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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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ich will dich um eine Elle länger machen lassen*), und dann wirst du sagen
müssen, was du weißt und was du nicht weißt."

Ich faßte alsbald diese Worte auf und sagte: "Es könnte leicht ge¬
schehen, daß ich in diesem Falle Ecwas sagen müßte, wovon ich keine Wissen¬
schaft habe. Aber ich bitte, fürstliche Durchlaucht wollen sich an mir nicht
vergehen, sondern als ein christlicher Herr mir das widerfahren lassen, was
Mis göntium, Völkerrechts ist. Wenn das nicht geschieht und fürstliche Durch¬
laucht andere Mittel gegen mich gebrauchen, so weiß ich nicht, was mir bei
Türken und Heiden Aergeres widerfahren kann." Darauf fängt der Herzog
ganz höhnisch an zu lachen und sagte; "Was Min! Wir verstehen uns hier
in Schweden auf keine M-a!"-- (O, ein barbarisches und unwürdiges Wort!)

Darauf wendet er sich zu den Reichsräthen und spricht: "Schaut, der
Kerl hat die königlichen Statthalter und Räthe zu Narva mit lauter Lügen
berichtet." Ich versetzte: "Es ist allerdings an dem, daß ich ihnen nicht
viel Wahrheit vorgesagt. Haben sie aber fürstlicher Durchlaucht das eine
berichtet, so werden sie auch ohne Zweifel das andere nicht vergessen haben,
daß ich stets und allezeit mich auf königliche Majestät und fürstliche Durch¬
laucht berufen und hierher nach Schweden gebracht zu werden begehrt habe,
um über meine Person so ausführlichen Bericht abzustatten, daß man hoffent¬
lich gnädigst damit zufrieden sein würde." >

Darnach frug mich, der Oberstkanzler der Krone Schweden, Herr Ricks
Guldenstern, ein feiner alter Mann von etwa 70 Jahren, wie ich heiße. Ich
antwortete: "Mein Name ist Erich Lassota von Steblau". Da fuhr er fort:
"Mein lieber Lassota, als ich in meiner Jugend zu Wittenberg studirte, habe
ich einen eures Namens und Stammes gar wohl gekannt; er ist mein ver¬
trauter Freund und Gesell gewesen, und es wäre mir von Herzen leid, wenn
es etwa mit euch einen schlechten Weg gehen sollte. Deshalb will ich treu¬
lich ermahnt und gebeten haben, daß ihr es zu keiner Gewaltthat kommen
laßt und gutwillig heraussagt, was eure Verrichtung in Moskau sein sollte".
Da fiel ihm der Herzog in die Rede: "Mein frommer Herr Guldenstern, er
mag sich wol nach einem ehrlichen Geschlecht nennen und doch ein Schelm
sein. Wißt ihr nicht, wie vor etlichen Jahren der Franzos gethan hat, der
sich hier im Land für einen Grafen ausgab, da er doch, wie wir nachher er¬
fuhren, nur ein Lakai gewesen?" Ich antwortete: "Ich wiederhole meine
gehorsamste Bitte, daß fürstliche Durchlaucht genau an den kaiserlichen Hof
schicke und Kundschaft wegen meiner Person einziehen lassen. Bin ich nicht
der, den ich mich nenne, oder weiß kaiserliche Majestät Nichts von mir, so
soll man nach höchster Ungnade mit mir procediren. Ueberdies sind auch



") Auf die Folter spannen.

ich will dich um eine Elle länger machen lassen*), und dann wirst du sagen
müssen, was du weißt und was du nicht weißt."

Ich faßte alsbald diese Worte auf und sagte: „Es könnte leicht ge¬
schehen, daß ich in diesem Falle Ecwas sagen müßte, wovon ich keine Wissen¬
schaft habe. Aber ich bitte, fürstliche Durchlaucht wollen sich an mir nicht
vergehen, sondern als ein christlicher Herr mir das widerfahren lassen, was
Mis göntium, Völkerrechts ist. Wenn das nicht geschieht und fürstliche Durch¬
laucht andere Mittel gegen mich gebrauchen, so weiß ich nicht, was mir bei
Türken und Heiden Aergeres widerfahren kann." Darauf fängt der Herzog
ganz höhnisch an zu lachen und sagte; „Was Min! Wir verstehen uns hier
in Schweden auf keine M-a!"— (O, ein barbarisches und unwürdiges Wort!)

Darauf wendet er sich zu den Reichsräthen und spricht: „Schaut, der
Kerl hat die königlichen Statthalter und Räthe zu Narva mit lauter Lügen
berichtet." Ich versetzte: „Es ist allerdings an dem, daß ich ihnen nicht
viel Wahrheit vorgesagt. Haben sie aber fürstlicher Durchlaucht das eine
berichtet, so werden sie auch ohne Zweifel das andere nicht vergessen haben,
daß ich stets und allezeit mich auf königliche Majestät und fürstliche Durch¬
laucht berufen und hierher nach Schweden gebracht zu werden begehrt habe,
um über meine Person so ausführlichen Bericht abzustatten, daß man hoffent¬
lich gnädigst damit zufrieden sein würde." >

Darnach frug mich, der Oberstkanzler der Krone Schweden, Herr Ricks
Guldenstern, ein feiner alter Mann von etwa 70 Jahren, wie ich heiße. Ich
antwortete: „Mein Name ist Erich Lassota von Steblau". Da fuhr er fort:
„Mein lieber Lassota, als ich in meiner Jugend zu Wittenberg studirte, habe
ich einen eures Namens und Stammes gar wohl gekannt; er ist mein ver¬
trauter Freund und Gesell gewesen, und es wäre mir von Herzen leid, wenn
es etwa mit euch einen schlechten Weg gehen sollte. Deshalb will ich treu¬
lich ermahnt und gebeten haben, daß ihr es zu keiner Gewaltthat kommen
laßt und gutwillig heraussagt, was eure Verrichtung in Moskau sein sollte".
Da fiel ihm der Herzog in die Rede: „Mein frommer Herr Guldenstern, er
mag sich wol nach einem ehrlichen Geschlecht nennen und doch ein Schelm
sein. Wißt ihr nicht, wie vor etlichen Jahren der Franzos gethan hat, der
sich hier im Land für einen Grafen ausgab, da er doch, wie wir nachher er¬
fuhren, nur ein Lakai gewesen?" Ich antwortete: „Ich wiederhole meine
gehorsamste Bitte, daß fürstliche Durchlaucht genau an den kaiserlichen Hof
schicke und Kundschaft wegen meiner Person einziehen lassen. Bin ich nicht
der, den ich mich nenne, oder weiß kaiserliche Majestät Nichts von mir, so
soll man nach höchster Ungnade mit mir procediren. Ueberdies sind auch



") Auf die Folter spannen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/480>, abgerufen am 28.09.2024.