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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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einem Mörser am Lande eine Rakete über das gestrandete Schiff hin ge¬
schleudert wird, welcher eine starke Leine folgt. Aufgabe des Schiffsvolks
ist es, diese Leine irgendwo auf dem Deck des Wracks zu befestigen, damit
daran der Rettungskorb nachgezogen werden kann, in welchem sich die Ver¬
unglückten einzeln ans Land holen lassen sollen, -- eine oft recht nasse, aber
im Ganzen doch ziemlich sichere Procedur. Nur Schade, daß noch immer
viele Schiffsmannschaften nicht wissen, was sie von der anhäufenden Rakete
denken und mit der ihr folgenden Leine machen sollen! Die deshalb er¬
lassenen vielfachen Bekanntmachungen, zu denen auch die Hilfe von Behörden
in Anspruch genommen worden ist. sind gewiß nicht vergeblich gewesen, aber
nach wie vor hindert die Unkenntnis; häufig, daß dieses sinnreiche Rettungö-
Mittel seinen Zweck erreicht. Man erkennt das schon statistisch an dem Mi߬
verhältniß zwischen der Zahl der existirenden Raketenapparate und der Zahl
der durch sie vermittelten Rettungen, wenn auch der Spielraum des unmittel¬
bar zu Wasser gehenden Boots selbstverständlich weiter ist. Die Raketen¬
apparate verhalten sich zu den Rettungsbooten gegenwärtig wie 48 zu 60;
die Raketenrettungen zu den Bootsrettungen im Jahre 1868 wie 1 zu 67,
1867 wie 49 zu 79, 1866 wie 19 zu 122.

Es ist daher tröstlich wahrzunehmen, wie der erfinderische Geist des
Jahrhunderts nicht müde wird, neue wirksamere Instrumente und Methoden
zur Rettung der Menschen von untergehenden oder gescheiterten Schiffen aus-
zusinnen. Im Laufe des vorigen Jahres hat besonders das amerikanische
sogenannte Monitor-Rast oder Rettungsfloß große Aufmerksamkeit erregt,
als es sich in Bremerhaven dem Publikum sowol wie insbesondere auch den
an der unteren Weser ansässigen Sachkennern zeigte. Aus einem solchen
Floß ist der Kapitän John Milch (Johann Meigs). ein geborener Danziger.
zwischen dem 12. Juni und dem 26. Juli 1867 schon über die ganze Breite
des atlantischen Oceans von Newyork nach Southampton geschwommen,
um die Erfindung auf der pariser Weltausstellung zu produciren.

In Amerika werden diese Boote in Massen angefertigt als eine Zugabe
für Passagierschiffe, denen sie sich besonders durch ihr bequem unterzubrin¬
gendes Format empfehlen. Ausgerollt nehmen sie nicht mehr als 9 Fuß
Länge und 5 Fuß Durchmesser ein; in jedem Paar der bekannten Hängevor¬
richtungen auf Seeschiffen, welche man Davids nennt, können ihrer drei auf
einmal hängen. Trotzdem brauchen vier Mann nicht mehr als sechs Minu¬
ten, um das aufgerollte Floß dienstbereit zu machen. Seine wahrscheinliche
hohe Brauchbarkeit für Rettungszwecke beruht darauf, daß es niemals um¬
schlägt und niemals sich mit Wasser füllen kann, bei seiner Leichtigkeit (es
besteht aus Segeltuch und Kautschuk) auch von den Wogen nur gehoben,
so gut wie niemals überschüttet wird, bei der Elasticität seines Stoffes von


einem Mörser am Lande eine Rakete über das gestrandete Schiff hin ge¬
schleudert wird, welcher eine starke Leine folgt. Aufgabe des Schiffsvolks
ist es, diese Leine irgendwo auf dem Deck des Wracks zu befestigen, damit
daran der Rettungskorb nachgezogen werden kann, in welchem sich die Ver¬
unglückten einzeln ans Land holen lassen sollen, — eine oft recht nasse, aber
im Ganzen doch ziemlich sichere Procedur. Nur Schade, daß noch immer
viele Schiffsmannschaften nicht wissen, was sie von der anhäufenden Rakete
denken und mit der ihr folgenden Leine machen sollen! Die deshalb er¬
lassenen vielfachen Bekanntmachungen, zu denen auch die Hilfe von Behörden
in Anspruch genommen worden ist. sind gewiß nicht vergeblich gewesen, aber
nach wie vor hindert die Unkenntnis; häufig, daß dieses sinnreiche Rettungö-
Mittel seinen Zweck erreicht. Man erkennt das schon statistisch an dem Mi߬
verhältniß zwischen der Zahl der existirenden Raketenapparate und der Zahl
der durch sie vermittelten Rettungen, wenn auch der Spielraum des unmittel¬
bar zu Wasser gehenden Boots selbstverständlich weiter ist. Die Raketen¬
apparate verhalten sich zu den Rettungsbooten gegenwärtig wie 48 zu 60;
die Raketenrettungen zu den Bootsrettungen im Jahre 1868 wie 1 zu 67,
1867 wie 49 zu 79, 1866 wie 19 zu 122.

