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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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jestät entschlossen ist. solche Mittel und Wege gegen Euch zu gebrauchen,
aber wir können es ja nicht wenden/' Ich antwortete: "Ich weiß, daß noch
ein gerechter Gott im Himmel lebt, der solche Unbill rächen und mein un¬
schuldiges Blut von dem Könige fordern wird, aber damit ich nicht so
schändlich um mein Leben komme, und zu einem Verräther an mir selbst
werde, so bitte ich die Herren noch einmal bei Gott und Christenliebe, daß
Sie meinen Wunsch dem Könige doch vortragen und anzeigen wollen, zumal
mir nicht gestattet wird, bei demselben mich selbst zu vertheidigen. Darauf
sagte mir der Marschalk zu. er für seine Person wollte königliche Majestät
dies gern melden, aber er wüßte nicht, ob es etwas helfen werde. Bis auf
künstigen Montag solle ich Frist haben, dann möge ich mich versehen, daß sie
mit der Schärfe und strengen Frage mir zusetzen würden. Mit diesem Bescheide
ließen sie mich in mein voriges Logement geleiten. Wie aber mir diese zwei
Nächte über zu Muth gewesen, das weiß allein Gott und ich. Jedoch habe
ich mich mit Geduld darein ergeben und dem Allmächtigen Alles anheim ge¬
stellt. Und Er, der die Herzen der Könige in seinen Händen hält, hat
solches gnädig gewendet und dem Könige einen anderen Sinn eingegeben,
denn ich bin an dem mir damals gestellten Termin nicht vorgefordert und
gefragt worden, und auch die ganze übrige Zeit meines Gefängnisses nicht,
welches von äato ab länger als zwei Jahre währte. Wie ich aber später,
da ich auf freiem Fuße war, von den beiden Secretären berichtet wurde,
hat es damals sehr gefährlich mit mir gestanden, und sie selbst haben nie¬
mals erfahren können, was den Sinn des Königs gewendet hat."




So weit der Bericht des Erich Lassota. Unsere Theilnahme an demselben
wird zunächst durch das Verhalten und die Gemüthsstimmungen des Mannes
in Anspruch genommen. Die politische Sittlichkeit jener Zeit war nicht ganz
die unsere. Die Erfindungskraft, mit welcher Erich immer wieder die
Schweden zu belügen sucht, würde in unserer Zeit einem Mann von Ehre
übel anstehen; sie galt aber damals für ebenso in der Ordnung, als die
Drohungen mit der Tortur, welche die Schweden anwandten, um ihn zum
Geständniß zu bringen. Doch versöhnend wirkt auf unsere Empfindung die
Energie der Treue und die Achtung, welche diese den Feinden einflößte.
Daß Erich die Geheimnisse seines Herrn nicht verräth, verschafft ihm die
Theilnahme der Hoflei'te, welche offenbar die Empfindung haben, daß er
nur thut, was in ähnlichem Falle auch ihre Pflicht wäre, sie erzwingt zu¬
letzt auch die Nachsicht des Königs und seines Bruders, und die zornigen
Worte, welche der bedrängte Lassota dem Bruder des Königs entgegenwirft:
"Wird man so behandelt, dann mag der Teufel Fürstendiener sein", hat


jestät entschlossen ist. solche Mittel und Wege gegen Euch zu gebrauchen,
aber wir können es ja nicht wenden/' Ich antwortete: „Ich weiß, daß noch
ein gerechter Gott im Himmel lebt, der solche Unbill rächen und mein un¬
schuldiges Blut von dem Könige fordern wird, aber damit ich nicht so
schändlich um mein Leben komme, und zu einem Verräther an mir selbst
werde, so bitte ich die Herren noch einmal bei Gott und Christenliebe, daß
Sie meinen Wunsch dem Könige doch vortragen und anzeigen wollen, zumal
mir nicht gestattet wird, bei demselben mich selbst zu vertheidigen. Darauf
sagte mir der Marschalk zu. er für seine Person wollte königliche Majestät
dies gern melden, aber er wüßte nicht, ob es etwas helfen werde. Bis auf
künstigen Montag solle ich Frist haben, dann möge ich mich versehen, daß sie
mit der Schärfe und strengen Frage mir zusetzen würden. Mit diesem Bescheide
ließen sie mich in mein voriges Logement geleiten. Wie aber mir diese zwei
Nächte über zu Muth gewesen, das weiß allein Gott und ich. Jedoch habe
ich mich mit Geduld darein ergeben und dem Allmächtigen Alles anheim ge¬
stellt. Und Er, der die Herzen der Könige in seinen Händen hält, hat
solches gnädig gewendet und dem Könige einen anderen Sinn eingegeben,
denn ich bin an dem mir damals gestellten Termin nicht vorgefordert und
gefragt worden, und auch die ganze übrige Zeit meines Gefängnisses nicht,
welches von äato ab länger als zwei Jahre währte. Wie ich aber später,
da ich auf freiem Fuße war, von den beiden Secretären berichtet wurde,
hat es damals sehr gefährlich mit mir gestanden, und sie selbst haben nie¬
mals erfahren können, was den Sinn des Königs gewendet hat."




So weit der Bericht des Erich Lassota. Unsere Theilnahme an demselben
wird zunächst durch das Verhalten und die Gemüthsstimmungen des Mannes
in Anspruch genommen. Die politische Sittlichkeit jener Zeit war nicht ganz
die unsere. Die Erfindungskraft, mit welcher Erich immer wieder die
Schweden zu belügen sucht, würde in unserer Zeit einem Mann von Ehre
übel anstehen; sie galt aber damals für ebenso in der Ordnung, als die
Drohungen mit der Tortur, welche die Schweden anwandten, um ihn zum
Geständniß zu bringen. Doch versöhnend wirkt auf unsere Empfindung die
Energie der Treue und die Achtung, welche diese den Feinden einflößte.
Daß Erich die Geheimnisse seines Herrn nicht verräth, verschafft ihm die
Theilnahme der Hoflei'te, welche offenbar die Empfindung haben, daß er
nur thut, was in ähnlichem Falle auch ihre Pflicht wäre, sie erzwingt zu¬
letzt auch die Nachsicht des Königs und seines Bruders, und die zornigen
Worte, welche der bedrängte Lassota dem Bruder des Königs entgegenwirft:
„Wird man so behandelt, dann mag der Teufel Fürstendiener sein", hat


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/483>, abgerufen am 28.09.2024.