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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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auf ihnen 574 Menschen, von denen 547 nachweislich gerettet wurden, sodaß
27 nachweislich umgekommen sind. Von den erwähnten 547 Schiffbrüchigen
retteten 257 sich selbst, 130 wurden von der See her durch andere Schiffe
gerettet, 92 durch allerhand Hilft vom Lande her, und 68 endlich durch
Rettungsstationen, 67 durch Boote derselben und 1 durch ein Rettungs¬
geschütz. Im Jahre 1867 sind 128 und im Jahre 1866 141 Personen durch
die Rettungsstationen geborgen worden; während im ersteren Jahre 81, im
letzteren 31 Leute nachgewiesener Maßen umkamen.

Es ist folglich immer noch ein sehr dringendes Gebot der Menschenliebe
und des Nationalgefühls, daß den Bestrebungen zur Errettung armer Schiff¬
brüchiger der öffentliche Geist in Deutschland thätig zugewandt bleibe. Der
Menschenliebe, -- denn man muß doch wol sagen, daß bei hinreichender Be¬
setzung der ganzen Küste mit wohlbedienten und zweckmäßig ausgestatteten
Stationen die Zahl von durchschnittlich 46 nachgewiesenen Todesfällen jähr¬
lich noch zusehends weiter verringert, der Null nahe gebracht werden mag;
-- aber auch des Nationalgefühls, da unter den verunglückten 324 Schiffen
im Laufe der letzten drei Jahre nicht weniger als 163, also die reichliche
Hälfte fremde gewesen sind, und zwar u. A. 56 britische, 4 holländische,
12 dänische, 4 französische, d. h. Schiffe aus Ländern, an deren Strand sich
dem deutschen Schiffbrüchigen eine hilfreiche Hand entgegenstreckt, sodaß
ihre Angehörigen von einer so gebildeten, mildegesinnten und vermögenden
Nation wie der unseligen wol erwarten dürfen, es werde ihnen im Falle ent¬
sprechenden Unglücks Gleiches geschehen.

.Gegenwärtig bestehen in Allem 61 Stationen, 22 an der Nordsee und
39 an der Ostsee; die 22 Nordseestationen verfügen über 23 Rettungsboote,
5 Mörser- und Raketenapparate, die 39 Ostseestationen über 37 Boote,
43 Geschützapparate. Die Boote sind theils nach dem amerikanischen Modell
von Francis, theils nach dem englischen von Peale gebaut. Außerdem ist
in einem einzelnen Falle das dänische Modell von Bonnessen benutzt, und
liegen selbständige deutsche Formen vor von Devrient, Kraus, Ludwigs,
Nüschke und Eggers. Ein Modell von Petersen in Hadersleben, das auf
der letzten Versammlung der deutschen Rettungsgesellschaft in Rostock aus¬
gezeichnet wurde, findet bei den Technikern Beanstandung. Das Musterboot
kann man wol sagen, das die verschiedenen in Betracht kommenden Forde¬
rungen, wie Leichtigkeit für den Transport bis zum Wasser, sichere Ueber¬
windung in der Brandung, Selbstentleerung nach dem Vollaufen, Selbst¬
aufrichtung nach dem Umschlagen u. s. w. sämmtlich vollkommen erfüllte,
bleibt noch zu construiren. Auch taugt in Zukunft vielleicht nicht dasselbe
Boot für jede Art von Strand.

Die Geschützapparate werden bekanntlich in der Weise wirksam, daß aus


Grenzboten I. 1869. 60

auf ihnen 574 Menschen, von denen 547 nachweislich gerettet wurden, sodaß
27 nachweislich umgekommen sind. Von den erwähnten 547 Schiffbrüchigen
retteten 257 sich selbst, 130 wurden von der See her durch andere Schiffe
gerettet, 92 durch allerhand Hilft vom Lande her, und 68 endlich durch
Rettungsstationen, 67 durch Boote derselben und 1 durch ein Rettungs¬
geschütz. Im Jahre 1867 sind 128 und im Jahre 1866 141 Personen durch
die Rettungsstationen geborgen worden; während im ersteren Jahre 81, im
letzteren 31 Leute nachgewiesener Maßen umkamen.

Es ist folglich immer noch ein sehr dringendes Gebot der Menschenliebe
und des Nationalgefühls, daß den Bestrebungen zur Errettung armer Schiff¬
brüchiger der öffentliche Geist in Deutschland thätig zugewandt bleibe. Der
Menschenliebe, — denn man muß doch wol sagen, daß bei hinreichender Be¬
setzung der ganzen Küste mit wohlbedienten und zweckmäßig ausgestatteten
Stationen die Zahl von durchschnittlich 46 nachgewiesenen Todesfällen jähr¬
lich noch zusehends weiter verringert, der Null nahe gebracht werden mag;
— aber auch des Nationalgefühls, da unter den verunglückten 324 Schiffen
im Laufe der letzten drei Jahre nicht weniger als 163, also die reichliche
Hälfte fremde gewesen sind, und zwar u. A. 56 britische, 4 holländische,
12 dänische, 4 französische, d. h. Schiffe aus Ländern, an deren Strand sich
dem deutschen Schiffbrüchigen eine hilfreiche Hand entgegenstreckt, sodaß
ihre Angehörigen von einer so gebildeten, mildegesinnten und vermögenden
Nation wie der unseligen wol erwarten dürfen, es werde ihnen im Falle ent¬
sprechenden Unglücks Gleiches geschehen.