Es ist daher tröstlich wahrzunehmen, wie der erfinderische Geist des
Jahrhunderts nicht müde wird, neue wirksamere Instrumente und Methoden
zur Rettung der Menschen von untergehenden oder gescheiterten Schiffen aus-
zusinnen. Im Laufe des vorigen Jahres hat besonders das amerikanische
sogenannte Monitor-Rast oder Rettungsfloß große Aufmerksamkeit erregt,
als es sich in Bremerhaven dem Publikum sowol wie insbesondere auch den
an der unteren Weser ansässigen Sachkennern zeigte. Aus einem solchen
Floß ist der Kapitän John Milch (Johann Meigs). ein geborener Danziger.
zwischen dem 12. Juni und dem 26. Juli 1867 schon über die ganze Breite
des atlantischen Oceans von Newyork nach Southampton geschwommen,
um die Erfindung auf der pariser Weltausstellung zu produciren.

In Amerika werden diese Boote in Massen angefertigt als eine Zugabe
für Passagierschiffe, denen sie sich besonders durch ihr bequem unterzubrin¬
gendes Format empfehlen. Ausgerollt nehmen sie nicht mehr als 9 Fuß
Länge und 5 Fuß Durchmesser ein; in jedem Paar der bekannten Hängevor¬
richtungen auf Seeschiffen, welche man Davids nennt, können ihrer drei auf
einmal hängen. Trotzdem brauchen vier Mann nicht mehr als sechs Minu¬
ten, um das aufgerollte Floß dienstbereit zu machen. Seine wahrscheinliche
hohe Brauchbarkeit für Rettungszwecke beruht darauf, daß es niemals um¬
schlägt und niemals sich mit Wasser füllen kann, bei seiner Leichtigkeit (es
besteht aus Segeltuch und Kautschuk) auch von den Wogen nur gehoben,
so gut wie niemals überschüttet wird, bei der Elasticität seines Stoffes von


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[0486] einem Mörser am Lande eine Rakete über das gestrandete Schiff hin ge¬ schleudert wird, welcher eine starke Leine folgt. Aufgabe des Schiffsvolks ist es, diese Leine irgendwo auf dem Deck des Wracks zu befestigen, damit daran der Rettungskorb nachgezogen werden kann, in welchem sich die Ver¬ unglückten einzeln ans Land holen lassen sollen, — eine oft recht nasse, aber im Ganzen doch ziemlich sichere Procedur. Nur Schade, daß noch immer viele Schiffsmannschaften nicht wissen, was sie von der anhäufenden Rakete denken und mit der ihr folgenden Leine machen sollen! Die deshalb er¬ lassenen vielfachen Bekanntmachungen, zu denen auch die Hilfe von Behörden in Anspruch genommen worden ist. sind gewiß nicht vergeblich gewesen, aber nach wie vor hindert die Unkenntnis; häufig, daß dieses sinnreiche Rettungö- Mittel seinen Zweck erreicht. Man erkennt das schon statistisch an dem Mi߬ verhältniß zwischen der Zahl der existirenden Raketenapparate und der Zahl der durch sie vermittelten Rettungen, wenn auch der Spielraum des unmittel¬ bar zu Wasser gehenden Boots selbstverständlich weiter ist. Die Raketen¬ apparate verhalten sich zu den Rettungsbooten gegenwärtig wie 48 zu 60; die Raketenrettungen zu den Bootsrettungen im Jahre 1868 wie 1 zu 67, 1867 wie 49 zu 79, 1866 wie 19 zu 122. Es ist daher tröstlich wahrzunehmen, wie der erfinderische Geist des Jahrhunderts nicht müde wird, neue wirksamere Instrumente und Methoden zur Rettung der Menschen von untergehenden oder gescheiterten Schiffen aus- zusinnen. Im Laufe des vorigen Jahres hat besonders das amerikanische sogenannte Monitor-Rast oder Rettungsfloß große Aufmerksamkeit erregt, als es sich in Bremerhaven dem Publikum sowol wie insbesondere auch den an der unteren Weser ansässigen Sachkennern zeigte. Aus einem solchen Floß ist der Kapitän John Milch (Johann Meigs). ein geborener Danziger. zwischen dem 12. Juni und dem 26. Juli 1867 schon über die ganze Breite des atlantischen Oceans von Newyork nach Southampton geschwommen, um die Erfindung auf der pariser Weltausstellung zu produciren. In Amerika werden diese Boote in Massen angefertigt als eine Zugabe für Passagierschiffe, denen sie sich besonders durch ihr bequem unterzubrin¬ gendes Format empfehlen. Ausgerollt nehmen sie nicht mehr als 9 Fuß Länge und 5 Fuß Durchmesser ein; in jedem Paar der bekannten Hängevor¬ richtungen auf Seeschiffen, welche man Davids nennt, können ihrer drei auf einmal hängen. Trotzdem brauchen vier Mann nicht mehr als sechs Minu¬ ten, um das aufgerollte Floß dienstbereit zu machen. Seine wahrscheinliche hohe Brauchbarkeit für Rettungszwecke beruht darauf, daß es niemals um¬ schlägt und niemals sich mit Wasser füllen kann, bei seiner Leichtigkeit (es besteht aus Segeltuch und Kautschuk) auch von den Wogen nur gehoben, so gut wie niemals überschüttet wird, bei der Elasticität seines Stoffes von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/486>, abgerufen am 28.09.2024.