienproceß. be¬
zahlte aber gerne die Geldstrafe. — In seinem hübschen Garten hatte er
auf den großen Schornstein seines Gartenhauses eine Statue, einen Schorn¬
steinfeger in Lebensgröße vorstellend, aussetzen lassen. Die Feuer- oder
Nauchgesellschaft der Schornsteinfeger, welche besondere Vorrechte in Leipzig
wegen der vielen hohen Häuser genießt, sand sich darüber so beleidigt,
daß sie beschloß in eoixvriz den Dr. Hommel zur Rede zu stellen. Dieses
geschah und Hommel ward aus seinem Fenster gewahr wie die Gesellschaft
in seinem Hause einkehrte. Schnell legte er seine Staatsperrücke und sein


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[0059] über das Gesandschaftsrecht an; unter seinen sieben Zuhörern war auch ich. der während der Vorlesung auf dem weißen Tische, an welchem wir saßen, manche spaßhafte Fragen und Einwürfe, die Person eines Gesandten betreffend, niederschrieb, welche Veranlassung zu Auseinandersetzungen in der nächsten Stunde gaben. Als der sächsische Staatsminister von Berlepsch, der Curator dieser Universität war, Leipzig besuchte und Erhardt darauf sich gefaßt machen mußte, als angehender Lehrer mit dessen Anwesenheit beehrt zu werden, so bat Erhardt mich ihm einige Zuhörer zur nächsten Stunde zu ver¬ schaffen. Ich that es bei allen meinen Bekannten mit der Bitte die ihrigen auch dazu aufzumuntern. Erhardt selbst über Nichts davon wissen zu lassen, um ihn mit unserer Theilnahme desto mehr zu überraschen. — Als ich in den Hörsaal trat, fand ich schon die Hälfte mit Studenten angefüllt, welche sich noch so vermehrten, daß als Erhardt erschien der ganze Saal angefüllt war. Es machte so rührenden Eindruck auf ihn, daß die Bewegung seines Herzens in einem bis zu Thränen erfüllten Dank ausbrach. — Nicht lange darauf erschien auch Berlepsch in seinem geflickten Kleide und mit dem sichtbaren Erstaunen, bei einem so jungen Docenten so viel Zuhörer anzutreffen. Noch mehr mußte es ihn wundern, daß in Leipzig so Viele sich auf das Gesandt- schaftsrecht vorbereiteten und daß Dr. Erhardt ganz Europa mit Gesandten hätte versorgen können. Ein gelehrter und launigter Jurist war damals I>r> Hommel. Die Ge¬ schichte mit seinem Hunde Hesper ist vielleicht schon vergessen. Die witten- bergsche Universität pflegte damals auch einen Abwesenden zum Magister der sieben freien Künste zu stempeln, wenn Jemand eine Abhandlung nebst be¬ deutendem Honorar einsendete. Hommel schrieb eine solche für seinen schwarzen Hesper und als an einen sehr wohlhabenden Mann erfolgte an seine Adresse das Diplom mit der auf einem großen Pergamentbogen enthaltenen Ueber¬ schrift: vratuwnur vvminmn Ilösnerum p. p.Hommel gab einen gewöhn¬ lichen Magisterschmaus und ließ den Hesper obenan, auf einem Lehnstuhle, mit dem um seinen Hals gebundenen Diplome von Wittenberg sitzen. Es wurde gut aufgetischt und dem Hesper Gesundheiten in den besten Weinen zugebracht. Der Wirth bekam einen vorausgesehenen Jnjurienproceß. be¬ zahlte aber gerne die Geldstrafe. — In seinem hübschen Garten hatte er auf den großen Schornstein seines Gartenhauses eine Statue, einen Schorn¬ steinfeger in Lebensgröße vorstellend, aussetzen lassen. Die Feuer- oder Nauchgesellschaft der Schornsteinfeger, welche besondere Vorrechte in Leipzig wegen der vielen hohen Häuser genießt, sand sich darüber so beleidigt, daß sie beschloß in eoixvriz den Dr. Hommel zur Rede zu stellen. Dieses geschah und Hommel ward aus seinem Fenster gewahr wie die Gesellschaft in seinem Hause einkehrte. Schnell legte er seine Staatsperrücke und sein Gunzbotcn I, I86U, 7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/59>, abgerufen am 28.09.2024.