.Gegenwärtig bestehen in Allem 61 Stationen, 22 an der Nordsee und
39 an der Ostsee; die 22 Nordseestationen verfügen über 23 Rettungsboote,
5 Mörser- und Raketenapparate, die 39 Ostseestationen über 37 Boote,
43 Geschützapparate. Die Boote sind theils nach dem amerikanischen Modell
von Francis, theils nach dem englischen von Peale gebaut. Außerdem ist
in einem einzelnen Falle das dänische Modell von Bonnessen benutzt, und
liegen selbständige deutsche Formen vor von Devrient, Kraus, Ludwigs,
Nüschke und Eggers. Ein Modell von Petersen in Hadersleben, das auf
der letzten Versammlung der deutschen Rettungsgesellschaft in Rostock aus¬
gezeichnet wurde, findet bei den Technikern Beanstandung. Das Musterboot
kann man wol sagen, das die verschiedenen in Betracht kommenden Forde¬
rungen, wie Leichtigkeit für den Transport bis zum Wasser, sichere Ueber¬
windung in der Brandung, Selbstentleerung nach dem Vollaufen, Selbst¬
aufrichtung nach dem Umschlagen u. s. w. sämmtlich vollkommen erfüllte,
bleibt noch zu construiren. Auch taugt in Zukunft vielleicht nicht dasselbe
Boot für jede Art von Strand.

Die Geschützapparate werden bekanntlich in der Weise wirksam, daß aus


Grenzboten I. 1869. 60
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[0485] auf ihnen 574 Menschen, von denen 547 nachweislich gerettet wurden, sodaß 27 nachweislich umgekommen sind. Von den erwähnten 547 Schiffbrüchigen retteten 257 sich selbst, 130 wurden von der See her durch andere Schiffe gerettet, 92 durch allerhand Hilft vom Lande her, und 68 endlich durch Rettungsstationen, 67 durch Boote derselben und 1 durch ein Rettungs¬ geschütz. Im Jahre 1867 sind 128 und im Jahre 1866 141 Personen durch die Rettungsstationen geborgen worden; während im ersteren Jahre 81, im letzteren 31 Leute nachgewiesener Maßen umkamen. Es ist folglich immer noch ein sehr dringendes Gebot der Menschenliebe und des Nationalgefühls, daß den Bestrebungen zur Errettung armer Schiff¬ brüchiger der öffentliche Geist in Deutschland thätig zugewandt bleibe. Der Menschenliebe, — denn man muß doch wol sagen, daß bei hinreichender Be¬ setzung der ganzen Küste mit wohlbedienten und zweckmäßig ausgestatteten Stationen die Zahl von durchschnittlich 46 nachgewiesenen Todesfällen jähr¬ lich noch zusehends weiter verringert, der Null nahe gebracht werden mag; — aber auch des Nationalgefühls, da unter den verunglückten 324 Schiffen im Laufe der letzten drei Jahre nicht weniger als 163, also die reichliche Hälfte fremde gewesen sind, und zwar u. A. 56 britische, 4 holländische, 12 dänische, 4 französische, d. h. Schiffe aus Ländern, an deren Strand sich dem deutschen Schiffbrüchigen eine hilfreiche Hand entgegenstreckt, sodaß ihre Angehörigen von einer so gebildeten, mildegesinnten und vermögenden Nation wie der unseligen wol erwarten dürfen, es werde ihnen im Falle ent¬ sprechenden Unglücks Gleiches geschehen. .Gegenwärtig bestehen in Allem 61 Stationen, 22 an der Nordsee und 39 an der Ostsee; die 22 Nordseestationen verfügen über 23 Rettungsboote, 5 Mörser- und Raketenapparate, die 39 Ostseestationen über 37 Boote, 43 Geschützapparate. Die Boote sind theils nach dem amerikanischen Modell von Francis, theils nach dem englischen von Peale gebaut. Außerdem ist in einem einzelnen Falle das dänische Modell von Bonnessen benutzt, und liegen selbständige deutsche Formen vor von Devrient, Kraus, Ludwigs, Nüschke und Eggers. Ein Modell von Petersen in Hadersleben, das auf der letzten Versammlung der deutschen Rettungsgesellschaft in Rostock aus¬ gezeichnet wurde, findet bei den Technikern Beanstandung. Das Musterboot kann man wol sagen, das die verschiedenen in Betracht kommenden Forde¬ rungen, wie Leichtigkeit für den Transport bis zum Wasser, sichere Ueber¬ windung in der Brandung, Selbstentleerung nach dem Vollaufen, Selbst¬ aufrichtung nach dem Umschlagen u. s. w. sämmtlich vollkommen erfüllte, bleibt noch zu construiren. Auch taugt in Zukunft vielleicht nicht dasselbe Boot für jede Art von Strand. Die Geschützapparate werden bekanntlich in der Weise wirksam, daß aus Grenzboten I. 1869. 60

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/485>, abgerufen am 28.09.2024.